Magische Perspektiven: Johann Erdmann Hummel in Virtual Reality
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Perspektiven und Spiegelungen waren ein zentrales Thema des Malers Johann Erdmann Hummel. Anlässlich der Schau „Magische Spiegelungen“ in der Alten Nationalgalerie erscheint nun eine Virtual-Reality-Anwendung, die dazu einlädt, sein Werk auf völlig neue Weise zu erkunden.
Die größte Schale der Welt sollte Preußen gehören. So wollte es König Friedrich Wilhelm III., und so lautete der Auftrag, den er 1826 an den Steinmetz Christian Gottlieb Cantian richtete. Cantian hatte zuvor auf der Akademie-Ausstellung in Berlin kunstvoll gefertigte Granitschalen präsentiert und einige davon nach England verkauft.
Dem königlichen Auftrag folgend, begann Cantian mit der Fertigung der größten Granitschale, die die Welt bis dato gesehen hatte: Aus einem riesigen Findling ließ er ein mehr als 200 Tonnen schweres Stück abspalten und arbeitete aus diesem die rote Granitschale heraus, die heute vor dem Alten Museum im Berliner Lustgarten steht.
Die Herstellung der Schale war ein nationales Ereignis in Preußen – die Öffentlichkeit verfolgte das Unternehmen interessiert und der renommierte Maler und Kunstprofessor Johann Erdmann Hummel stellte den Vorgang in einem dreiteiligen Gemälde-Zyklus dar.
Hummel war seit 1809 Professor für Perspektive, Architektur und Optik an der Berliner Kunstakademie. Die Begeisterung für optische Phänomene prägte seine künstlerische Arbeit. Als Maler war er zeitlebens von raffinierten Spiegelungen, räumlichen Verschachtelungen und magischen Beleuchtungen fasziniert. Die kunstvoll konstruierten, mitunter rätselhaft und überrealistisch erscheinenden Kompositionen des Meisters beeindrucken noch heute durch ihre zeichnerische Klarheit und einen fein empfundenen Kolorismus. Mit diesem eigenwilligen Anspruch ging Hummel auch an die Dokumentation der Arbeiten an der Granitschale.
Der Rohling der Schale war 1828 in Berlin angekommen und wurde daraufhin in einem eigens dafür errichteten Gebäude auf der Museumsinsel weiter bearbeitet. Mithilfe einer Dampfmaschine wurde zunächst die Außenseite der Schale auf Hochglanz poliert. Hummel fertigte ein fotorealistisches Gemälde dieses Vorgangs an, in dem er die Spiegelungen der glänzenden Oberfläche bis ins kleinste Detail festhielt.
Den krönenden Abschluss der künstlerischen Dokumentation bildete jedoch Hummels Darstellung der zunächst provisorisch aufgestellten Schale vor dem Alten Museum im Jahr 1831. Spiegelglatt steht die Schale in der Darstellung im Lustgarten umringt von schaulustigen Berliner*innen, deren Reflektionen auf der Flanke des Objekts zu sehen sind.
Die Gemälde Hummels sind derzeit nicht nur in der Ausstellung „Magische Spiegelungen – Johann Erdmann Hummel“ in der Alten Nationalgalerie im Original zu bewundern; seit Neuestem gibt es auch eine virtuelle Web-Anwendung, die es ermöglicht, ausgewählte Bildnisse, Figurenszenen in Innen- und Außenräumen sowie Landschaften und Naturstudien aus Hummels Oeuvre zu betrachten.
Die browserbasierte Anwendung „Magische Spiegelungen“ wurde von Meta (ehemals Facebook) und der Alten Nationalgalerie entwickelt und bietet eine virtuelle Galerie, in der sich Besucher*innen frei bewegen und zusätzliche Informationen zu den einzelnen Werken abrufen können.
Im Zentrum der virtuellen Galerie steht das erwähnte Werk Hummels, dass er 1831 anlässlich der Aufstellung der Granitschale fertigte: Die Besucher*innen können zum ersten Mal selbst in dieses Werk hineinspringen. In verblüffender und detaillierter Immersion kann man sich völlig frei um die Schale herumbewegen, kann sie aus verschiedenen Winkeln betrachten und auch den Blick über den Lustgarten und seine unmittelbare Nachbarschaft um 1831 schweifen lassen. Man blickt dem erstaunten Publikum persönlich über die Schulter und steht direkt neben den Söhnen Hummels, die dieser ebenfalls in dem Werk verewigte. Gleichzeitig ermöglicht die Anwendung, selbst Fotos aufzunehmen und mit Freund*innen zu teilen oder die Fotos anderer Besucher*innen anzusehen.
Diese völlig neue Art des Kunsterlebens begeistert auch Birgit Verwiebe, die Kuratorin der Hummel-Ausstellung: „Ich freue mich sehr, dass über Facebook mit Hilfe moderner Medientechnologien ein neuer faszinierender und inspirierender Zugang zum Werk des Künstlers Johann Erdmann Hummel möglich ist.“ Die Virtual Reality, so fährt sie fort, biete gänzlich andere Erfahrungen im Umgang mit seinen Werken. Das Eintauchen in das Werk selbst ist auch für die Kuratorin ein absolutes Highlight: „Es bieten sich ungewohnte Möglichkeiten des Nachvollzugs der Intentionen Hummels, aber auch Gelegenheiten für eigenes Experimentieren. Und an diesem Punkt treffen sich Hummels Forschergeist und Experimentierfreude beim Konstruieren seiner Bildwelten mit dem heutigen Interesse an neuen medialen Möglichkeiten visueller Wahrnehmung und eigener Kreativität.“
Die Volontärin Josephine Hein, die maßgeblich an der Entwicklung der Web-Anwendung beteiligt war, sieht einen großen Vorteil auch in der Möglichkeit, mithilfe solcher Technologien Erfahrungen über den reinen Museumsbesuch hinaus anzubieten: „Die VR-Experience ermöglicht es, Kunst zu erleben, wo und wann man Lust hat. Sie lädt zur spielerischen Entdeckung von Johann Erdmann Hummels Werk ein, ganz unabhängig vom Besuch der Alten Nationalgalerie oder aber zu seiner Ergänzung.“
Victoria-Sophie Wettmarshausen, hat das Projekt für den Verein der Freunde der Nationalgalerie betreut und betont die Besonderheit: „Das Projekt ist das Resultat einer einzigartigen Kooperation. Interdisziplinär und über Länder- und Organisationsgrenzen hinweg haben wir mit der Alten Nationalgalerie, Meta sowie dem französischen Entwicklerstudio Make Me Pulse zusammengearbeitet, um die Kunst von Johann Erdmann Hummel in den digitalen Raum zu bringen. Es ist toll, dass unsere Anwendung ‚Magische Spiegelungen‘ jetzt so viel positives Feedback bekommt und von Menschen weltweit erlebt werden kann.“
Was im Bereich Gaming längst normal ist – die Immersion in virtuelle Welten – bietet also auch für die Darstellung und Vermittlung von Kunst völlig neue Möglichkeiten, deren Nutzung mit Anwendungen wie „Magische Spiegelungen“ erst am Anfang steht.
„Die Alte Nationalgalerie sucht stets nach neuen Möglichkeiten, Sammlungsbestände und Ausstellungen auch durch digitale Angebote einem möglichst breiten und diversen Publikum zugänglich zu machen“, erklärt Ralph Gleis, der Direktor der Sammlung. „Im Falle Johann Erdmann Hummels kann die Wiederentdeckung dieses Künstlers nun auf eine ganz neue Weise geschehen. Die virtuelle Fotografie eröffnet dabei zudem einen eigenen kreativen Umgang mit den Werken Hummels. Wir freuen uns über diese gelungene Kooperation mit Meta, die diese Erweiterung im digitalen Raum ermöglichte.“
Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Februar in der Alten Nationalgalerie geöffnet, die virtuelle Webanwendung wird voraussichtlich länger nutzbar bleiben.
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