Antike Dame mit Stil

Christina Hanus, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ägyptischen Museum und Papyrussammlung, hat täglich mit zahlreichen wunderschönen Objekten aus der Vergangenheit zu tun. Das 2000 Jahre alte Mumienporträt einer stilsicheren Dame mit einem kleinen Mond-Anhänger hat es ihr aber besonders angetan.
Nachdem ich jetzt schon einige Jahre für das Ägyptische Museum und Papyrussammlung der SMB tätig bin, weiß ich eines ganz genau: So etwas wie das eine Lieblingsstück kann es überhaupt nicht geben!
Natürlich wachsen einem einige Stücke aus dem reichen Schatz der Objekte des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung ganz besonders ans Herz. Doch oft treten gerade die Objekte, die lange am Rande des eigenen Sichtfeldes existierten, mit einem Mal ins Scheinwerferlicht und werden einem ganz besonders lieb. So geschehen bei dem Mumienporträt einer jungen Frau mit goldenem kleinem Mond-Anhänger. Das Objekt wechselte im Zuge der Gemeinschaftsausstellung „EIN GOTT – Abrahams Erben am Nil“ seinen Standort vom Ägyptischen Museum ins Bode-Museum.

Das hölzerne Mumienporträt einer Dame stammt aus Hawara in Ägypten und datiert in das Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.. Faszinierend und lebendig machen dieses Objekt nicht allein die wunderbare Ausführung mit Wachsfarbe, das dunkle lockige Haar der Frau, frisiert im Stil der Zeit um 70 n. Chr., ihre weichen Gesichtszüge oder die unterschiedlichen Schichten ihrer Gewänder. Es sind vor allem die aufwändig gearbeiteten Accessoires, die das Mumienporträt derartig bezaubernd hervortreten lassen. Die Dargestellte trägt in Stuck plastisch modellierte und vergoldete Ohrringe mit einer kleinen Kugel und einer daran herabhängenden größeren Scheibe, dazu ein schmales textiles Halsband, an dem eine Lunula oder „kleiner Mond“ befestigt ist. Die so genannten Lunulae sind von altägyptischen Vorbildern abgeleitete Symbole, die Mutter und Kind schützen und Unheil abwehren sollten. Vergoldet ist auch der netzartige Saum des unteren Gewandes. Frisur, Kleidung und Schmuck sind in höchster Qualität wiedergegeben und zeugen vom Wohlstand und dem Modebewusstsein der jungen Dame.

Porträts wie dieses wurden in römischer Zeit vermögenden Verstorbenen mit ins Grab gegeben. Entsprechend den vorherrschenden Bestattungsriten wurden sie in die Wickelung des Leichnams mit einbezogen und verliehen dem Toten dauerhaft persönliche Züge. Zeitlich gingen diesem Brauch jedoch jahrhundertelange Entwicklungen der Begräbnisrituale in Ägypten voraus. Der Wunsch, den Körper des Verstorbenen für ein Leben nach dem Tode zu erhalten, geht auf die Zeit der Pharaonen zurück und wurde später von Griechen und Römern, die in Ägypten beigesetzt wurden, fortgeführt. Allerdings verzichtete man zunehmend auf eine Mumifizierung mit der Entfernung des Gehirns und der inneren Organe. Stattdessen wurden die Körper mit einem Leichentuch umhüllt und kunstvoll bandagiert. In ptolemäischer Zeit setzten sich Masken aus Stuck oder Kartonage durch, die den Kopf und den Oberkörper des Verstorbenen bedeckten. Mitunter zeigen diese Masken individuelle Züge und spiegeln zudem den zu der jeweiligen Zeit vorherrschenden Geschmack hinsichtlich Mode und Haartracht wider. Die Tradition, auf Holz gemalte Mumienporträts zu verwenden, lässt sich sogar bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. nachweisen, bis sie von christlichen Bestattungsriten abgelöst wurde.
Für alle, die die junge Dame mit der Lunula noch einmal persönlich besuchen wollen, sind die Pforten unserer Sonderausstellung „EIN GOTT – Abrahams Erben am Nil“ noch bis zum 13. September geöffnet.

© Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
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