Die Ausstellung „Muse oder Macherin? Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400 – 1800“ im Kupferstichkabinett begibt sich auf die Spuren weiblicher Künstlerinnen. Dagmar Korbacher, Direktorin der Sammlung, im Gespräch.
Interview: Elena Then
Na, können Sie ein paar bekannte Künstler der italienischen Renaissance nennen? Facile! Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo, Giotto, Tizian, Botticelli, Donatello, … – die Liste ist lang. Aber wie sieht es mit den Künstlerinnen aus? Da wird es für die meisten schon schwieriger, die nicht Kunstgeschichte studiert haben oder kunstliebende Italienkenner*innen sind.
Frau Korbacher, wie kamen Sie auf die Idee zur Ausstellung und was wollen Sie damit erreichen?
Dagmar Korbacher: Künstlerinnen und Akteurinnen der Kunstwelt in Renaissance und Barock sind heute selbst einem kunstinteressierten Publikum noch relativ unbekannt. Gleichzeitig kursieren viele Halbwahrheiten und Falschinformationen zu den Umständen, in denen sie lebten und arbeiteten. So ist beispielsweise die Meinung, Frauen seien vor dem 20. Jahrhundert gar nicht zu Kunstakademien zugelassen gewesen, weit verbreitet. Für Italien stimmt das so nicht, in der Ausstellung ist sogar die längste Wand den „Akademikerinnen“ des 17. Jahrhunderts gewidmet.
Natürlich soll die Ausstellung die Bekanntheit der Künstlerinnen der Renaissance und des Barock fördern, letztlich aber geht es vor allem auch darum, was wir von diesen in Hinblick die heutige Kunstwelt lernen können und darum, die Künstlerinnen und Akteurinnen von heute zu stärken und sichtbarer zu machen.
Einige Künstlerinnen sind mit einer Vielzahl an Werken vertreten, andere nur mit ein bis zwei. Woraus resultierte Ihre Werkauswahl für die Ausstellung?
Von einigen Künstlerinnen sind heute wesentlich mehr Werke erhalten bzw. bekannt als von anderen. So waren Diana Mantovana und Elisabetta Sirani beispielsweise sehr produktive Künstlerinnen, die auch außergewöhnlich gut dokumentiert sind. Von anderen Künstlerinnen ist viel weniger erhalten bzw. wissen wir heute teilweise noch nicht genug über sie, um annähernd einen Überblick über ihr Schaffen zu haben. Abgesehen davon ist die Werkauswahl auch durch unsere Sammlung und andere Sammlungen bedingt, die hier am Kulturforum beheimatet sind. Die Ausstellung thematisiert Frauen der italienischen Kunstwelt, von denen sich heute noch Spuren in den Sammlungen von Kupferstichkabinett, Kunstbibliothek und Gemäldegalerie finden.
Wie kamen die Werke der Künstlerinnen in die Sammlung? Gibt es hier spannende Erwerbungsgeschichten?
In der fast zweihundertjährigen Geschichte des Kupferstichkabinetts wurden Werke von Künstlerinnen der Renaissance und des Barock nicht explizit gesammelt, sie kamen meist im Rahmen größerer Konvolute in die Sammlung. Man versuchte enzyklopädisch Werke aller Künstler*innen, unabhängig von deren Geschlecht, und aller Schulen zu sammeln. Heute ist das etwas anders. Bei Ankäufen, vor allem im Bereich der zeitgenössischen Kunst, achten wir darauf, auch weibliche Positionen angemessen zu berücksichtigen.
Haben Sie sich bewusst dazu entschieden, zum Teil keine Werke von Männern zu zeigen, die den Künstlerinnen als Vorbild dienten?
Die Ausstellung zeigt Werke von Männern, etwa Bildnisse von Künstlerinnen und Sammlerinnen, die von Männern geschaffen worden sind oder auch Werke von Künstlern, die von Frauen in Auftrag gegeben, gesammelt und bewahrt worden sind. Die Werke, die Künstlerinnen wie Diana Mantovana als Vorbild dienten, sind oft Wandmalereien oder andere große Formate, konnten und können also nur durch ihre Umsetzung in der Druckgraphik auf Reisen gehen.
Was lässt sich allgemein zu den von Frauen behandelten Themen sagen? Wie gehen sie mit ihren Sujets um?
Künstlerinnen der Renaissance und des Barock schufen nicht unbedingt andere Themen als ihre männlichen Zeitgenossen, auch sie malten und druckten natürlich das, was bestellt und gekauft wurde. Allerdings scheinen auf dem Kunstmarkt teilweise auch spezielle Themen wie die Darstellung biblischer oder antiker Heldinnen von Frauenhand besonders gefragt gewesen zu sein. Ob Frauen anders, weiblicher mit den Sujets umgehen, ist eine schwierige Frage. Pauschal kann man das sicher nicht behaupten, denn es spielen eben auch Faktoren wie Werkstatt-Traditionen, Auftraggeberwünsche, etc. eine Rolle. In manchen Fällen wird man dennoch eine besondere Sensibilität gegenüber „weiblichen“ Szenen (etwa in der Darstellung einer stillenden Muttergottes bei Elisabetta Sirani) erkennen können.
Wie ging es nach 1800 weiter? Haben es Frauen in der Kunst heute leichter?
Ja und nein. Bei der Arbeit an der Ausstellung fand ich es immer wieder erschreckend, über Probleme zu stolpern, die vor 500 Jahren genauso virulent waren wie heute: etwa der Gender Pay Gap oder die Tatsache, dass das Aussehen von Frauen eine stärkere Rolle spielt als das Aussehen von Männern, oder das Vorurteil Frauen seien generell zu emotional.
Achtet AlisMB, das Jugendgremium der Staatlichen Museen zu Berlin, war an der Ausstellung beteiligt. Wie hat es sich konkret eingebracht?
Die Arbeit mit dem Jugendgremium war eine der bereicherndsten Erfahrungen meines Berufslebens. Bei der Werkauswahl haben die jungen Leute wichtige Impulse gegeben, sie haben ihre Sicht auf das Thema in Katalogbeiträgen erläutert, sie haben in der Ausstellung eine Leseecke eingerichtet, in der die Besucher*innen in Katalogen mehr zum Thema „Frauen in der Kunstwelt“ erfahren können und sie haben Postkarten produziert, die sogenannte „Was denkst Du?- Karte“, auf denen die Besucher*innen einen Gedanken oder eine Zeichnung hinterlassen können. Diese Karten sind der Renner, wir mussten nach wenigen Wochen bereits nachdrucken.
Abschlussfrage: Was ist Ihr Lieblingsstück und was war die spannendste Entdeckung bei der Recherche zur Ausstellung?
Neue Lieblingswerke habe ich durch die Arbeit an der Ausstellung einige gewonnen, zumal ich selbst, wie viele andere Fachleute übrigens auch, die teilweise wirklich erstaunliche Qualität der Kupferstiche, Radierungen und Zeichnungen der Künstlerinnen unterschätzt hatte. Die spannendste Entdeckung ist eigentlich, wie wichtig das Thema unserem Publikum ist und dass es viele Menschen zum ersten Mal zu uns ins Kupferstichkabinett gelockt hat.
Dagmar Korbacher wird Direktorin des Kupferstichkabinetts. Sie folgt damit als erste Frau in dieser Position dem komissarischen Leiter Holm Bevers… weiterlesen
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