Die Sammlung Fotografie erhielt den Nachlass der Künstlerin Leni Riefenstahl, außerdem eröffnete jüngst eine große Schau zu Künstlerporträts im 20. Jahrhundert. Was zwischen solchen Großprojekten und dem normalen Museumsalltag noch passiert, erzählt Ludger Derenthal, Leiter der Sammlung Fotografie im Museum für Fotografie im Interview.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ludger Derenthal: Unsere große aktuelle Ausstellung ist „Künstler Komplex. Fotografische Porträts von Baselitz bis Warhol. Sammlung Platen“. Diese habe ich zuletzt gemeinsam mit unserer Volontärin Jadwiga Kamola vorbereitet. Das ist jedes Mal sehr umfangreich: Der Leihverkehr muss organisiert werden, die Korrekturfahnen zum Katalog gelesen und letzte Bildvorlagen beschafft werden. Zuletzt diskutierten wir über die Montage der Fotografien in den Passepartouts, die Hängung der Exponate und die Wandfarben.
Was können Besucher erwarten?
Es gibt ein großes Panorama der Künstlerporträts des 20. Jahrhunderts zu entdecken: 180 fotografische Arbeiten, etwa von Berenice Abbott, Brassaï oder Henri Cartier- Bresson. Helga Fietz, Jérôme Schlomoff und andere mögen nicht so bekannt sein, doch von ihnen zeigen wir geradezu ikonische Porträts von Marina Abramović, Pablo Picasso, Salvador Dalí, Frida Kahlo, Andy Warhol und Jeff Koons. Wir wollen deutlich machen, wie sehr die Fotografie unsere Vorstellungen von bildenden Künstlerinnen und Künstlern geprägt hat, welche Muster und Strategien dabei eingesetzt wurden. Zum Teil sind ihre Kunstwerke sogar in der Ausstellung zu sehen: Sie demonstrieren exemplarisch die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bildmedien und setzen reizvolle Akzente.
Die Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek hat den Nachlass der Künstlerin Leni Riefenstahl erhalten. Wie kam es dazu und was kommt nun auf Sie und Ihr Team zu?
Wir haben den mehr als 700 Umzugskartons umfassenden Nachlass als Schenkung erhalten: Die Sekretärin von Leni Riefenstahl hat sich als Erbin dazu entschieden, weil Riefenstahl Berlinerin war und hier die wichtigsten Abschnitte ihrer Karriere erlebte. Nach der Übergabe des Nachlasses werden wir zunächst mit der Sichtung des Materials beschäftigt sein. Wir wollen eine Arbeitsgruppe zusammenstellen, die die Bestände erfasst, digitalisiert und zugänglich macht. Am Ende dieser Projektphase wird eine Ausstellung im Museum für Fotografie stehen.
Wie sieht Ihr Berufsalltag neben solch großen Projekten aus?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass unser vierköpfiges Team mit hundert Projekten und Aufgaben gleichzeitig beschäftigt ist. Nur ein paar davon aus den vergangenen Wochen: Für unsere vergangene Ausstellung „Arbeiten in Geschichte. Zeitgenössische chinesische Fotografie und die Kulturrevolution“ bereiten wir für den Hauptförderer, den Hauptstadtkulturfonds, die Abrechnung vor. Einer der beteiligten Fotografen, Zhang Kechun, hat uns fünf Arbeiten geschenkt. Zu dieser Schenkung gehört die Ausarbeitung eines entsprechenden Vertrages und die Veröffentlichung der Bildinformationen in unserer Museumsdatenbank, damit diese öffentlich recherchierbar sind. Und in der letzten Ausstellung „Sigrid Neubert. Fotografie. Architektur und Natur“ habe ich zuletzt eine Führung für den Kunstleistungskurs eines Gymnasiums aus Kreuzberg gemacht. Das war auch für mich spannend und lehrreich. Denn analoge Fotografie mag für mich eine Selbstverständlichkeit sein – für die Gymnasiasten ist sie Geschichte. Da gibt es viele Fragen und Sichtweisen, die überraschen. Neben diesen Tätigkeiten gibt es natürlich auch noch den normalen Alltag am PC und Telefon.
Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Die Vielfalt der Aufgaben von der Arbeit an Konzepten bis zur praktischen Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit. Vor allem aber: Fotografien, ihre Entstehungsgeschichten und das Glück, mit Fotografinnen und Fotografen ins Gespräch zu kommen.
Und was am wenigsten?
Zeitmangel und die Einschränkung der Kreativität durch die leider wohl nötige Bürokratie.
Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Die Eröffnung des Museums für Fotografie im Juni 2004 mit der ersten Ausstellung im damals noch kriegszerstörten Kaisersaal war eine besondere technische und logistische Herausforderung. Für Raimund Kummers große Installation „Fiji Bitter / Krummer Deutscher“ musste ein acht Meter langer Stahlträger ins Haus bugsiert werden. Als dieser dann fast wie von Zauberhand hineinschwebte, wusste ich, dass in diesem Museum fast alles möglich sein würde.
Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
In meinem Büro steht eine alte Sitzbank aus der Neuen Nationalgalerie, die nur darauf wartet, endlich einmal ausgiebig benutzt zu werden. Ich stelle mir eine geruhsame Nacht vor.
Dieses Interview erschien auch in der Museumszeitung der Staatlichen Museen zu Berlin, Ausgabe IV / 2018.
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