Detektive und Madonnen: Jahresrückblick 2017 aus der Blogredaktion

2017 bei den Staatlichen Museen zu Berlin: Im Rückblick lassen wir einige der spannendsten, interessantesten und schönsten Geschichten Revue passieren, die letztes Jahr auf unserem Blog liefen. Von tonnenschweren Kurfürsten über Museumsdetektive bis zu einer geheimnisvollen Madonna …
Text von Sven Stienen
Berlin im Schnee
Das Jahr begann mit Schnee – und wir waren vorbereitet. Denn bereits im November 2016 hatte ich die Idee, eine schöne Fotostrecke zum Thema zusammenzustellen, mit Bildern aus dem gigantischen Archiv des Fotografen Willy Römer. Der hatte Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Kamera im Anschlag das Leben in und um Berlin festgehalten und die alten Aufnahmen haben einen besonderen Zauber, dem ich nie widerstehen kann. So entstand ein schöner Beitrag mit Schneeballschlachten, bibbernden Wartenden, Schneefegern und dem vereisten Landwehrkanal. Wir hielten ihn bereit, um ihn sofort zu veröffentlichen, sobald der erste Schnee kam – was dann am 9. Januar war. Zum Beitrag

Der Große Kurfürst in der Gipsformerei
Eines der schönsten Dinge an der Arbeit bei den Museen sind die Ortstermine. Man besucht Restaurierungswerkstätten, sieht, wie Ausstellungen entstehen, und erfährt vieles über die Hintergründe der Objekte. Eine imposante Begegnung fand im Februar in der Gipsformerei statt. Dort wurde ein großer Auftrag aus Übersee bearbeitet: Ein mexikanisches Museum hatte einen Abguss der Reiterstatue des Großen Kurfürsten von Andreas Schlüter in Originalgröße bestellt. Die über vier Meter hohe und anderthalb Tonnen schwere Gipsreplik besteht aus fast 2000 Einzelteilen und wurde von den Fachleuten in 14 Monaten hergestellt. Doch nicht nur die Wirkung der riesigen Skulptur war beeindruckend – auch die Detektivgeschichte, wie die Mitarbeiter die vielen, teils über hundert Jahre alten und zwischenzeitlich verloren geglaubten Einzel-Gussformen wieder zusammensuchten, ist faszinierend. Zum Beitrag
Maria Sibylla Merian
Eine Recherche führte mich mitten ins spannende 17. Jahrhundert: Die Verlegertochter Maria Sibylla Merian hatte damals bereits ihren eigenen Kopf und verließ ihren Angetrauten, um mit Kind und Kegel vom kalten Holland der kleinen Eiszeit ins tropische Surinam in Südamerika zu reisen. Dort jagte sie ihrer großen Leidenschaft nach: Exotische Schmetterlinge und deren Raupen. Die Geschichte fasziniert nicht nur, weil die von Merian angefertigten Zeichnungen und Stiche wunderschön sind, sondern auch, weil die Künstlerin als Frau in der Frühen Neuzeit eine einzigartige Charakterstärke hatte. Zum Beitrag
Herrscher im Halbdunkel
Am ersten April brachten die Umzugsvorbereitungen in Dahlem eine Sensation: Offenbar hatte in den Depots des Ethnologischen Museums seit 30 Jahren ein verschollener Mitarbeiter gelebt, den ein Team von Restauratoren im Rahmen des Museumsumzugs durch Zufall wiederentdeckte! Dr. Manfred B. hatte sich von organischem Material ernährt und eine völlig neue Typologie tartarischer Schöpfkellen entwickelt. Nach seiner Entdeckung hatte der Mitarbeiter einiges nachzuholen – zuletzt sah man ihn in einem VW-Bus in den neuen Bundesländern, von wo aus KollegInnen in Dahlem in 2018 seine Rückkehr erwarten. Zum Beitrag

Die Passion Christi
Die Grundlage des christlichen Glaubens ist ein echter Thriller. Wie spannend er ist, merkt man, wenn man die Ereignisse rund um die Passion Christi im Minutenprotokoll verfolgt. Liebe, Verrat, Verzweifelung – alles drin. Die Geschichte zu recherchieren und dazu entsprechende Darstellungen in Werken aus den Museen zu finden, war eine fesselnde Aufgabe. Zum Beitrag
Provenienzforschung: Die Büste der Reitzensteins
Ob Humboldt Forum oder Nazi-Raubkunst: Viel wird derzeit diskutiert über Provenienzforschung. Wie für viele war der Begriff auch für mich zunächst neu und unklar. Was ist eine Provenienz und wie erforscht man sie? Ein kleiner „Kunst-Krimi“ aus unserem Zentralarchiv beantwortete die Frage sehr unterhaltsam: Eine Büste aus dem Besitz der Familie Reitzenstein taucht auf und es muss geklärt werden, wem sie vorher gehört und ob sie vielleicht im Dritten Reich unrechtmäßig den Besitzer gewechselt hatte … Zum Beitrag

Künstlerinnen in der Alten Nationalgalerie
Auch wenn viele damit nicht klarkommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Das war nicht immer so und das schwere Erbe des jahrhundertealten Patriarchats lastet auch auf der Kultur. Das sieht man, wie Ines Doleschal in ihrem starken Meinungsbeitrag zeigt, auch an der Alten Nationalgalerie. Hier sind Frauen krass unterrepräsentiert: Von rund 2000 Kunstwerken stammen nur etwa 30 von Künstlerinnen und obwohl die Zeiten heute sicher anders sind als in den Gründungsjahren der Nationalgalerie, ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen immer noch präsent. Umso wichtiger, dass er immer wieder thematisiert wird, bis ein Umdenken stattfindet. Zum Beitrag
Spurensuche: Wo ist Bellings Schild?
Nicht nur die Provenienzforscher machen Detektivarbeit, manchmal müssen auch Kuratoren die Lupe auspacken. Zum Beispiel Dieter Scholz aus der Nationalgalerie, der sich für die Belling-Ausstellung Mitte des Jahres im Hamburger Bahnhof auf die Suche nach einem verloren geglaubten Stück begab. Ganz unverhofft fand er den verschollenen Belling schließlich in einem winzigen Museum in Rotterdam – eine unterhaltsame kleine Geschichte die zeigt, dass Museumssarbeit neben all den großen Ausstellungen auch immer noch aus ganz kleinen Erfolgen besteht. Zum Beitrag

Ein Kunstgewerbemuseum für Berlin
Als Geschichtsnerd interessieren mich historische Themen immer am meisten. Sehr spannend war für mich daher die Geschichte des Kunstgewerbemuseums, die Direktorin Sabine Thümmler anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Hauses aufgeschrieben hat. Von den kitschigen Design-Abenteuern der frühen Industrialisierung über die ästhetischen Formen des Jugendstils bis zur ausgewogenen Ordnung des Bauhaus zeichnet sie den Weg des Designs in Deutschland nach, der untrennbar mit der Geschichte des Berliner Kunstgewerbemuseums verbunden ist. Nach der Lektüre lohnt sich ein Besuch des Hauses, um die Entwicklung direkt an den Objekten nachvollziehen zu können. Zum Beitrag
Backstory: Das Geheimnis von Fouquets Madonna
Während die große kunsthistorische Sensation der Fouquet-Ausstellung in der Gemäldegalerie die Zusammenführung der beiden Werkhälften nach 80 Jahren ist, faszinierte mich von Anfang an am meisten die Geschichte von Fouquets geheimnisvoller Madonna. Über sie sind viele Gerüchte im Umlauf – so soll sie Agnes Sorel, die Mätresse des französischen Königs, gewesen sein. Zum Beitrag
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