Die weißen Marmorporträts der Antike, lassen die eigentliche Diversität der Antike kaum erahnen. Doch ein Porträt im Alten Museum erlaubt uns, Diversität in der heutigen sowie der antiken Welt zu untersuchen – schreibt die Archäologin und Gründerin von museums.love, Stephanie Pearson.
Auf
den ersten Blick scheinen altrömische Porträts etwas farblos zu sein.
Weißer Marmor war das bevorzugte Material vieler Skulpturen, vor allem
derjenigen, die noch heute erhalten sind, denn Bronzestatuen überlebten
nur selten bis zum heutigen Tag. Im Museum ausgestellte Marmorköpfe
mögen den Eindruck vermitteln, die dargestellten Menschen dahinter seien
selber so blass gewesen. Allerdings waren diese Porträts ursprünglich
bemalt, wie bei näherer Betrachtung manchmal festzustellen ist. Die
Farbigkeit der Originale ließ einst eine Diversität der Marmorporträts
erkennen, die heute mit dem bloßen Auge nicht mehr zu sehen ist. In der
Tat war die altrömische Bevölkerung noch viel diverser als oft
angenommen. Im 21. Jahrhundert wird das überholte, monotone Bild der
Antike durch Forschung und Lehre aktiv korrigiert, aber es bleibt noch
viel zu tun.
Römische Porträts ausgestellt im Alten Museum, Berlin. Foto: Stephanie Pearson
Museen
können dabei helfen, indem sie die Diversität in ihren Sammlungen
sichtbar machen. Ein Porträt aus dem Alten Museum bietet ein gutes
Beispiel dafür. Die kraftvolle Darstellung ist etwas über lebensgroß, im
üblichen weißen Marmor gearbeitet. Der an mehreren Stellen bräunlich
verfärbte Marmor lässt von seinen ursprünglichen Farben nichts mehr
erkennen (obwohl diese durch spektroskopische Analyse möglicherweise
identifiziert werden könnte). Einige Forscher glauben, dass dieses bei
Loukou in Griechenland gefundene Porträt zur Villa des Herodes Atticus
gehörte. Der mächtige Römer Herodes hatte drei Adoptivsöhne, das Porträt
könnte einen von ihnen namens Memnon darstellen. Memnon wird in den
Schriftquellen als „Äthiopier“ bezeichnet, weshalb Forscher im frühen
20. Jahrhundert den Mann mit dem Porträt in Verbindung brachten, das
angeblich afrikanische Gesichtszüge aufweist.
Römisches Porträt aus Loukou, Griechenland, traditionell als “Memnon” identifiziert. Foto: Stephanie Pearson
Allerdings
bleibt die Identität des Dargestellten, sowie jegliche mögliche
Verbindung zu Afrika, unklar. Vielmehr verweist diese Theorie auf die
damalige Forschungsrichtung, als Gesichtstypologien entwickelt und in
Kategorien von „Rasse“ gruppiert wurden. Die Fehler und katastrophalen
Konsequenzen dieser Methoden wurden 2018 in einer Ausstellung im Dresdner Hygiene-Museum behandelt. Dass Forscher*innen das Porträt aus Loukou mit einer
historischen Person in Verbindung bringen wollen ist verständlich, doch
nur anhand subjektiv wahrgenommener Gesichtszüge ist das kaum möglich.
Vielmehr zeigt ein solcher Versuch, wie klein die Anzahl römischer
Porträts von Personen ist, die heute für afrikanisch gehalten werden.
Ebenso wie schriftliche Beweise afrikanischer Individuen, die als solche
mit Namen identifiziert sind, sind sie äußerst selten.
Diese
Seltenheit spiegelt jedoch eher die Mängel unserer modernen Kategorien
wieder, als eine tatsächliche Realität der Menschen im Römischen Reich.
Rom hatte Teile des afrikanischen Kontinentes annektiert – die Anzahl
afrikanischer Römer ging also in die Millionen. Der Kaiser Septimius
Severus stammte aus der römischen Provinz Africa Proconsularis, dem
heutigen Libyen. Das in Temperafarbe auf Holz gemalte Porträt des
Kaisers, heute im Alten Museum, lässt etwas von den einstigen Farben der
nun farblosen Marmorporträts vermuten.
Gemälde in Temperafarbe vom römischen Kaiser Septimius Severus und seiner Familie. Foto: Stephanie Pearson
Schließlich
wirft das atemberaubende, traditionell als „Memnon“ bezeichnete Porträt
viel mehr Fragen auf, als wir derzeit beantworten können. Das ist
tatsächlich der beste Antrieb, unsere Forschung und Lehre nun stark in
diese Richtung zu lenken. Nur auf diese Weise können wir unsere eigenen
Methoden und Voreingenommenheit entlarven, sowie mehr über die Wirkungen
der Diversität in verschiedenen Gesellschaften und Zeiten lernen.
Unsere Gesellschaft kann durch die aktive, systematische
Auseinandersetzung mit diesen Themen immens gewinnen – vor allem mit
Museen als Begegnungsorte und Partner.
Stephanie Pearson ist Gründerin der Plattform museums.love und macht aktuell eine Videoreihe zu Diversität in antiker Kunst und modernen Museen.
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