Dawid Tomaszewski: Die tägliche Leidenschaft für Kleidung
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Haute Couture aus Berlin im Kunstgewerbemuseum: Unsere Autorin Irene Bazinger besuchte Modemacher Dawid Tomaszewski vor Eröffnung der ihm gewidmeten Ausstellung „Excess in Elegance. Dawid Tomaszewski: A Decade and a Half.”
Text: Irene Bazinger
Jetzt mal ehrlich: Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einem sehr gut zubereiteten Essen und einem sehr gut geschnittenen Hemd und Geld spielte keine Rolle, weil sie eh keines haben, wofür würden Sie sich entscheiden? „Ich würde mich selbst mit meinem letzten Euro immer für das Hemd entscheiden!“, ruft Dawid Tomaszewski und macht damit seinem Beruf alle Ehre. Besser gesagt: Seiner Berufung! Denn er ist Modeschöpfer durch und durch und er übertreibt nicht, wenn er betont: „Ich habe in jedem Tropfen Blut die Liebe zur Kleidung! Wenn ich ein perfektes Kleidungsstück sehe, kriege ich Gänsehaut.“
Dass es einen wie ihn nach Berlin verschlagen hat, wo die Menschen nach landläufiger Meinung nicht unbedingt schön angezogen sind, hat mit der Atmosphäre in der Stadt zu tun: „Berlin war, egal, was die Leute trugen, zu allen Zeiten modeaffin und ist bis heute das kreative Herz Deutschlands. Hier habe ich mich und meinen Stil entdeckt, hier habe ich meine Marke entwickeln können. Ich fühle mich als Berliner.“
Geboren wurde Dawid Tomaszewski 1979 in Danzig in Polen. Nach seiner Ausbildung am Londoner College of Fashion und bei Vivienne Westwood an der Universität der Künste und nach Stationen bei Sonia Rykiel in Paris und Comme des Garçons in Tokio, wo er Designassistent von Rei Kawakubo war, blieb er an der Spree. Genau genommen in Charlottenburg, wo er bis heute wohnt und wo er 2009 sein eigenes Label gegründet hat. Er ist Frühaufsteher und wenn er mit seinem Hund eine morgendliche Runde um den Lietzensee gedreht hat, stürzt er sich auf sein Tagewerk – nicht nur aufs Entwerfen, Zeichnen, Stoffe auswählen, Materialien prüfen, Muster kontrollieren, sondern auch auf die unternehmerischen Belange. Voller Leidenschaft will er eben alles in seiner Hand behalten und sich bei sämtlichen Bereichen seines Berufs nach seinen hohen Qualitätsstandards richten. Deswegen hat er natürlich viel zu tun, weshalb ihm ein Ausdruck wie Work-Life-Balance gar nichts bedeutet: „Ich arbeite eigentlich nicht, ich lebe mein Leben.“
Das spürt man gleich in seinem Atelier, wo die empathische Belegschaft an Nähmaschinen und Schreibtischen die facettenreichen Einfälle Tomaszewskis umsetzt, Falten bügelt oder Pailletten auf eine Hose näht. Über die wagemutige Energie freut er sich: „Das ist unser Teamspirit. Hier wird in jedem Raum experimentiert!“
Eine Ausstellung mit Verbindung zur frühen Modestadt Berlin
Dawid Tomaszewski, der uns in das Atelier eingeladen hat, geht aufmerksam von Kleiderständer zu Warenlieferung, betrachtet ein gehäkeltes Oberteil da, prüft einen Mantel mit Teppichprint dort – nicht zufrieden, sondern kritisch und wach: „Ich stelle immer alles in Frage, ich möchte jeden Morgen alles neu erfinden. Wenn etwas fertig geworden ist, interessiert es mich nicht mehr, dann ist es für die anderen Menschen da und ich kümmere mich nicht mehr darum.“
Zum Glück allerdings hat Dawid Tomaszewski sein Oeuvre gut dokumentiert, hat Skizzen, Entwürfe, Accessoires, Zeichnungen, Fotografien, Kleidungsstücke aufbewahrt. Davon profitiert nun das Kunstgewerbemuseum am Kulturforum, wo die von Katrin Lindemann kuratierte Ausstellung „Excess in Elegance. Dawid Tomaszewski: A Decade and a Half“ präsentiert wird. Mit ihr versucht man, einen Bogen zwischen der historischen Modestadt Berlin, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 brutal ausgelöscht wurde und bis heute aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist, und der jetzigen Modemetropole zu schlagen. Dazu Gesa Kessemeier, Expertin für die vergessene Modegeschichte Berlins vor 1945, die seit Oktober 2022 das Projekt „Die Kunstgeschichte(n) des Tiergartenviertels“ in der ebenfalls am Kulturforum ansässigen Kunstbibliothek betreut: „In den 1910er bis 1930er Jahren war das Berliner Tiergartenviertel einer der places to be für deutsche Modeschöpfer*innen. Über zwölf Couture-Salons gab es allein in der Lenné-, der Bellevue- und der Tiergartenstraße. Mit der Modejournalistin Julie Elias, die regelmäßig die aktuellen Kollektionen besprach und über die Haute-Couture-Schauen im nahegelegenen Hotel Esplanade berichtete, lebte eine der wichtigsten Stimmen der Mode genau dort, wo sich heute die Piazzetta des Kulturforums befindet. All dies gilt es wiederzuentdecken!“
Das Problem dabei: Da diese Designer*innen völlig in Vergessenheit geraten waren, spürte man seitens der Museen ihren Werken nicht nach. „Was man nicht kannte, wurde nicht gesammelt – und nicht erinnert!“, so Kessemeier, die hofft, dass sich dies ändern wird – denn detektivische historische Recherchen in den Beständen der Kunstbibliothek und europäischen Archiven zeigen ein faszinierendes Bild kunstvoller Mode aus dem Berlin der Vorkriegszeit.
Inspiration und Emotion und bunt verrückte Kombination
Insofern fügte es sich ausgezeichnet, dass man am Kunstgewerbemuseum mit Dawid Tomaszewski ins Gespräch kamund er eine umfangreiche Schenkung mit Entwürfen aus den letzten 15 Jahren anbot. Seine Geschichte ist eben auch eine Designgeschichte made in Berlin. „Als mich Katrin Lindemann anrief und mir sagte, dass es klappt und dass ich ins Museum komme, musste ich erst einmal eine Runde um den Block laufen, so aufgeregt war ich!“ Die Ausstellung „Excess in Elegance“ vollzieht die kreative Entwicklung Tomaszewskis in den letzten eineinhalb Dekaden nach. „Man wird auf jeden Fall die wechselnden Phasen seiner Gestaltungsweise erkennen“, verrät Katrin Lindemann: „Am Anfang hat er viel Chiffon verwendet und flächige Stickereien eingesetzt. Derlei findet sich auch heute mitunter in seinen Kollektionen, aber man kann zum Beispiel den Weg von der reduzierten zur ausgeprägten Farbigkeit verfolgen.“ Tomaszewski nickt bestätigend: „Früher hatte ich Angst vor Farben und habe vorwiegend in Schwarzweiß entworfen. Jetzt kann ich mir meine Arbeit ohne Farbe nicht mehr vorstellen. Man braucht einfach Mut zur Farbe, und den hatte ich als junger Mann nicht. Inzwischen traue ich mir verrückte Kombinationen zu, das ist für mich selbstverständlich geworden.“ Besonders angetan ist er von orange, blau und pink: „Ich lebe inzwischen zum Teil in Portugal und da inspirieren mich diese wunderbaren bemalten Fliesen, die Azulejos. Ein Traum!“
Auch die bildenden Künste motivieren Dawid Tomaschewski, der seinen Stil gern als „opulenten Minimalismus“ bezeichnet. Wenn er zu einem Meeting vielleicht nach London fliegt, reserviert er sich stets ein paar Stunden drumherum für den Besuch in den örtlichen Museen und Galerien. Er saugt neugierig auf, was um ihn herum passiert, er schaut genau hin und artikuliert dann auf seine Art, was ihn bewegt. „Bei mir entspringt alles meinen Emotionen“, erläutert er, und wenn man seine kunstvoll geschnittenen und farbig ausgetüftelten Kleider mit den oft verrückten wie anmutigen Mustern betrachtet, versteht sich das von selbst. Tomaszewski entwirft Haute Couture („Da geht es nicht um Komfort, da geht es um die Idee dahinter“) wie Prêt-à-porter-Mode, etwa für den Teleshoppingkanal QVC: „Man merkt da, dass die Teile aus der Haute Couture stammen, aber sie sind zugänglicher, tragbarer und bezahlbar.“
Der Glamour basiert auf viel Arbeit, Kondition und Schweiß
Natürlich beherzigt Dawid Tomaszewski die Ansprüche an seine Mode für sich persönlich: „Ich zelebriere meine Kleidung jeden Tag. Das hat mich meine Mutter gelehrt. Bevor ich das Haus verlasse, stelle ich mich vor den Spiegel und frage mich, wie sehe ich heute aus? Was will ich mit meiner Kleidung heute nach außen transportieren?“ Und wie hält er es mit dem Bequemlook und dem Karl Lagerfeld zugeschriebenen Satz: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“? Zum einen, lächelt Tomaszewski, dass man Lagerfeld nicht so ernst nehmen solle, das habe der selbst nämlich nicht getan. Zum anderen sind die von ihm entworfenen Hosen zwar sehr bequem – und dennoch edel: „Manche sind von Jogginghosen inspiriert und haben einen Gummibund, sind jedoch aus Seide oder aus kostbarem Kaschmir oder aus Jacquard. Ich trage manchmal eine Jogginghose, dazu als Kontrast freilich ein feines, weißes Hemd und tolle Loafers. So wird ein Look daraus.“
Wie viel Arbeit für all diese Dinge – bei aller Liebe zum Metier – aufgewendet werden muss, wie fordernd der Schaffensprozess in der Modebranche ist, auch davon wird „Excess in Elegance“ erzählen. Katrin Lindemann sagt über ihr Konzept: „Wir wollen in der Ausstellung unter anderem vermitteln, wie ein High-End-Kleidungsstück entsteht und welche Techniken in der Haute Couture genutzt werden – im allgemeinen und im speziellen von Dawid Tomaszewski. Wie werden Prints angefertigt, welche Materialien werden verwendet, wie bilden sich Trendwenden und Innovationen heraus? Es wird nicht bloß um Erfolg und Glamour gehen, sondern ebenso um Kondition, Durchhaltevermögen und Schweiß.“ Dawid Tomaszewski weiß, wie hart der Markt und wie schwer ein Platz an der Sonne zu erringen ist – und zeigt trotzdem keine Ermüdungserscheinungen, im Gegenteil: „Der Tag hat leider nur 24 Stunden!“ Die aber sind, wenigstens in seinem Einflussgebiet, ganz besonders schön gestaltet.
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