Schwebetanz eines Schwergewichts: Das erste Südsee-Boot auf dem Weg ins Humboldt Forum
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Nach jahrelangen Umzugsvorbereitungen im Ethnologischen Museum konnte Anfang der Woche das erste Südseeboot seine Reise nach Berlin-Mitte antreten. Die Überlänge der gigantischen Holzkiste mit dem Rumpf des Luf-Bootes aus Papua-Neuguinea machte den Transport zu einer logistischen Meisterleistung.
Text: Karolin Korthase
Es ist 19 Uhr. Ein Blick in den wolkenlosen Himmel zeigt: Auch die letzte Unwägbarkeit, die diesen Umzug in letzter Minute hätte platzen lassen können, ist dank höherer Wettergewalt beseitigt. Ein erstaunlich hochsommerlicher Frühlingstag mit Temperaturen um die 30 Grad neigt sich hier auf dem Parkplatz neben dem Ethnologischen Museum in Dahlem dem Ende zu. Es ist zwar schwül, aber dennoch trocken genug, um das berühmte Luf-Boot – das letzte seiner Art von der Insel Luf im Pazifischen Ozean (heute Papua Neuguinea) – sicher ins Humboldt Forum nach Berlin-Mitte zu bringen. Regen- oder gar Hagelschauer sind das Worst Case Scenario für das Team, das in den Umzug involviert ist. „Bei Regen wird nicht gefahren. Da gibt es gar keine Toleranz“, sagt Herr Kliemann, Projektleiter des Kunstspediteur-Unternehmens Hasenkamp. Zu gefährlich wäre die hohe Luftfeuchtigkeit für das empfindliche Pflanzenmaterial, aus dem das Luf-Boot vor gut 120 Jahren gefertigt wurde.
Das erste Sonnenlicht seit über 50 Jahren Als es um 20:34 Uhr heißt, dass in einer Minute die Tore aufgehen, kehrt plötzlich Ruhe ein auf dem Parkplatz, der direkt an die ehemaligen Präsentationsräume des Museums angrenzt. Die rund 40 Anwesenden, zumeist Museums- und Logistikarbeiter, Presseleute und einige Anwohner, positionieren sich für die beste Sicht so weit wie möglich vorne. Fünf Hasenkamp-Mitarbeiter stehen im Spalier vor der Ausbringöffnung, die extra für den Umzug der Großobjekte in die Außenmauer des Museums geschlagen wurde. Würde hier noch ein roter Teppich ausgerollt werden, könnte man denken, dass gleich eine Diva grazil aus den Tiefen des Baus emporsteigt.
Als sich die Türen dann endlich öffen und den Blick freigeben auf die Vorderseite der Holzkiste, ist der Eindruck zunächst unspektakulär. Erst als die Kiste Stück für Stück und äußerst behutsam ins Freie geschoben wird, offenbaren sich die beeindruckenden Dimensionen des Ausstellungsstückes, das hier abtransportiert werden soll. Gute 16 Meter Länge misst der Rumpf des Luf-Bootes, der, sorgsam in einer Holzhülle verpackt, das erste Mal seit fünfzig Jahren im Tageslicht steht. Mit rund vier Tonnen ist der Rumpf zwar kein wirkliches Schwergewicht – als Schwertransport gilt er aber aufgrund der Verpackungsmaße trotzdem. Mit Hilfe eines Krans wird die Kiste über die Bäume, die den Parkplatz säumen, hinweggehievt. Eine punktgenaue Zentimeterarbeit ist das, die nicht nur der Kranführer leistet, sondern auch zwei Mitarbeiter, die die schwebende Kiste mit Hilfe von Seilen in der richtigen Spur halten. Schlussendlich kann dann das erste von vielen weiteren Großobjekten, die in den nächsten Wochen noch folgen werden, behutsam auf der Ladefläche des Tiefladers abgesetzt werden.
In die Freude über den gelungenen ersten Abschnitt des Umzugsvorhabens, das sich noch bis tief in die Nacht hinein ziehen wird, mischen sich in diesem Moment allerdings auch wehmütige Stimmen. Ein Anwohner, der gegenüber dem Ethnologischen Museum wohnt, erzählt: „Immer wenn wir mal Zeit hatten, sind wir hier rübergekommen. Ein Teil unseres Lebens bricht jetzt weg.“ Der 74-Jährige unterstreicht außerdem die Bedeutung des Museums für Dahlem: „Die Leute hier in der Nachbarschaft sehen den Umzug natürlich mit vollkommen anderen Augen als die Leute in der Mitte der Stadt, für die es eine weitere Attraktion ist. Für uns ist es eine Verarmung.“ Ein Trost mag für sie sein, dass das Museum Europäischer Kulturen weiterhin in Dahlem verbleibt und dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) den Standort in nach dem Auszug der außereuropäischen Sammlungen in einen großen Forschungscampus umwandeln will.
Mit 30 Km/h durch Berlin Ein anderer Zuschauer zeigt sich beeindruckt von dem Können der Bootsbauer, die das Luf-Boot um 1900 mit einfachsten Mitteln und komplett ohne Nägel zimmerten: “Was mich am meisten fasziniert ist, was die Jungs früher schon druff hatten – so‘neTeile zu bauen“. Andere Schaulustige sind weniger an den Booten, sondern mehr an der Logistik interessiert. Ein älteres Ehepaar ist extra aus Spandau angereist, um beim Verladen der Kiste dabei zu sein. „Wir interessieren uns für Schwertransporte“, erzählen der 76-Jährige und die 80-Jährige. Sie hatten im März in einem rbb-Bericht von dem anstehenden Transfer der Großobjekte ins Humboldt Forum erfahren und sich hartnäckig per Telefon durchgefragt, um den genauen Termin für den ersten Nachtumzug herauszubekommen.
Zuletzt bewegt wurde das Luf-Boot 1966. Damals wurde es in die Dauerausstellung des Ethnologischen Museums aufgenommen. Belinda Blum von der Stabsstelle Bauplanung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erzählt: „Alleine von den konservatorischen Anforderungen her kann man sich nicht mehr auf die alten Zeiten berufen. Vor 50 Jahren ist man damit, um es mal salopp zu sagen, sehr relaxt umgegangen. Es gibt Fotos, auf denen man sieht, wie der Rumpf eines Bootes vollkommen nackt reingezogen wurde. Aus heutiger Sicht unvorstellbar! Man wusste es damals einfach nicht besser“.
Um 22 Uhr zerstreut sich die Menschenansammlung auf dem Parkplatz des Ethnologischen Museums schlagartig, als der Tieflader Fahrt in Richtung Mitte aufnimmt. Erst für diese Uhrzeit wurde der Transport aufgrund der Überlänge genehmigt. Ein Konvoi mit sieben weiteren Fahrzeugen begleitet den LKW, der auf dem Großteil der Strecke mit 30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit unterwegs ist. Zwei Fernsehteams, ein Filmteam des documenta-Künstlers Theo Eshetu, der eine Langzeit-Dokumentation über den Umzug der Museen produziert, sowie Restauratoren und Mitarbeiter der SPK begleiten das Luf-Boot bei seiner gemächlichen Fahrt ins Humboldt Forum. Dort wird es am folgenden Morgen im Beisein von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Hermann Parzinger, dem Präsident der SPK, in den zukünftigen Ausstellungssaal im 1. Stock gehoben.
„Wir sind da, wir sind angekommen“ Das Humboldt Forum ist momentan noch weitgehend eine Baustelle. Dass die Großobjekte – neben den Südseebooten aus dem Ethnologischen Museum gehören dazu u.a. auch die Häuser aus Palau sowie die „Höhle der ringtragenden Tauben“ aus dem Museum für Asiatische Kunst – schon jetzt hier einziehen, hat vor allem mit den baulichen Bedingungen zu tun. Um die Objekte zu ihren Ausstellungsflächen bringen zu können, mussten extra zwei Öffnungen von etwa vier mal sechs Metern in der Mauer freigelassen werden. Erst wenn alle Großobjekte aus Dahlem hier angekommen sind, werden die Öffnungen zugemauert. Hans-Dieter Hegner, Bauvorstand der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, betont: „Es ist nicht trivial, unersetzliche und weltweit einmalige Kulturgüter auf einer Baustelle sicher zwischenzulagern.“
Für den Einzug des Luf-Boots ins Humboldt-Forum bedeutet das, dass alle wesentlichen baulichen Maßnahmen im Ausstellungsraum abgeschlossen sein müssen. Entscheidend sind auch hier optimale Klimabedingungen, damit das empfindliche Material keinen Schaden nimmt. Aus konservatorischer Sicht sind 21 Grad Raumtemperatur und 51 Prozent Luftfeuchtigkeit ideal. Damit diese Werte eingehalten werden können, verfügt der Ausstellungssaal der Südseeboote bisher als einziger Raum im Humboldt Forum über eine temporär eingerichtete Klimaanlage.
Um neun Uhr am Dienstag Morgen gibt Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Signal zum Aufziehen des Luf-Bootes. „Hebt an“, sagt sie und zwei Seilwinden setzen sich in Bewegung, die die Kiste innerhalb von 20 Minuten Stück für Stück in Richtung Ausstellungssaal ziehen. „Wir sind da, wir sind angekommen“, sagte Hermann Parzinger, der auch Gründungsintendant des Humboldt-Forums ist, vorab während der Pressekonferenz. Die Erleichterung darüber, dass das erste und größte Museumsobjekt termingerecht im Humboldt Forum einziehen kann, ist allen Beteiligten, sowohl auf Seite der Museen als auch auf Seite der Bauleitung, anzumerken.
Angekommen ist es, doch ausgepackt wird das Luf-Boot erst im nächsten Jahr. Erst dann, wenn die Bauarbeiten im Haus abgeschlossen sind und damit Staubfreiheit, Brandschutz und eine optimale Klimatisierung gewährleistet werden können. Die monumentale Holzkiste, die extra für den Transport des Bootsrumpfes gebaut wurde, wandert dann voraussichtlich auf den Müll. Herr Kliemann von Hasenkamp sagt hierzu: „Bei den Ausmaßen können wir die leider nicht wiederverwenden. Wir werden bestimmt nicht wieder eine sechs mal zehn Meter große Kiste brauchen. Die wird wahrscheinlich entsorgt.“
Der Umzug des Ethnologischen Museums ins Humboldt Forum geht voran. Zuletzt wurde das komplette Dach des großen Palau-Hauses abgedeckt, das… weiterlesen
Bei uns im Dorf haben sie auch schon Schwertransporte durchgeführt. Einmal ging es gar nicht weiter. Der Fahrer saß dann bei uns in der Küche und erzählte von seinem BF3. Das war das Fahrzeug, das vor dem Fenster stand, während die anderen Männer mit Taschenlampen überlegten, wie sie die Maschine um die Kurve bekommen, ohne das Haus einzureißen.
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