Was macht eigentlich ... :

Sabine Thümmler, Direktorin des Kunstgewerbemuseums

Als das Berliner Kunstgewerbemuseum vor 150 Jahren gegründet wurde, war es auch eine Geschmacksbildungsanstalt. Heute weiß Direktorin Sabine Thümmler, dass man Geschmack nicht lernen kann – aber durchaus sammeln.

Interview: Sven Stienen

Woran arbeiten Sie gerade?
Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen bereite ich das 150-jährige Jubiläum des Kunstgewerbemuseums vor. Wir werden es mit einem Reigen von Ausstellungen, Führungen und Publikationen begleiten. Den Anfang macht die Schau „Form Follows Flower. Moritz Meurer, Karl Blossfeldt & Co.“, an der ich gerade mit Kollegen von der Humboldt-Universität und der Universität der Künste arbeite.

Was können die Besucher dort erwarten?
Wir wollen die ersten Jahre des Museums in den Fokus rücken. Es war zusammen mit einer Unterrichtsanstalt und Bibliothek als großes Bildungsinstitut gegründet worden. Einer der ersten Lehrer war Moritz Meurer, der mit seiner Lehrmittelsammlung das Pflanzenstudium revolutionierte. Der heute berühmte Fotograf Karl Blossfeldt war sein Assistent. Es ist kaum bekannt, dass die Pflanzenfotografien von Blossfeldt nicht als Kunstfotografien entstanden, sondern als Elemente der Lehrmittelsammlung Moritz Meurers. Wir präsentieren die Unterrichtssammlung mit den Herbarien, Lehrtafeln, Modellen und den Fotografien. Gleichzeitig zeigen wir, dass die Beschäftigung mit der Natur gerade heute wieder sehr aktuell ist. Wir präsentieren zeichnerische und filmische Arbeiten der Studierenden der Universität der Künste, der Nachfolgeinstitution unserer Lehranstalt, sowie Beispiele zeitgenössischen Designs, das sich mit der Vegetation auseinandersetzt. Das Museum ist als Bildungsanstalt gegründet worden.

Was genau sollte den Menschen dort vermittelt werden?
Die neuen, industrialisierten Produktionsmöglichkeiten des 19. Jahrhunderts führten zu einem großen Durcheinander von Stilen. Damals wurden die abenteuerlichsten Dinge produziert: Kohlenkastenottomanen, maschinengeschnitzte gotische Lettern, dekorierte Dampfmaschinen, Blüten mit Gaslicht. Der Kampf gegen die Stilunsicherheit führte dazu, dass man den Nachwuchs – Fabrikanten, Handwerker und auch das Publikum – in Geschmacksfragen erziehen wollte. Der Blick damals ging nach Frankreich und England, großes Vorbild war das Victoria and Albert Museum in London, und man wollte vor allem Frankreich gegenüber nicht länger stilunsicher sein.

Sabine Thümmler, Direktorin des Kunstgewerbemuseums, in der Sammlung.  © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Sabine Thümmler, Direktorin des Kunstgewerbemuseums, in der Sammlung.
© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Wie sieht Ihr Berufsalltag im Kunstgewerbemuseum aus?
Ich habe in den letzten Wochen viel Zeit in der Sammlung, im Depot und am Schreibtisch verbracht, um das Konzept für die Ausstellung zu erarbeiten und die Objekte auszuwählen. Hinzu kamen viele Besprechungen mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Sammlung, Forschung, Restaurierung, aber auch mit den Ausstellungsarchitekten und Handwerkern. Aber es gibt auch die „normale“ Büroarbeit: Den Kontakt mit allen Beteiligten, Telefonate, das Beantworten von Anfragen und zuletzt natürlich das Schreiben der Katalogtexte. Besonders letzteres benötigt viel wissenschaftliche Recherche und Konzentration.

Welchen Aspekt Ihres Berufslebens mögen Sie am meisten?
Unsere Besucher, die begeistert sind von unserer Sammlung. Außerdem natürlich unsere Objekte, die mit so viel Hingabe geschaffen wurden. Und ich mag das Kreative beim Konzipieren von Ausstellungen, beim Forschen und Schreiben.

Und was mögen Sie am wenigsten?
Alles das, was mich von den oben genannten Dingen abhält.

Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Das Aufregendste war für mich der Umbau des Kunstgewerbemuseums mit dem Architektenbüro Kuehn Malvezzi. Für unsere neue Modepräsentation mussten dabei die großen Glasscheiben auf die Galerie gebracht werden. Mit einem extra für diesen Zweck gebauten kleinen Wagen wurden die schweren Scheiben in die Räume gefahren. Am schwierigsten war das Passieren der Türschwellen, denn es sah kurzzeitig so aus, als ob die Scheiben nicht durch die Türrahmen passten. Mit einem Stück Papier prüfte ein Mitarbeiter, ob noch Luft dazwischen war – mir stockte der Atem!

Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
Tanzen. Einen Walzer mit den dünnen Ballerinas aus der Zeit um 1800. Ein Tanz, von dem übrigens damals behauptet wurde, er mache krank. Diese Ballerinas waren auch die berühmten Schuhe, die in den Märchen durchgetanzt wurden. Oder ich würde das Paillettenkleid von Jeanne Lanvin anziehen und in ein Tanzlokal im Berlin der 1920er Jahre schlüpfen …

Dieser Text erschien in der Museumszeitung IV/2017 der Staatlichen Museen zu Berlin.

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