„Wie haben die das gemacht?“ – Mit dem Comiczeichner Reinhard Kleist im Museum
Lesezeit 5 Minuten
Es kann viele Gründe geben, ins Museum zu gehen: Zerstreuung,
Bildungshunger, ästhetischer Genuss. Und manchmal auch, um dort zu
zeichnen. Wir haben den Berliner Künstler Reinhard Kleist gefragt, was
ihn zu den Alten Meistern zieht, und zeigen einige seiner Skizzen.
Interview: Fabian Fröhlich
Reinhard Kleist ist einer der bekanntesten Comiczeichner Deutschlands. Geboren 1970 in
Hürth bei Köln, studierte er Grafik und Design in Münster. Seit 1996
lebt und arbeitet er in Berlin. Bekannt und vielfach ausgezeichnet wurde
er vor allem für seine biografischen Graphic Novels wie zum Beispiel Cash – I See a Darkness (2006), Der Boxer – Die wahre Geschichte des Hertzko Haft (2011) oder Nick Cave – Mercy on me (2017). Zur Zeit arbeitet er an einer grafischen Biografie David Bowies, deren erster Teil 2022 erscheinen soll.
Bist du als Kind ins Museum gegangen?
Reinhard Kleist: Ab und zu. In Köln war ich mit meinen Eltern ein paarmal in den
klassischen Museen, dem Römisch-Germanischen zu Beispiel. Und dann hat
mich mein Vater, weil er dachte, ich interessiere mich ja für Kunst, ins
Museum Ludwig mitgenommen, und da standen wir dann alle ziemlich ratlos
vor den Kunstwerken. Mein Vater konnte mir das auch nicht so richtig
erklären. Bei der modernen Kunst hat es lange gedauert, bis ich damit
klar kam.
Haben dich solche Museumsbesuche irgendwie
geprägt? Hat das einen Einfluss darauf gehabt, dass du dann selber
Künstler geworden bist, oder war der Weg ganz anders?
Nein,
der Weg war ganz anders. Als ich sehr jung war, war ich schon mit
Comics beschäftigt, auch über Schulfreunde. Und davon ausgehend habe ich
mich dann auch „ernsthafter“ Kunst zugewandt, Eine Zeitlang hatte ich
tatsächlich eine Käthe-Kollwitz-Phase, und dann habe ich auch mit
Ölmalerei angefangen, das waren so Sachen, die sich stilistisch an den
Expressionisten orientiert haben, vor allem an deren Darstellungen des
Nachtlebens. Während des Studiums bin ich wieder auf den Comic gestoßen,
weil ich Künstler entdeckt habe, die Malerei, Comic und experimentelle
Arbeiten mit dem Erzählen von Geschichten kombiniert haben. David McKean
zum Beispiel oder amerikanische Zeichner wie Kent Williams, der ganz
stark von Egon Schiele beeinflusst war. Schiele habe ich dann auch
während des Studiums entdeckt, und er ist seitdem mein großer Gott.
Und
nachdem du nach Berlin gezogen warst, haben die Museen hier eine Rolle
gespielt? Man hört ja oft, dass Leute, die hier leben, vielleicht einmal
– zum Beispiel – im Pergamonmuseum waren, aber dann 20 Jahre nicht
mehr. Weil: Man kennt’s ja.
Das macht man eben meistens
mit Besuch. Wenn meine Eltern hier waren, dann bin ich mit denen auch in
die klassischen Museen gegangen, Pergamonmuseum, Neues Museum
natürlich. Aber früher hatte ich ehrlich gesagt auch mehr Lust am
Feiern, und jetzt habe ich dann auch schon mehr Lust, mir Museen
anzugucken. Nicht nur in Berlin. Ich reise ja ziemlich viel, vor allem
für das Goethe-Institut, und wenn ich irgendwo in einer Stadt in ein
Museum gehen kann, dann nehme ich immer einen Zeichenblock mit.
Ich
war mal in Kairo im Ägyptischen Museum und stand vor der Maske von
Tutanchamun und habe sie abgezeichnet. Die Zeichnung ist scheiße
geworden, aber den Moment, da zu stehen, den anzugucken und zu zeichnen,
den werde ich nie vergessen. Da war auch sonst niemand.
Bei Tutanchamun? Niemand?
Das
war kurz nach den Protesten, es gab keine Touristen, und das Museum war
total leer, und ich war da wirklich fast der Einzige im Raum. Und die
Aufsicht ließ mich auch gewähren. Aber wenn da jemand reinkam und die
Kamera auspackte, wurde er sehr unfreundlich aufgefordert, sie wieder
wegzustecken.
Und vor Kurzem war ich in Leipzig, da hängt eine von
Böcklins Toteninseln, die ist jetzt nicht so einfach zu kopieren, aber
ich finde es einfach großartig, da zu stehen und sich vorzustellen: Ich
zeichne jetzt die Toteninsel. Das ist doch der Hammer! Dass man das
kann.
Du kopierst ja auch nicht wirklich, das Medium ist ja meistens ein ganz anderes.
Ja,
ich muss mich reduzieren, ich male ja in dem Sinne nicht, ich muss das
Malerische umwandeln in eine Schwarz-Weiß-Zeichnung, manchmal mit ein
bisschen Farben dabei. Was mich zum Beispiel sehr interessiert, ist das
Nachzeichnen von Gesichtern, von Physiognomien und Gesichtsausdrücken.
Gerade die Berliner Gemäldegalerie ist so ein gigantischer Fundus von Bildern, das kann man an einem Tag gar nicht alles erfassen. Im Alten Museum habe ich auch schon gezeichnet, die römisch-griechischen Skulpturen.
Oder in Sonderausstellungen. Ich mache beides: Ich gehe auch in
Ausstellungen und Museen und schaue mir Sachen nur an. Und manchmal
möchte ich aber auch selber etwas machen.
Wenn ich keine Lust habe
oder wenn mich da gar nichts anspricht, dann kann ich auch nichts zu
Papier bringen. Aber wenn ich ein Gemälde total toll finde und davon
etwas in meinem Stil kopiere, dann ist dann schon auch eine andere Art,
ein Bild anzuschauen. Man entdeckt dann auch viele Sachen, auf die man
sonst nicht so geachtet hätte. Und man guckt auch: Wie haben die das
gemacht? Bei anatomischen Studien zum Beispiel oder wenn es darum geht,
wie man einen bestimmten Moment festhält.
Gibt’s das auch,
dass das wie eine Flucht ist, eine Flucht vor David Bowie zum Beispiel?
Im Sinne von: Ich komme nicht weiter, ich gehe jetzt erst mal ins
Museum.
Ja. Eindeutig. Das habe ich auch in der
Lockdown-Zeit gemerkt. Da konnte man eben nicht ins Museum gehen. Und
mir hat das total gefehlt. Als ich dann wieder in der Gemäldegalerie zum
Zeichnen war, war ich danach richtig aufgewühlt. Die ganze Zeit vorher
hatte ich mich nur mit diesem Bowie beschäftigt und irgendwann gemerkt:
Ich kann nicht mehr, ich bin total leer, da muss wieder was reinkommen.
Man kann nicht die ganze Zeit nur was rauslassen, man braucht
irgendwann auch wieder Input.
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