Kunstgewerbemuseum:

Modemacher William Fan: „Spagat ­zwischen zeitlos und Zeitgeist“

© William Fan
© William Fan

Anlässlich der Wiedereröffnung des Kunstgewerbemuseums gibt es eine Neuerung in der dortigen Modegalerie. Den Abschluss des Rundgangs bildet nun ein Ensemble des Berliner Modedesigners William Fan: eine Kombination aus extravagantem Top und Rock mit passenden Schuhen aus der Frühjahr- / Sommer-Kollektion 2020.

Das Label WILLIAM FAN wurde 2015 gegründet und steht für eine zeitlose- und universelle Designsprache. Der Gründer und Designer William Fan ist in Deutschland aufgewachsen und fügt europäische- und chinesische Einflüsse in seiner Arbeit zusammen, wodurch eine besondere Verbindung beider Kulturen entsteht. Im Interview spricht Fan mit der Modekuratorin Katrin Lindemann über seine Inspiration, die Auswirkungen des Lockdowns und über seine Schenkung an das Kunstgewerbemuseum.

Interview: Katrin Lindemann

Du hast deine F/S-Kollektion 2020 im Kunstgewerbemuseum gezeigt und uns danach eines deiner Outfits gestiftet, das nun in der Modegalerie zu sehen ist. Wie kam es zu der Kooperation und was hat dich gereizt, für deine Fashionshow ins Kunstgewerbemuseum zu gehen?
William Fan (WF): Das Kunstgewerbemuseum habe ich anlässlich der Ausstellung „uli richter revisited“ 2017 kennengelernt. Als Marke wurden wir angesprochen, ob wir ein Outfit dafür designen möchten. Ich war gleich begeistert, weil es das einzige Museum in Berlin ist, das sich mit Textilien und Modehistorie befasst – und diese Begeisterung ist bis heute hängen geblieben. Da wir immer auf der Suche nach besonderen Locations sind, um den Zuschauer unserer Shows in eine besondere Welt zu entführen, hat es gut gepasst – zumal die Kollektion auch angelehnt war an das Prinzip „Mode als Sammelobjekt“. Es gibt eine Klientel, die Mode sammelt und für die Mode einen gewissen Sammlerwert hat, weshalb Museum und Modenschau sich perfekt ergänzt haben.

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Das Outfit, das du dem Kunstgewerbemuseum geschenkt hast, besteht ganz klassisch aus Top, Rock und Schuhen. Aber bereits auf den zweiten Blick sieht man, dass der Rock keinen typischen Rockschnitt hat. Erzähle uns etwas mehr über das Outfit, was ist das Besondere daran?
WF: Das Outfit war der finale Look der ganzen Kollektion, das heißt es war der krönende Abschluss der Show. Das Material, das wir für das Bustier genutzt haben, ist ein changierendes regenbogenfarbenes 3D-Material und wird als Bandeau getragen. Der Rock ist eigentlich eine Jacke aus neongrünem Doubleface-Kaschmir, die wir einfach zweckentfremdet haben. Wir haben sie so gesteckt, dass sie auch als Rock funktioniert und man beim Laufen merkt, dass vorne eine Art Rüssel rausschaut – das ist natürlich der Ärmel. Ich mag Kleidungsstücke, mit denen wir beim Stylen Dinge ausprobieren können: Können wir die Hose als Schal oder den Rock als Top nutzen? Gerade bei den Shows wollen wir inspirieren und schauen, ob man die bestehenden Kleidungsstücke – ohne sie umzunähen – auch anders präsentieren kann.

Das ganze Outfit ist kein klassischer Look.

William Fan

Die Schuhe waren zu dem Zeitpunkt unser neuestes Modell: Ein Mary Jane-Heel, der auch während der Schau in der Vitrine in der Modegalerie ausgestellt wurde. Er hat sich dort perfekt integriert, weil er sich an Mary Jane Schuhen aus den 20ern orientiert.
Das ganze Outfit ist kein klassischer Look. Es fällt aus der Reihe, weil es frei drapiert wurde und sehr viel Haut zeigt. Es ist experimentell, deswegen war es auch der finale Look: Es sollte ein neuer Impuls gesetzt werden.

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Zumal das Material ja so außergewöhnlich war. Wie muss ich mir so ein neuartiges 3D-Material vorstellen? Hast du Stoffproduzenten, mit denen du arbeitest, und die dir solche Materialien vorschlagen?
WF: Wir haben viele Handwerksbetriebe, mit denen wir eng zusammenarbeiten und die neue, innovative Materialien verarbeiten. Wir mögen das Zweckentfremden von Materialien und nutzen zum Beispiel Stoffe für unsere Kleidung, die eigentlich für Schuhe gedacht sind. Oder wir machen Taschen aus Textilien, die normalerweise für Kleidung gedacht sind. Das 3D-Material von dem Outfit im Kunstgewerbemuseum ist ursprünglich für Sneakers konzipiert worden.

Wovon lässt du dich bei der Entstehung deiner Kollektionen inspirieren?
WF: Jede Saison fangen wir damit ein, eine Geschichte zu erzählen – das war mir von Anfang an immer wichtig. Auch in einer Modenschau ist es mir wichtig, dass die Menschen mit einer Geschichte aus der Show rausgehen und sich darüber unterhalten. Und vielleicht habe ich sogar zu einem Thema angeregt, das gerade in der Luft liegt. Außerdem sind die Modenschauen kinematografisch aufgebaut. Wenn man ganz genau hinschaut und sich mit allen bisherigen Modenschauen befasst, wird eine rote Linie erkennbar – eine zusammenhängende Geschichte, die erzählt wird. Und mit der letzten Schau im Fernsehturm – das ist die aktuellste Kollektion – bin ich in meiner Wahlheimat Berlin angekommen. Die Marke William Fan ist jetzt fünf Jahre alt geworden, ich habe Erfahrungen sammeln dürfen und die Industrie besser kennengelernt. Die Marke ist national etabliert und wir haben einen tollen Kundenstamm, deshalb war die Schau auch ein Dankeschön an die Stadt Berlin. Dafür habe ich mit dem Berliner Fernsehturm eine Ikone ausgesucht, die jeder kennt und der mit seiner spektakulären Höhe auch ein sehr besonderer Ort ist.  Man hat den besten Überblick über die Geschichte und die Vielfalt der Stadt.
Die Mode ist dabei stetig und stabil. Jede Saison entwickelt sie sich immer weiter und wir fangen nie von Null an: Wir stehen an einem gewissen Punkt und entwickeln uns von dort aus weiter. So entstehen die Kollektionen auf Basis von Schnitten, die schon da sind. All das ist am Ende des Tages wie ein Puzzlespiel. Darüber hinaus ist mir der biografische und persönliche Bezug wichtig.

In den vergangenen fünf Jahren hast du mit deiner Mode einen starken Wiedererkennungswert geschaffen. Hast du wiederkehrende Designs, etwa einen Schnitt oder ein bestimmtes Material?
WF: Ja, aber das mache ich häufig unbewusst. Würden wir zum Beispiel ein Archivteil von vor fünf Jahren hier reinhängen (Anm. d. V.: Wir befinden uns in seinem Showroom), würde das keiner merken. Meine Entwürfe sind so fluid, dass sie keinen Zeitstempel tragen. Das ist eine Stärke, die ich erst jetzt, nach fünf Jahren, realisieren kann. Ich merke immer wieder, dass es am Ende des Tages darauf ankommt, eine gute Garderobe aufzubauen. Wir haben KundInnen, die unsere Kleidungsstücke sammeln und sich nach und nach ihre Garderobe aufbauen. Unsere Sachen sind langlebig, sie sind von guter Qualität, und die Farben sind nie an einem Trend orientiert sondern haben immer noch einen klassischen Bezug. Das Herz der ganzen Kollektion ist eigentlich die Idee einer fast konservativen, klassischen Garderobe. Unsere Farben reichen von Anzug-Dunkelblau über klassische Männerstreifen bis hin zu Creme und Schwarz. Das sind Basics, die wir zwar sehr extravagant stylen, die aber eigentlich sehr einfach und tragbar sind. Mir ist es sehr wichtig, dass die Dinge nicht zu abstrakt werden, sondern einen Bezug zur Realität haben. Wir arbeiten sehr viel mit Schurwolle, weil ich finde, dass es das feinste Material ist, das man für Kleidung benutzen kann. Daraus machen wir jedoch nicht nur Anzüge, sondern auch Kleider und Hüte – also spielen wir auch hier wieder mit der Zweckentfremdung. Meine Mode ist immer ein Spagat zwischen zeitlos und Zeitgeist: Sie soll den Zeitnerv treffen, ohne die Zeitlosigkeit dabei zu verlieren.

Wie sieht dein/e typische/r Kunde:in aus?
WF: Sehr divers. Alle aus meinem Team sind immer wieder erstaunt, wie breit unser Kundenstamm ist. Wir haben KundInnen von Teenagern bis zu Rentnern. Das liegt auch daran, dass wir viel anbieten: von extravaganten Outfits für Fashion-Hunter bis zu klassischen Dresses, zum Beispiel für GaleristInnen, ArchitektInnen oder PolitikerInnen.

Hast du beim Entwurfsprozess eine/n bestimmte/n Kunden:in vor Augen?
WF: Wenn ich entwerfe, denke ich meistens an mich und meine Bedürfnisse. Meine KundInnen sind mir in vielen Dingen ähnlich, etwa wenn es um Werte oder ästhetisches Empfinden geht. Ich kann auf meine Intuition vertrauen und habe ein ganz gutes Gefühl dafür, was die KundInnen haben möchten oder was gerade gebraucht wird.

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Wie hat sich dein Arbeiten durch die Corona-Pandemie verändert? Gibt es neue Abläufe?
WF: Ich reise aktuell nicht mehr. Seit Corona aufgekommen ist, habe ich die Stadt nicht mehr verlassen. Das ist für mich sehr ungewöhnlich, weil ich normalerweise viel in Asien bin. Die Kommunikation hat sich aufs Digitale verschoben, aber eigentlich läuft derzeit alles wie gehabt: Produktion, Musterung und Entwurf. Für uns fallen natürlich die Fashion Weeks weg, aber ich habe mich mit der Situation wirklich sehr gut arrangiert. Die Pandemie ist eine globale Krise, aber gleichzeitig war es für mich privat und beruflich ein Segen, diesen Pausenknopf zu haben. Vorher bin ich von Termin zu Termin gehetzt, die Branche gab so einen strengen Rhythmus vor. Und jetzt höre ich wirklich mehr auf mich und treffe eigene Entscheidungen. Die KundInnen stehen uns treu und loyal zur Seite und es ist rührend zu sehen, wie stark unsere Fanbase ist.

Du hast im Lockdown neue Produkte entwickelt…
WF: Ja, wir haben eigene Mund-Nasen-Masken entworfen, die inzwischen ein Riesenerfolg geworden sind. Wir haben ein System entwickelt, dass nicht hinter dem Ohr kneift, sondern wie so ein Zugsystem funktioniert und individuell einstellbar ist.

Nochmal zurück zur Fashion Week. Anfang des vergangenen Jahres schockierte die Neuigkeit, dass die Messen nach Frankfurt umziehen. Wie beeinflusst dich das?
WF: Auch das finde ich eigentlich sehr positiv. Ich bin ein Fan des Wandels, vor allem wenn man das Gefühl hat, der Weggang der Messe sei ein guter Schritt – deshalb habe ich größtes Verständnis dafür. Ich glaube auch, dass Deutschland mit seinen verschiedenen Standorten von Verlagen und Vertriebsorten ohnehin schon sehr aufgesplittet ist. Es ist ja nicht so, dass alle Infrastruktur in Berlin ist, so wie es in Paris oder Mailand der Fall ist. Deutschland hat sehr viele starke Standorte – das merken wir natürlich auch, denn unsere KundInnen sind überall verteilt. Man wird sehen, wie es sich entwickelt.

Aber was heißt das für dich? Weißt du schon, ob du auch nach Frankfurt wechselst?
WF: Das verrate ich noch nicht. Aber natürlich sind wir schon in Gesprächen. Ich bin neugierig und offen und habe Lust auf etwas Neues, das pandemiegerecht über die Bühne läuft. Was wir im Pandemiejahr gelernt haben, ist Unabhängigkeit: es ist wichtig, dass wir unsere eigenen Strukturen schaffen und nicht abhängig sind. Besonders durch die Verlagerung ins Digitale haben wir jetzt neue Möglichkeiten, unsere KundInnen anzusprechen.

Du denkst also auch über digitale Projekte nach?
WF: Unter anderem. Die physische Präsenz ist für mich nach wie vor das Nonplusultra, das Digitale ist eher Mittel zum Zweck.

Du bist mittlerweile eher eine Art Universalkünstler: Du arbeitest ganzheitlich und gestaltest auch exklusive Wohnaccessoires, Möbel, Bettwäsche, Schmuck und Accessoires. Was sind deine nächsten Projekte?
Ich möchte die Marke William Fan weiterentwickeln. Ich bin sehr stolz auf das, was wir in den ersten fünf Jahren kreiert haben. Wir konnten wirklich einen Wert für unsere Kunden schaffen. Aber eigentlich fühle ich mich oft noch immer wie ein Student, als wäre das Label ein extrem großes Studienprojekt. Es ist noch so viel in meinem Kopf und wenn ich die ganze Vision betrachte, ist noch gar nicht viel passiert. Ich möchte inspirieren und eine offene, erlebbare Welt schaffen, die noch viel mehr Menschen ansprechen und inspirieren soll.

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