Baustelle Neue Nationalgalerie:

Unsichtbare Innovation – Das Beleuchtungskonzept der Neuen Nationalgalerie

Die Deckenbeleuchtung in der Ausstellungshalle mit einer Installation von Kenneth Snelson im Jahr 1977. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Reinhard Friedrich

Licht ist im Museum wichtig – sowohl für die Wirkung der Architektur als auch für die Inszenierung der Kunstwerke. Constanze von Marlin hat sich mit dem Beleuchtungskonzept für die Neue Nationalgalerie befasst, das heutigen konservatorischen, energetischen und denkmalpflegerischen Anforderungen entsprechen muss.

Text: schmedding.vonmarlin

Als der berühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe 1963 die Pläne für die Neue Nationalgalerie präsentierte, war darin auch ein Beleuchtungskonzept enthalten. In der Präsentationsmappe formulierte Mies seinen Wunsch nach Deckenleuchten, die entlang der Wände im Untergeschoss angeordnet sind. Die sogenannten Wallwasher (Wandfluter) sollten auf den Wandflächen ein homogenes Licht verbreiten. Das war dem Architekten besonders wichtig, um die Ausstellungswände nicht durch hellere und dunklere Zonen zu untergliedern.

Licht als Teil von Mies van der Rohes Architektur

Für die Grundausleuchtung der Ausstellungswände wurden bei der Erstausstattung Wallwasher parallel zur Wand bündig in die Module der Decke eingelassen. Im Ausstellungsraum selbst wurden ebenfalls bündig in die Moduldecke eingelassene Downlights vorgesehen, die zum einen der Allgemeinbeleuchtung dienten und zum anderen den Helligkeitskontrast zwischen Wänden und Raum abmilderten. Im Zuge der Baufreimachung der Neuen Nationalgalerie wurden im Keller original verpackte, bauzeitliche Richtstrahler gefunden, die, so wie es scheint, nie zur Nutzung kamen. Stattdessen wurden bereits in den Anfangsjahren nach der Eröffnung verschiedene Modelle von Punkt- und Stromschienenstrahlern zur Akzentuierung von Kunstobjekten und Gemälden eingesetzt.

Der Blick in die Turner-Ausstellung von 1972 zeigt das charakteristische Beleuchtungskonzept mit Wallwashern und Downlights in der Moduldecke. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Reinhard Friedrich

Mies van der Rohes intensive Beschäftigung mit der Wirkungsweise von Licht und der Verwendung von Licht als untrennbarem Teil der architektonischen Umgebung lag im Trend der Zeit. Seit den 1960er Jahren erschienen Publikationen zur Architekturbeleuchtung, wie das 1962 veröffentlichte Buch „Architectural Lighting Graphics“ von John Flynn, dessen Fotobeispiele und Zeichnungen die gestalterische Dimension von verschiedenen Leuchten darstellten. Darunter findet sich auch die Lösung mit Wallwashern als Primärbeleuchtung insbesondere in Museumsbauten, wie dem 1959 eröffneten Guggenheim Museum von Frank Lloyd Wright in New York. Mies van der Rohe, vertraut mit den zeitgenössischen Museumsbauten in seiner Wahlheimat Amerika, wählte für das Beleuchtungskonzept der Neuen Nationalgalerie sodann auch eine amerikanische Lösung. Außerdem hatte er bei dem 1958 fertiggestellten Seagram Building in New York mit dem bedeutendsten Lichtgestalter der damaligen Zeit, Richard Kelly, zusammengearbeitet, dessen bahnbrechende Designstrategie darin bestand, eine szenografische statt einer funktionellen Perspektive auf das Zusammenspiel von Architektur und Licht zu entwickeln.

Über 2000 Leuchten

Die Bestandsleuchten für die Ausstellungsräume der Neuen Nationalgalerie – ob in der oberen Halle oder im Sockelgeschoss – haben alle einen schwarzen, zylinderförmigen Korpus, der je nach Funktion anders ausgerüstet ist, sowie einen schwarzen Abblendkonus. Die Wandfluter für die Sammlungsräume besitzen zudem eine für damalige Zeiten innovative Glaslinse, die teilsatiniert ist, um ein weiches Auslaufen des Lichts auf der Wand am Übergang zur Decke herzustellen. Für eine ausreichende Ausleuchtung der Kunstwerke bedarf es rund 1.400 dieser Wallwasher nur im Untergeschoss. Hinzu kommen über 800 Downlights in ebenfalls schwarzen Zylindergehäusen, die nicht nur im Untergeschoss zur allgemeinen Beleuchtung beitragen, sondern auch in der Ausstellungshalle im Erdgeschoss das spezifische Deckenbild mit den jeweils vier Leuchten in den 196 Kassettenfeldern erzeugen.

In diesem Saal wurden seitens des Museums zusätzlich Punktstrahler eingesetzt. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Jürgen Müller-Schneck

Die Tageslichtbeleuchtung der Halle ist eine wesentliche Komponente der Architektur und erzeugt eine Lichtstimmung, die sich in Abhängigkeit von der Jahres- und Tageszeit kontinuierlich ändert. Für die Lichtplanung wurden die Reflexionsgrade der verschiedenen Oberflächen gemessen. Die direkte Sonneneinstrahlung, die Versorgung mit diffusem Tageslicht sowie die zu erwartenden jährlichen Belichtungszeiten wurden simuliert und analysiert. In der großen Ausstellungshalle im Erdgeschoss kann das zur Hallenmitte abnehmende Tageslicht durch die Zuschaltung von Kunstlicht bei Bedarf so ergänzt werden, dass eine relativ homogene Helligkeitsverteilung erreicht werden kann. Diese Gleichmäßigkeit wird in den Abendstunden durch die regelhafte durchgängige Beleuchtung durch die in der Decke montierten Downlights gewährleistet. Im Rahmen der Erstausstattung werden für das Ober- und Untergeschoss außerdem zusätzliche Strahler samt optischem Zubehör zur Akzentbeleuchtung angeschafft.

Umrüstung auf LED-Technik

Der Bereich der Terrasse um die Ausstellungshalle wird lediglich mit in Fassadennähe angeordneten engstrahlenden Downlights aufgehellt, um dem historischem Konzept der maximalen Transparenz der Halle gerecht zu werden und Spiegelungen auf der Glasfassade zu minimieren. Die Erhellung von Großplakaten oder Außeninstallationen erfolgt durch Downlights im auskragenden Dachbereich des Haupteingangs.

Im Rahmen der Grundinstandsetzung werden die rund 2.400 vorhandenen Einbauleuchten denkmalgerecht und schonend auf LED-Technik umgerüstet und die Leuchtenkorpusse aufgearbeitet. Das Ziel der Maßnahme ist es, das ursprüngliche Lichtbild, die bauzeitliche Lichtverteilung und die sichtbaren Originalteile der Leuchten beizubehalten, um das denkmalgeschützte Erscheinungsbild nicht zu verändern. Gleichzeitig wird durch die technologische Aufrüstung ein moderner Standard erreicht. So kann künftig zur Differenzierung der Beleuchtungssituation und abhängig von der Lichtempfindlichkeit von Kunstwerken kann über eine neue Steuerung jede einzelne Leuchte individuell in der Helligkeit angepasst werden.

Energiesparen und flexible Beleuchtung

Nach einer Messung der Leuchtentypen verschiedener Hersteller im Labor fand Ende 2018 ein Praxistest in der benachbarten Gemäldegalerie statt. Drei Wallwasher jedes Herstellers wurden in einem Musteraufbau getestet und ein Gremium aus Nutzern, Auftraggeber, Fachplanern und Sachverständigen bewertete die Leuchten aufgrund der objektiven Messwerte wie der subjektiven Wahrnehmung. Die bauzeitlich verwendeten Glühlampen sind warmtoniger als LED, die Museumsvertreter forderten aber ein etwas frischeres, zeitgemäßes Licht mit einer Farbtemperatur von 3.000 Kelvin anstatt der ursprünglichen 2.700 Kelvin. Die Anschlussstärke pro Leuchte kann durch die Modernisierung von 150 auf rund 25 Watt im Untergeschoss und von 300 Watt auf zirka 25 Watt in der Ausstellungshalle reduziert werden.

Die Bemusterung in der Gemäldegalerie. Copyright: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung/Thomas Bruns

Gleichzeitig werden durch den Einsatz von LED-Technik höhere Beleuchtungsstärken erzielt. Obwohl die Grenzwerte der Energieeinsparverordnung nur für Neubauten und nicht für die Sanierung bestehender Gebäude oder gar Museen vorgeschrieben sind, ist eine Senkung des Energieverbrauchs, zu dem auch die Beleuchtung zählt, für Klimaschutz und Betriebskosten sinnvoll. So ermöglicht das Beleuchtungskonzept für die Neue Nationalgalerie am Ende beides: eine Anpassung an eine zeitgemäße Technik und eine damit verbundene Senkung der Energiekosten. Zugleich können die historischen Lampen mit dem charakteristischen Lichtbild erhalten bleiben, das die Gesamtatmosphäre des Mies-Baus, vor allem im Untergeschoss, so stark geprägt hat.

schmedding.vonmarlin

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