Lieblingsstücke: Die Würfelfigur des ägyptischen Baumeisters

Liebe auf den zweiten Blick verbindet Friederike Grosinksi vom Ägyptischen Museum und Papyrussammlung mit einer Würfelfigur des altägyptischen Baumeisters Senenmut. Zunächst fand sie die Figur nämlich gar nicht interessant – bis sie sich an eine Reise erinnerte …

Text und Fotos: Friederike Grosinksi

Mumien, Statuen, Töpfe, Schmuck, Spielzeug – über 1000 Objekte stehen in der Ägyptischen Abteilung im Neuen Museum jeden Morgen bereit, um von Besuchern aus aller Welt bestaunt zu werden. Über 1000 Objekte: Eine Zahl, bei der ich mir lange nicht vorstellen konnte, genau DAS eine Lieblingsobjekt zu haben. Und doch, ich habe es gefunden, auch wenn es nicht Liebe auf den ersten Blick war.

Als Freiwillige soziale Mitarbeiterin im Ägyptischen Museum und der Papyrussammlung kam ich in den letzten zehn Monaten in Kontakt mit unterschiedlichsten Objekten der Sammlung. Neben der Arbeit an Grabungstagebüchern und der Datenbank der Sammlung, sowie der Hilfe bei Bestandsaufnahmen, hatte ich zu Beginn des Jahres die Möglichkeit, eine Vitrine umzugestalten. Das Thema dieser Vitrine war „Hatschepsut“ – eine der bedeutendsten Pharaoninnen ihrer Zeit, die auch für ihre Tempelanlage „Deir el-Bahari“ bekannt ist. In diesem Zusammenhang stieß ich auf die Würfelfigur von Hatschepsuts Baumeister Senenmut mit der Prinzessin Nefrura, der Tochter von Hatschepsut.

Alte Bekannte
Zunächst sah die Statue nur wie ein viereckiger Stein mit zwei unterschiedlich großen Köpfen darauf aus. Ich entschuldige mich vorab bei allen Ägyptologen, aber wirklich interessant wirkte die Statue auf mich erst einmal nicht. Dass ich sie nun mein Lieblingsobjekt nenne, hat weder etwas mit ihrer Herstellungsart, noch mit besonderen Inschriften zu tun, sondern vielmehr mit unserer persönlichen Geschichte. Mir fiel nämlich auf, dass ich dem Herrn Senenmut schon einmal begegnet war.

Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi
Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura im Neuen Museum. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi

Während meiner Abiturzeit konnte ich an einer Kursfahrt nach Luxor teilnehmen. Dort besuchten wir den Tempel der Hatschepsut: Deir el-Bahari. Ein unglaublich schönes und beindruckendes Gebäude. Als ich nun, fast zwei Jahre später, an der Gestaltung der Vitrinen mit Originalobjekten aus Deir el-Bahari arbeitete, realisierte ich, dass ich diesen Tempel tatsächlich schon einmal mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich recherchierte viel über die Königin Hatschepsut und ihren Baumeister Senenmut. Sie müssen ein sehr enges Verhältnis gehabt haben, obwohl er eines Tages einfach aus den Erzählungen verschwindet.

Geborgenheit und Schutz vor 3000 Jahren
Was passiert ist? Das konnte ich nicht herausfinden. Es ist aber sicher, dass Senemut für Hatschepsut den Tempel Deir el-Bahari entwarf und bauen ließ. Vielleicht war er stolz auf sein Werk oder er wollte sich einfach nur verewigen, auf jeden Fall ließ er sich selbst über 50 Mal in Inschriften und Zeichnungen im Tempel abbilden. Auch zu Hatschepsuts Tochter Nefrura muss er ein sehr enges Verhältnis gehabt haben, denn er war nicht nur Baumeister sondern auch königlicher Erzieher. Und die Würfelfigur zeigt genau diese beiden Personen zusammen: Senenmut und Nefrura.

Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi
Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi

Es ist nicht genau zu erkennen, wie Senenmut sitzt, aber ich habe mir immer vorgestellt, dass er seine Beine angewinkelt hat und Nefrura dazwischen sitzt. Die Art, wie er seinen Mantel über seine Knie spannt, erinnerte mich daran, wie ich es früher manchmal mit zu großen T-Shirts gemacht habe. Vielleicht ist mir dieses Bildnis dadurch so sympathisch geworden. Gleichzeitig strahlt es Geborgenheit und Schutz aus: das Kind das in dem Schoß des Erwachsenen sitzt. Obwohl die Statue vor mehr als 3000 Jahren entstand, zeigt es die gleiche Art an Zuneigung und Liebe, die wir auch heute noch verstehen.

Innige Beziehung
Auf der anderen Seite wirken beide Personen auch durch ihre Mimik und die Augen sehr vertraut. Senenmut wirkt ernst und stark, während sich Nefrura ihrer besonderen Position im Schutz eines Erwachsenen durchaus bewusst zu sein scheint. Auch wenn ich die genaue Bedeutung der Würfelfigur nicht kenne, ist die innige Beziehung beider Personen gut erkennbar. Vielleicht auch durch die schützenden Arme Senenmuts vor Nefrura.

Ich muss zugeben, dass ich diese Statue zunächst nicht besonders schön fand. Sie ist nicht reich verziert oder vergoldet und hat auf den ersten Blick nichts Spektakuläres an sich. Doch habe ich sie durch meine Recherche zu den Personen, durch deren Ruhe und Geborgenheit und durch die Tatsache, dass ich Senenmuts wichtigstes Bauwerk schon einmal sehen durfte, sehr lieb gewonnen.

Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi
Würfelfigur des Baumeisters Senenmut mit der Prinzessin Nefrura. © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Friederike Grosinksi

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