Maurische Muster. Jorge Pardos Installation im Café der Neuen Nationalgalerie
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Der kubanisch-US-amerikanische Künstler Jorge Pardo hat auf Einladung von Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, im Museumscafé ein neues Kunstwerk realisiert. Zur Wiedereröffnung des Hauses wird Untitled (2021) das Publikum magisch anziehen, denn Licht und Schatten verwandeln den fensterlosen Bereich in eine begehbare Rauminstallation. Über den Entwurf sprach Constanze von Marlin mit dem Künstler.
Interview: Constanze von Marlin
Constanze von Marlin: Für das Museumcafé im Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie haben Sie eine Installation realisiert, die den Raum ästhetisch neu definiert. Worin besteht die Installation?
Jorge Pardo: Die Wände sind raumhoch mit Wandpanelen aus 3-D-Fliesen verkleidet, von der Decke hängen Lichtskulpturen. Beide Elemente bestehen aus Mustern, die durch Drehung, Spiegelung und Überlagerung variiert werden. Die Kacheln aus MDF sind aus drei Lagen zusammengesetzt und in drei verschiedenen Orangetönen gefärbt. Ihre Anordnung ist unregelmäßig, um Bewegung und Dynamik jenseits von Geometrie zu erreichen. In dichten Reihen hängen die 48 Aluminium-Lichtskulpturen von der Decke. Mit ihren ein Meter Höhe reichen sie bis auf die Oberkante des Türrahmens herunter. Der Raum wird dadurch massiv gefüllt und wirkt unmittelbar physisch auf die Besucherinnen und Besucher.
CvM: Die Phase der Sanierung der Neuen Nationalgalerie hat den Blick verstärkt auf die Architektur von Ludwig Mies van der Rohe gelenkt. Was interessiert Sie an dem Stahl-Glas-Gebäude?
JP: Mies van der Rohe ist einer der erste Architekten, die Leben ausstellen. Diese Haltung kommt vermutlich durch die Auffassung, Architektur als Skulptur zu verstehen. Die Ausstellungshalle mit ihren Wänden aus Glas ist eine Vitrine für Menschen und Kunst. In heutigen Zeiten von Reality-TV vermittelt die Architektur aus den 1960er Jahren den interessanten Aspekt eines Verlust von Privatheit. Doch mich interessiert nicht nur die Transparenz der Glashalle, sondern auch die Transparenz, mit der Mies Materialien eingesetzt hat. Die Wahrheit des Materials zu exponieren kennzeichnet diese Ikone der westlichen Moderne. Meine Installation schließt an die formale Idee der Vitrine und an die Exponiertheit des Materials bei Mies an. Ich habe im Museumscafé eine Vitrine in der Vitrine geschaffen. Dabei ist mir wichtig, dass die Vitrinen selbst einen ganz unterschiedlichen materiellen Charakter haben, aber beide das Ausstellen von Menschen zum Teil der Erfahrung machen. Beide Vitrinen involvieren die Menschen, die sich dort aufhalten und stellen eine umfassende Beziehung zwischen Raum und Betrachtenden her. Es ist eine andere Erfahrung von Kunst, als im Rest des Museums, wo das Publikum den Werken gegenübertritt und nicht von ihnen eingenommen wird.
CvM: Der deutsche Architekt und letzte Direktor des Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe, emigrierte 1938 in die USA. Seine Architektur der Neuen Nationalgalerie vereint die Tradition des in Deutschland gegründeten Bauhauses mit dem International Style der US-amerikanischen Moderne. Sie beschäftigen sich in Ihrer künstlerischen Arbeitsweise dem Ausloten von Gestaltungsmöglichkeiten im Grenzbereich von Kunst und Architektur, von Design und Skulptur, von Alltagstauglichkeit und ästhetischer Autonomie. Wo liegen für Sie die Grenzen und Überschneidungen zwischen diesen Disziplinen?
JP: Meinem Verständnis nach strebte das Bauhaus danach, Kunstaspekte in angewandten Bereichen zu verankern. Mein zentrales Anliegen ist das Ausstellen von Kunst. Architektur und Design sind nur Mittel, mit denen ich arbeite. Lassen Sie es mich an einem Beispiel verdeutlichen. 1999 habe ich für den Deutschen Bundestag in Berlin im Paul-Löbe-Haus das Restaurant gestaltet. Die Lampen und Möblierungen waren quasi ein Nebenprodukt, zentral hingegen war der grün-weiß schimmernder Terrazzoboden, um den ich lagen mit dem Architekten Stephan Braunfels gerungen habe. Für Braunfels hatte die Einheitlichkeit des Fußbodens in allen Gebäuden des sogenannten Bandes des Bundes die symbolische Bedeutung der Sichtbarmachung der Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Für mich musste die Gestaltung einfach und direkt sein, aber so, dass die Restaurantbesucherinnen und -besucher ein Teil des Raumes werden. Das Farbsystem habe ich so gewählt, dass es eine räumliche Beziehung herstellt und den Raum als offene Struktur definiert, eine Kondition des Ausstellens von Kunst, die unbedingt vorhanden sein muss. Die Lampen im Café der Neuen Nationalgalerie haben natürlich einen funktionellen Nutzen, aber sie sind auch gleichzeitig Objekte, die sich auf die Eigenschaft von Gebäuden von Mies beziehen, riesige Leuchten zu sein, also sehr extrovertierte Gebäude seiner Jahre in Chicago.
CvM: Die floralen Muster der Wandvertäfelung und Lampen im Museumscafé variieren durch Reihung, Rotation und Spiegelung zu maurisch inspirierten Ornamenten. Eine Schnittstelle zu Mies van der Rohe sehe ich in der Verwendung von Modul und Ordnung. Worin liegt Ihr Interesse an der Architektur von Mies?
JP: Mies hat in Zusammenarbeit mit Lilly Reich Innenarchitektur für seine Gebäude neu definiert, denn sie widerstehen in gewisser Weise einer Möblierung. Vorhänge und Möbel müssen anders präsentiert werden, damit sie der Idee der Transparenz gerecht werden. Es ist immer ein Tanz zwischen der Transparenz des Museums und den Objekten, die den Innenraum zähmen. Dieses Herangehen war ein Ausgangspunkt für meine Arbeit, der andere war einen Ort zu schaffen, der optisch lebendig ist. Das ist so wichtig, weil das Café wie eine Höhle ist, ein fensterloser Raum. Meine Idee war es daher, die Höhle durch Intensität, Komplexität und Leuchtkraft zu beleben. Gleichzeitig musste der Entwurf einfach sein und eine Assoziation zu maurischen Design vermitteln.
CvM: Vom 20. Bis 22. August 2021, also parallel zur Wiedereröffnung der Neuen Nationalgalerie, findet in Berlin das „SUNDAY OPEN featuring Mies in Mind“ statt. Im Kontext dieses besonderen Galerieprogramms zeigen Sie die Ausstellung „for lilly reich“ bei neugerriemschneider, die in engem Zusammenhang mit der Installation für das Museumscafé entstand.
JP: In meiner Einzelausstellung zeige ich eine Gruppe neuer Werke, die eine Hommage an die bedeutende modernistische Designerin und Architektin Lilly Reich darstellt. Bei ihrer Zusammenarbeit mit Mies gelang ihr eine Optimierung der Raumerfahrung seiner Gebäude durch sorgfältig platzierte Möbel, die den Raum gliedern. Anhand einer Fülle online zusammengetragener visueller Quellen und Referenzen ergründe ich ihr interdisziplinäre und innovatives Schaffen und kombiniere es mit eigenen bildlichen Assoziationen.
Hat sich durch die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie an der ikonischen Architektur von Ludwig Mies van der Rohe etwas verändert?… weiterlesen
Wegen Abnutzung, Alterung oder Schadstoffen können Teile der bauzeitlichen Innenausstattung der Neuen Nationalgalerie nicht länger verwendet werden. Dazu gehören etwa… weiterlesen
*Anmerkung: Liebe Museumsbetreibende, ab vom Installationswerk hat für solches Haus von Weltruf diese Art Café leider nun die Anmutung eines (teuren) Getränkeautomaten; tut uns leid.
Dieses „Café“ verdient weder den Namen, noch wird es dem schönen Bau und der Funktion der Neuen Nationalgalerie gerecht. Das Design von Jorge Pardos verstärkt dazu den Charakter des Unpassenden und Unangemessenen. Es gibt keinen gestalterischen oder inhaltlichen Bezug einer durch maurische Anmutung geprägten Café-Gestaltung zum zeitlosen Bau Ludwig Mies van der Rohes oder zur Funktion der Neuen Nationalgalerie. Auch die Art des gastronomischen Konzeptes ist unangemessen für die Neue Nationalgalerie, sie erinnert an die Selbstbedienungsbuffets in klassischen Warenhäusern. Wir waren uns beim Besuch der wiedereröffneten grundsanierten Galerie einig, dass das Café völlig misslungen ist und auf keinen Fall im Sinne des berühmten Architekten wäre.
Gut gelungen hingegen ist der Museumsshop mit der Buchhandlung Walther König.
Die Direktion sollte das Konzept und die Gestaltung des Cafés neu angehen und mit einem kompetenten Innenarchitekten professionell und adäquat umsetzen.
Lieber Ludwig L., Ihrer Meinung schließe ich mich uneingeschränkt an. Der gestrige erste Besuch des Cafés der Neuen Nationalgalerie nach der Sanierung machte mich zuerst ratlos und empörte mich dann. Als Innenarchitektin fühlte ich mich irgendwo zwischen Jahrmarkt und orientalischem Bazaar. Ich hoff(t)e, dass es sich um eine temporäre Installation handelt!
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Kommentare
*Anmerkung: Liebe Museumsbetreibende, ab vom Installationswerk hat für solches Haus von Weltruf diese Art Café leider nun die Anmutung eines (teuren) Getränkeautomaten; tut uns leid.
Dieses „Café“ verdient weder den Namen, noch wird es dem schönen Bau und der Funktion der Neuen Nationalgalerie gerecht. Das Design von Jorge Pardos verstärkt dazu den Charakter des Unpassenden und Unangemessenen. Es gibt keinen gestalterischen oder inhaltlichen Bezug einer durch maurische Anmutung geprägten Café-Gestaltung zum zeitlosen Bau Ludwig Mies van der Rohes oder zur Funktion der Neuen Nationalgalerie. Auch die Art des gastronomischen Konzeptes ist unangemessen für die Neue Nationalgalerie, sie erinnert an die Selbstbedienungsbuffets in klassischen Warenhäusern. Wir waren uns beim Besuch der wiedereröffneten grundsanierten Galerie einig, dass das Café völlig misslungen ist und auf keinen Fall im Sinne des berühmten Architekten wäre.
Gut gelungen hingegen ist der Museumsshop mit der Buchhandlung Walther König.
Die Direktion sollte das Konzept und die Gestaltung des Cafés neu angehen und mit einem kompetenten Innenarchitekten professionell und adäquat umsetzen.
Lieber Ludwig L.,
Ihrer Meinung schließe ich mich uneingeschränkt an.
Der gestrige erste Besuch des Cafés der Neuen Nationalgalerie
nach der Sanierung machte mich zuerst ratlos und empörte mich dann.
Als Innenarchitektin fühlte ich mich irgendwo zwischen Jahrmarkt und orientalischem Bazaar.
Ich hoff(t)e, dass es sich um eine temporäre Installation handelt!