„Den aktuellen Design-Diskurs ins Haus holen“ – Claudia Banz im Interview
Claudia Banz kam 2017 ans Kunstgewerbemuseum und hat seitdem einige spannende Projekte initiiert. Das Design Lab führt nun alle Fäden zusammen – es soll die aktuellen Design-Diskurse ins Haus holen und das Museum als Hub für junge Gestalter*innen etablieren.
Interview: Sven Stienen
Die
letzte große Ausstellung im Kunstgewerbemuseum war die „Food Revolution
5.0“. Die Ausstellung griff ein sehr zeitgemäßes Thema auf und fand
einige Beachtung im Stadtgeschehen – wie ist das Fazit?
Claudia Banz: Die
„Food Revolution“ war sehr erfolgreich, die Besucherzahlen haben sich
damit verdoppelt. Wir konnten auch ein ziemlich junges und
internationales Publikum anziehen, zum Beispiel aus asiatischen Ländern.
Es war auch ein gutes Projekt um zu zeigen, welche weiteren Dimensionen
von Design es gibt. Denn Design ist nicht nur ein schöner Stuhl oder
ein funktionales Objekt. Der Designbegriff hat sich, ebenso wie der
Kunstbegriff, erweitert und es geht im übertragenen Sinne auch immer um
die Gestaltung der Gesellschaft.
Nun gibt es ein neues
Projekt, das Design Lab, das vom Kuratorium Preußischer Kulturbesitz
gefördert wird. Knüpft das Projekt an die bereits bestehenden Formate
Design Views und Design Talks an?
Als ich im Juni 2017 an
dieses Haus kam, stellte sich die Frage, wie wir den Bereich des
zeitgenössischen Designs hier stärken können. Wir wollten spannende
Positionen und aktuelles designerisches Handeln und Denken hier ins
Museum holen und in Beziehung zu unserer Sammlung und dem Haus setzen.
Der zweite wichtige Punkt war, dass Berlin eine Design-Stadt ist – sie
trägt sogar ganz offiziell den Titel „Capital of Design“. Vieles
passiert aber im nicht-institutionellen Bereich in einer sehr
verstreuten Szene. Deswegen wollten wir als Berliner Institution eine
Plattform für die Gestalter*innen vor Ort schaffen. Wir verleihen ihnen
Sichtbarkeit und eröffnen ihnen die Möglichkeit, sich im Rahmen von
Veranstaltungen und Get-togethers zu vernetzen. Nach dieser
Initialzündung haben wir mit der Reihe „Design Views“ losgelegt: jeweils
ein Designstudio aus Berlin, ein Projekt, drei Wochen Laufzeit, das
Ganze in Kooperation mit dem Internationalen Design Zentrum Berlin. Das
haben wir 2018 durchgezogen und es stieß auf eine tolle Resonanz. Wir
haben von vielen Designer*innen Lob bekommen, dass wir als Institution
aktiv werden. Es ist wichtig, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz
mit ihren Einrichtungen auch die junge Generation anspricht und wir
können mit unseren Museen ganz andere Multiplikatoren-Plattformen zur
Verfügung stellen, als die jungen Designer*innen und Künstler*innen
sonst gewohnt sind.
Es gibt also in der jungen Generation
von Kunst- und Kulturschaffenden auch den Wunsch einer Annäherung an die
klassischen Institutionen wie Museen?
Ja, das haben wir
jedenfalls in unserem Bereich festgestellt. Spätestens wenn die Leute
hier über die Schwelle treten, sind sie von der Architektur und unserer
Sammlung begeistert. Aber es ist natürlich auch für uns wichtig, dass
die Designstudios mit der Sammlung interagieren. Fast alle
Teilnehmer*innen der Design Views haben sich für ihre Präsentationen
Standorte innerhalb der Sammlung ausgesucht. So hat etwa ein Designer
aus Korea seine Arbeiten in der Mittelalterabteilung präsentiert und
eine Designerin mit sehr modernen Holzteppichen in der
Renaissance-Sammlung. Das fanden wir toll, denn durch die Begegnung mit
zeitgenössischem Design werden diese Sammlungen revitalisiert.
Wie haben die anderen Kurator*innen des Kunstgewerbemuseums darauf reagiert?
Sehr positiv, sie fanden die Begegnungen spannend. Es sind hier alle
sehr aufgeschlossen und wir haben ja auch viel Raum, in dem man
experimentieren kann. Der Diskurs ist sehr wichtig, den wollen wir zu
uns ins Haus holen, zum Beispiel auch mit dem neuen Format Design Talks.
Das ist eine diskursive Plattform zu aktuellen Gestaltungsfragen im
Design, die aber auch immer wieder die Rolle von Kunstgewerbemuseen
befragt. Wenn man die Historie der Kunstgewerbemuseen betrachtet, sind
sie bei ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert ein sehr innovativer
Museumstyp gewesen, der die Verbindung von Museum, Kunst, Technik und
Industrie in einer Institution ermöglichte. Das geriet im Verlauf des
20. Jahrhundert etwas in Vergessenheit und wir wollen die Rolle dieser
Museen nun für das 21. Jahrhundert wieder neu definieren. Dafür sind
diese kleineren Formate wie die Design Views und die Design Talks sehr
wichtig.
Die beiden Reihen werden nun also mit dem Design Lab fortgesetzt?
Genau. Durch die großzügige Finanzierung des Kuratoriums Preußischer
Kulturbesitz haben wir nun einen größeren Aktionsradius, es geht nicht
mehr nur um Berliner Designer*innen. Wir können uns nun auch nationaler
und internationaler orientieren, experimentell arbeitende Designer*innen
einladen, sich mit dem Haus auseinanderzusetzen, ihre eigenen
Forschungsprojekte zu präsentieren und zu vermitteln. Auch in den
Designhochschulen entstehen spannende Projekte, die wir zukünftig
vorstellen möchten. Die Design Labs haben eher den Charakter einer
offenen Intervention als den einer „fertigen“ Ausstellung. Die Laufzeit
ist nun etwas länger, meistens zwei Monate.
Wie kann man sich das inhaltlich vorstellen?
Das Spektrum der gezeigten Ansätze ist sehr breit. Beim ersten Design
Lab haben wir in Kooperation mit dem der Universität der Künste Berlin
Arbeiten zum Thema 3D-Druck gezeigt. Das reichte von Ziegelsteinen bis
zum Sport-BH. In dem folgenden Design Lab, diesmal in Kooperation mit
der Kunstuni Linz, ging es um die Frage, wie die Dinge uns und den
Alltag gestalten. Vieles erscheint uns selbstverständlich, wenn wir uns
durch die Welt bewegen. Doch wir sind permanent von gestalteten Dingen
und Atmosphären umgeben, die uns prägen. Beim Design Lab III ging es um
die mobilen Küchen des polnisches Designerduos chmara.rosinke. Und das
Design Lab IV fokussierte auf die Projekte des DESIS Networks Design for
Social Innovation and Sustainability zu Fragen kollaborativer
Stadtplanung. In Kooperation mit der italienischen Botschaft konnten wir
Ezio Manzini, den Gründer des Netzwerkes, auch zur einer Lecture
einladen und die Kooperative La Foresta zu einer Eco Social Food
Performance. Die nächsten Labs sind schon in Planung, u.a. werden wir
das Forschungsprojekt „Times of Waste“ präsentieren, das von einer
Designerin und einer Anthropologin an der FH Basel kuratiert wird. Da
geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kreislauf des
Smartphones , seiner Entsorgung, um seltene Erden und andere Rohstoffe,
um Verwertungskreiskreisläufe, Abfallsysteme. und so weiter.
Alles sehr aktuelle Themen …
Ja, das flexible Format des Design Labs bietet die Möglichkeit, immer
aktuell auf spannende Themen zu reagieren. Wir können und müssen ja
nicht immer große Sonderausstellungen realisieren. Diese Aktualität ist
mir wichtig, weil wir das Kunstgewerbemuseum als Hub für aktuelle
Diskurse weiter etablieren möchten.
Das neue Konzept ist
internationaler als die ursprünglichen Formate – wollen Sie die
Zusammenarbeit mit der lokalen Berliner Szene auch weiterführen?
Natürlich wollen und werden wir weiterhin mit der Berliner Szene
zusammenarbeiten, das ist unsere Aufgabe als Berliner Museum. Aber es
ist dennoch wichtig, dass wir uns als Haus auch international
positionieren, denn der Design-Diskurs ist global. Im Sommer zeigen wir
die große Ausstellung „Connecting Afro Futures“, in der wir uns mit
afrikanischer Mode, Schönheitsidealen und Design beschäftigen. Im Herbst
eröffnen wir die erste Präsentation der German Best Graduates, einer
neuen Plattform für Bachelor- und Masterprojekte aus über zehn deutschen
Hochschulen, die von drei Kolleg*innen aus dem Hochschulbereich
initiiert wurde. Das Thema Ausbildung und Nachwuchsförderung gehört auch
zu den wichtigen Aufgaben, zu denen wir als Museum Stellung beziehen
sollten. Ich glaube, dass mittelfristig ein Wechselspiel zwischen
globalen und lokalen Themen entstehen wird, das ist zumindest mein
Wunsch.
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