Grabungsalltag in Rumänien

Unsere Wissenschaftler managen nicht nur den Museumsbetrieb – viele forschen auch aktiv. So wie unser Kollege Bernhard Heeb, der als Archäologe regelmäßig zu Grabungskampagnen im Ausland fährt. Ein Einblick in den Alltag vor Ort.
Es regnet seit Tagen Bindfäden und es ist kalt. An ein Hinausfahren an den Grabungsschnitt ist nicht zu denken, das Dach des Grabungshauses ist undicht und die Solardusche im Freien funktioniert eben nicht ohne Sonne. Diese Umstände zusammen genommen, können einem die Freude am Ausgraben und Entdecken durchaus vermiesen – dann stellt sich bei einem 30-köpfigen Team, weitab jeglicher Ablenkung, schon mal ein kleiner Lagerkoller ein.
Zum Glück jedoch ist in südlichen Gefilden schlechtes Wetter – zumindest im Sommer – die Ausnahme. Im westlichen Rumänien, wo das Museum für Vor- und Frühgeschichte seit 2009 zusammen mit der Goethe-Universität Frankfurt a. M. und dem Muzeul Banatului Timişoara die spätbronzezeitliche Riesensiedlung Corneşti-Iarcuri im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes untersucht, kann das Thermometer durchaus auf 40°C und mehr klettern. Auch das ist nach neun Stunden Arbeit in der prallen Sonne anstrengend, schlägt aber nicht so aufs Gemüt wie tagelanger Dauerregen.
Funde sorgen für Staunen und Freude
Aufgrund der Hitze geht die Arbeit sehr früh los: Um 5 Uhr früh surren die Handys und läuten die Wecker, so dass sich um ca. 5:15 Uhr alle Mitarbeiter mehr oder weniger schläfrig vor der Kaffeemaschine einfinden, um wortlos an der Tasse zu nippen. Appetit auf Frühstück hat so früh noch keiner! Um 5:30 Uhr sitzen alle im Auto, das hinaus zum Grabungsschnitt fährt, der ca. 3 km außerhalb des Dorfes liegt. Um 6:00 Uhr geht die Arbeit los, gerade als die Sonne als riesiger roter Ball am Horizont aufgeht. Spätestens jetzt ist die Müdigkeit verflogen und ein Gefühl der Vorfreude auf den Grabungstag stellt sich ein.
Es ist jeden Tag aufs Neue eine spannende Frage, was heute gefunden werden kann. In der vergangenen Grabungskampagne im August und September 2015 gab es tolle Funde, die die Teilnehmer immer wieder in Erstaunen und teilweise in helle Freude versetzt haben: Neben zahlreichen schönen Keramikgefäßen waren es Zaumzeug aus Knochen, Idole in Menschen- und Tiergestalt, Pfeilspitzen aus Bronze, Haus- und Wandverzierungselemente und vieles, vieles mehr.

Ausgraben ist auch Kopfarbeit
Es ist aber auch ein Spiel mit der Geduld, denn nicht immer gibt der Boden einfach das frei, wonach man sucht. Manchmal sind die Befunde je nach Boden schlecht zu erkennen oder kompliziert zu graben, oder die Funde sind so schlecht erhalten, dass es viel Fingerspitzengefühl und Zeit braucht, um sie heil zu bergen. Das Ausgraben ist eben nicht nur Handarbeit mit Schaufel, Kelle und Pinsel, sondern mindestens genau so viel Kopf- und Geduldsarbeit. Dem Archäologen geht es nur vordergründig darum, etwas zu finden. Vielmehr möchte er verstehen, was er da findet.
Wenn man am Abend wieder im Dorf ist, sich die Hitze und den Staub abgewaschen hat und die Temperatur auf unter 30°C gefallen ist, dann arbeitet man zwar noch ein wenig an der Dokumentation im Grabungsbüro. Hauptsächlich jedoch setzt man sich zusammen bei einem kalten Bier und lässt den Tag Revue passieren. Und einmal im Jahr gibt es im Dorf ein großes Fest: die Ruga (=Kirchweih). Dazu sind die deutschen und rumänischen Archäologen immer herzlich eingeladen. Es wird gegessen, getanzt und (viel) getrunken, bis weit in den Morgen hinein. Danach klingelt der Wecker meist ein bisschen später …

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