Baustelle Neue Nationalgalerie:

Der Besucheranstieg hat einen Haken. Die Neugestaltung der Garderobe in der Neuen Nationalgalerie

Rendering: David Chipperfield Architects für das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) © Rendering: David Chipperfield Architects

Hat sich durch die Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie an der ikonischen Architektur von Ludwig Mies van der Rohe etwas verändert? Unsere Autorin Constanze von Marlin hat nachgeforscht und erfahren: Die Garderobe und der Museumsshop im Untergeschoss sind die einzigen für das Publikum sichtbaren Ergänzungen.

Text: schmedding.vonmarlin.

Als die Neue Nationalgalerie 1968 eröffnet wurde, reichten die kleinen Garderoben in den beiden symmetrisch angeordneten Holzeinbauten in der oberen Ausstellungshalle für den Besucherverkehr aus. An der Hutablage sieht man am deutlichsten, wie veraltet die bauzeitliche Planung heute ist. Auch die Besucherzahlen sind in den vergangenen fünfzig Jahren so weit angestiegen, dass eine Lösung für weitere Garderobenständer innerhalb der zur Verfügung stehenden Räume gefunden werden musste. Aus Ermangelung einer geeigneten Räumlichkeit wurde die Garderobe im nördlichen Museumsgang untergebracht. Damit belegte sie aber wertvolle Ausstellungsfläche und unterbrach den von Mies van der Rohe angelegten Museumsrundgang. Außerdem lag sie in einem Fluchtweg und stellte somit ein Sicherheitsrisiko dar. Die Behebung dieses auf Dauer untragbaren Provisoriums war eine der Kernaufgaben der Grundinstandsetzung.

Die Baustelle der Neuen Nationalgalerie im März 2020. Foto: schmedding.vonmarlin.

Das Büro David Chipperfield Architects löste dieses Problem unter Wahrung der vorhandenen Grundrisskubatur, indem die Garderobe in ein ursprüngliches Gemäldedepot verlegt wurde. Dadurch konnte die neue Besucherinfrastruktur funktionell gegenüber den Toiletten angeordnet werden. In der neuen Räumlichkeit kann zukünftig der gesteigerte Bedarf an Garderobenhaken, einer Gruppengarderobe, Schließfächer, einer Ausleihstation für Buggys und Rollstühle untergebracht werden, außerdem verbindet ein neuer Personenaufzug im Rahmen einer barrierefreien Erschließung des Museums die Ausstellungshalle mit dem Vorraum der Garderobe.

Bruch bei der Deckengestaltung

Ein besonderes Augenmerk beim Entwurf der Garderobe verlangte der Übergang zwischen der Bestandsarchitektur von Mies und der Neuplanung von David Chipperfield Architects. Erschlossen wird die Garderobe über eine neue, wandhohe Öffnung zum Vorraum. Der Fußbodenbelag vom Foyer wird fortgeführt, so dass eine materielle Kontinuität in den Allgemeinräumen durch den Granitboden besteht. Bei der Decke ziehen sich die weißen Modulfelder bis in den Vorraum.

Der Bruch in der architektonischen Handschrift vollzieht sich erst vom Vorraum in die Garderobe selbst. Dort wird die Stahl-Kassetten-Decke des Rohbaus nicht wieder verkleidet, sondern nach der Betonsanierung sichtbar gelassen. Von den Wänden und der Stütze wurde die weiße Farbe vom Beton entfernt. Der graue Farbton der Decke, der Wände und des Fußbodens wird kontrastiert mit dem warmen Holzton der Brauneiche, aus der die neuen Möbel wie die Schließfächer, der Tresenunterbau und die etwas über zwei Meter hohen Wandflächen für die Garderobe gefertigt werden. Aus Brauneiche bestehen schon die bauzeitlichen Garderoben in der oberen Ausstellungshalle oder andere Ausstattungsgegenstände nach Entwürfe von Mies wie die Schränke im Grafischen Kabinett. David Chipperfields sensible Grundhaltung zur Gestaltung der Garderobe orientiert sich materiell sehr nahe am Bestand. Doch gleichzeitig bleibt der Raum bei aller materiellen Kontinuität insbesondere durch den Bruch bei der Deckengestaltung als Neuschaffung erkennbar, denn Mies van der Rohe hätte in öffentlichen Bereichen nicht mit Sichtbetonflächen gearbeitet.

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