Licht und Schatten in Hollywood: Die Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie erzählt vom Glamour der Traumfabrik, von ihrer Anziehung und von ihrer Abstoßung.
Text: Irene Bazinger
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Nicht immer, denn manchmal sagt ein Wort auch mehr als tausend Bilder – Hollywood nämlich! Dieser Name ist wie ein Katalysator in unserem kollektiven Gedächtnis, um Schauspieler:innen, Häuser, Straßen, Autos in Filmen, auf Plakaten oder Autogrammkarten heraufzubeschwören. So ist es kein Wunder, dass in der Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie nun eine Gruppenausstellung mit dem Titel „Hollywood“ gezeigt wird.
In deren Zentrum befindet sich natürlich das Werk Helmut Newtons, der unzählige Prominente sowie Künstler:innen aus dem Showbiz fotografiert hat, und der die Wintermonate gern mit seiner Frau June in Los Angeles verbrachte. Zwar arbeitete er schon früh für diverse Modemagazine in den USA, doch erst in den 1980er- und 1990er-Jahren begann er im Auftrag von Zeitschriften wie Vanity Fair oder Playboy, vor Ort Schauspieler:innen, Regisseur:innen oder Musiker:innen zu fotografieren. Newton galt als Meister der Inszenierung und des eloquenten Settings, weswegen ihn der Journalist und Kunsthistoriker Wilfried Wiegang 1982 in der FAZ als „Der Regisseur unter den Fotografen“ bezeichnete.
Eines der Meisterwerke in Sachen Arrangement und Symbolkraft ist in der Ausstellung zum ersten Mal im Museum für Fotografie präsent: Newtons Aufnahme von Elizabeth Taylor 1985 für „Vanity Fair“. Da steht die Diva mit teurem Schmuck in einem blau leuchtenden Swimmingpool, auf der rechten Hand einen Papagei, der den Kopf ein wenig von ihr abgewendet hat. Ist sie nackt oder trägt sie ein schulterfreies Abendkleid? Man kriegt es nicht heraus, kann auf der Wasseroberfläche nur ihr gespiegeltes Gesicht erkennen. Der Fotograf war wahrscheinlich selbst in den Pool gestiegen, um seinem Modell auf Augenhöhe begegnen zu können. Am Beckenrand wartet ein leerer Regiestuhl, dessen Stoffbezug mit der Farbe des Wassers korrespondiert. Der Schmuck ist echt, der Vogel ausgestopft. Der Star wird hier mit den Accessoires von Glamour, Luxus und Verschwendung in Szene gesetzt, aber das Klischee durch die exzentrische Pose und den ungewöhnlichen Blickwinkel mit Stil und Humor gebrochen.
Ästhetik von Überhöhung und Entrückung
Der zeitliche Bogen, den die von Kurator Matthias Harder so sorgfältig wie liebevoll konzipierte Ausstellung in fünfzehn fotografischen Positionen schlägt, umfasst rund 100 Jahre. Im zentralen Raum sind klassische Schwarz-Weiß-Fotografien von Ruth Harriet Louise (1903–1940) zu sehen, die von 1925 bis 1930 als angestellte Fotografin für die Produktionsgesellschaft MGM arbeitete. Mit ihren Aufnahmen formte sie oft das Image der Filmstars und zeigte sie so, wie das Studio sie vermarkten wollte. „She bosses the Stars“, hieß es damals in den Medien. George Hurrell (1904–1992), der diese stets von leichter Weichzeichnung geprägte Ästhetik von Überhöhung und Entrückung weiterführte, fotografierte später sogar Helmut Newton in ähnlicher Weise. Dagegen erzeugen die Porträts des Niederländers Anton Corbijn (Jahrgang 1955) eine völlig andere Nähe, die er in seinen schwarz-weißen Großformaten etwa von Marianne Faithfull oder Tom Waits durch harte Kontraste und markante Tiefenschärfe herstellt.
Natürlich gibt es auch Fotos, die das Entstehen von Filmen dokumentieren und während der Dreharbeiten geschossen wurden, darunter bei „Chinatown“ oder „The Misfits“, die also das Kerngeschäft in Hollywood begleiten – und uns ansatzweise hinter die Kulissen blicken lassen.
Das tut überdies ein eigener Raum mit Werken von Julius Shulman (1910–2009), die der Architektur gewidmet sind. Spektakuläre Gebäude und legendäre Villen prägen das Stadtbild von Los Angeles und von Beverly Hills, wie das Ennis-House von Frank Lloyd Wright, das eine zentrale Rolle in „Blade Runner“ (1982) spielte. Der in einer Vitrine ausgebreitete, 760 Zentimeter lange Leporello von Ed Ruscha (Jahrgang 1937), aufgenommen mit einer automatischen Kleinbildkamera aus einem fahrenden Auto, präsentiert wie aufgefädelt „Every Building on the Sunset Strip“ (1966). Ebenfalls aus einem Auto fotografierte Jens Liebchen (geboren 1970 in Bonn) in einem Langzeitprojekt Schönheit und Elend, Reichtum und Armut von L.A. aus alltäglichen Blickwinkeln, die sich bei seinen Spazierfahrten eröffneten. Immer im Bild sind als gewollte Störfaktoren einige Bestandteile des Autos – der Rückspiegel oder die Fensterleiste –, die verraten, wie die Fotos realisiert wurden.
Albträume in der Traumfabrik
Dass aber auch die Traumfabrik ihre Albtraumseiten hat, beweisen neben Liebchen weitere Fotografen, die etwa von der weltgrößten Pornoindustrie erzählen, die sich quasi im Schatten Hollywoods etabliert hat, und von den männlichen Sexarbeitern, die keinen Job beim Film ergatterten und sich nun auf dem Straßenstrich durchschlagen. Michael Dressel (geboren 1958 in Ost-Berlin) wendet sich mit seiner Straßenfotografie den wahrlich nicht glamourösen öffentlichen Bereichen des Lebens in Los Angeles zu, in denen sich die Benachteiligten, Marginalisierten und Verlorenen aufhalten – ob im Batman-Kostüm als Fotomotiv für Touristen oder als Mitglied einer Street-Gang. Straßenfotografien sind auch von June Newton alias Alice Springs zu sehen, die 1984/1985 allerlei Kleinkünstler:innen ablichtete, die sich unter freiem Himmel betätigten, ob nur zum eigenen Vergnügen oder in der Hoffnung, vielleicht doch noch entdeckt zu werden.
Das System Hollywood und seine spezielle Tektonik wird hier auf vielfältige fotografische Weise interpretiert und reproduziert. Einerseits wird dabei der Mythos dieser Illusionsmaschine unterlaufen, andererseits gefeiert. So ist die Ausstellung, wie es Matthias Harder formuliert, „eine Hommage an den langsam verblassenden Glanz einer ganzen Epoche, in der das kinematografische Storytelling mit fotografischen Mitteln fortgesetzt wird“.
Ein Hauch von Hollywood ist außerdem im Projektraum des Museums im Erdgeschoss zu spüren, wo Gerhard Kassner „Hollywood Stars at the Berlinale“ präsentiert. Er hat fast zwanzig Jahre lang für die Berliner Filmfestspiele die offiziellen Porträts der erschienenen Schauspieler:innen aufgenommen. Dafür hatte er bloß sehr wenige Minuten in einem kleinen, provisorischen Studio Zeit. Wie er unter diesem Druck hochsensible, wunderbar nahbare Menschenstudien geschaffen hat, ist eigentlich auch einen Bären wert. Oder doch einen Oscar?
Das Museum für Fotografie zeigt in einer großen Ausstellung die Theaterfotografien von Ruth Walz. Die Journalistin und Theaterkritikerin Irene Bazinger… weiterlesen
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