Der Mäzen James Simon: Ein Geschenk für die Museen
Lesezeit 7 Minuten
Ohne ihre zahlreichen Mäzene wäre es den Berliner Museen
nie gelungen, Sammlungen von Weltrang zu vereinen. Einer der größten
Förderer war James Simon. Doch der jüdische Geschäftsmann war viel mehr
als nur ein freigiebiger Kunstliebhaber.
Text: Karolin Korthase
Viel Licht, eine ausladende Freitreppe und elegante Kolonnaden – die James-Simon-Galerie zeigt sich architektonisch als offener, luftiger Ort. Das neue
Eingangsgebäude der Museumsinsel Berlin wird künftig die Besucherströme
in die umliegenden Museen leiten. 1200 Betonpfähle mussten dafür 40
Meter tief in den morastigen Grund der Spreeinsel eingebracht werden.
Selbst für den erfahrenen Architekten David Chipperfield war der Bau
eine Herausforderung. „Mit den Füßen im Schlamm und den Augen im Himmel“
habe man gearbeitet, erinnert er sich.
Doch die Mühen haben sich gelohnt: Das neue Entrée zum Welterbe
Museumsinsel beherbergt einen Sonderausstellungsraum, ein Auditorium,
Garderoben, Ticketschalter, einen Shop und ein Café. Von der Galerie aus
sollen die Besucher* innen künftig über die „Archäologische Promenade“
in die umliegenden Museen gelangen. Ein Teilstück dieser Promenade
ermöglicht schon heute den Zugang zum Neuen Museum; ein Durchgang im
Obergeschoss führt auch ins Pergamonmuseum.
Die Sammlungen dieser Museen, ebenso wie die des Bode-Museums, sind untrennbar mit dem Namensgeber der neuen Galerie verbunden: James Simon.
Die Kunstwerke aus der Sammlung dieses wohl bedeutendsten Mäzens der
Staatlichen Museen zu Berlin finden sich in vielen ihrer Häuser.
Anfänge als Mäzen
Ohne sein Engagement in der Deutschen Orient-Gesellschaft (DOG) wären
etwa die Ausgrabungen im ägyptischen Amarna und in Babylon nicht
denkbar gewesen, die unter anderem eine Rekonstruktion des Ischtar-Tores
ermöglichten und den Museen die Büste der Nofretete bescherten. Dass
James Simon die weltberühmte Skulptur der ägyptischen Königin 1920 dem
Ägyptischen Museum vermachte, ist nur eine von vielen spektakulären
Schenkungen, die er im Laufe der Jahrzehnte tätigte.
Im Jahr 1885 war James Simon, der in einer wohlhabenden jüdischen
Familie aufwuchs, gerade 34 Jahre alt und noch weit entfernt von seinen
späteren finanziellen Möglichkeiten. In diesem Jahr schenkte er den
Berliner Museen zum ersten Mal ein Kunstwerk: ein kostbares Gemälde des
sienesischen Künstlers Francesco di Vannuccio aus dem Jahr 1380.
Zur selben Zeit intensivierte sich auch der Kontakt zu Wilhelm Bode,
dem damaligen Direktor der Skulpturensammlung. Bode beriet Simon bei
Kunstankäufen. 1897 wies er ihn beispielsweise auf ein kleines, zartes
Gemälde auf dem Londoner Kunstmarkt hin. Es handelte sich um ein Werk
des Renaissance-Malers Andrea Mantegna, das dieser im 15. Jahrhundert
auf Leinen gemalt hatte. Das Bild zeigt Maria, die das schlafende
Jesuskind innig an sich drückt. Simon zögerte: Er sei momentan wenig
kauflustig, ließ er Bode wissen. Nach zweimaliger Besichtigung, bei der
das Bild „einen guten Eindruck“ auf ihn machte, entschloss er sich
dennoch zum Ankauf. Der Mantegna zählt heute zu den Meisterwerken der
Gemäldegalerie.
Liebe zur Kunst – und zu den Menschen
Das Werk von Mantegna bekam einen prominenten Platz im Arbeitszimmer
von James Simons Villa in der Tiergartenstraße. Simon hatte ein Faible
für Madonnen- Darstellungen und er schätzte das Intime, das Zarte. Der
Historiker Olaf Matthes, der seit vielen Jahren zu dem Mäzen forscht,
erzählt: „Er war jemand, der Miniaturen mochte und auch Münzen und
Medaillen, auf denen Porträts abgebildet waren.“
Auf einem Bild, das der Maler Willi Döring von Simon im Jahre 1901
fertigte, sitzt der Sammler in seinem Arbeitszimmer und blickt
gedankenverloren aus dem Fenster. Er ist umgeben von seiner Sammlung,
der er augenscheinlich so nah wie möglich sein wollte. Doch bei aller
Liebe zu seinen Werken war es dem Sammler wichtig, diese nicht im
Verborgenen zu halten, sondern den Menschen zugänglich zu machen.
1904, wenige Jahre, nachdem das Döring-Porträt entstand, vermachte er
seine wertvolle Renaissance- Sammlung von ca. 450 Werken den Berliner
Museen. Gemäß Schenkungsvertrag sollten die Werke – und so auch
Mantegnas „Maria mit dem schlafenden Kind“ – im eigens eingerichteten
„Kabinett James Simon“ des damals neu eröffneten Kaiser-
Friedrich-Museums, des heutigen Bode-Museums, ausgestellt werden.
Philanthrop und Kinderfreund
1918 folgte eine zweite beachtliche Schenkung mit rund 350 Werken.
Ende des 19. Jahrhunderts war der Mäzen mit dem Baumwollunternehmen
„Gebrüder Simon“, das er als einziger Sohn von seinem Vater übernommen
hatte, zur Wirtschaftselite des deutschen Kaiserreichs aufgestiegen.
1911 verfügte er über ein Vermögen von 35 Millionen Mark, das ihn zum
siebtreichsten Mann Berlins machte.
Neben der Kunst, die er als willkommene Abwechslung zu seiner
Tätigkeit als Kaufmann sah und für die er etwa zehn Prozent seines
Jahreseinkommens aufwendete, investierte er sein Geld hauptsächlich in
soziale Projekte. Besonders das Wohl von Kindern lag ihm am Herzen.
Simon selbst war dreifacher Vater, seine letztgeborene Tochter Marie
Luise kam 1886 mit einer geistigen Behinderung zur Welt und starb
bereits 1900. „Die 14 Jahre des Zusammenlebens mit der schwer
behinderten Tochter müssen einen nachhaltigen Eindruck auf Simon
ausgeübt haben“, schreibt der Simon-Biograf Matthes. „Für die Motivation
seines intensiven sozialen Engagements für kranke Kinder (…) muß hier
eine der Ursachen gesucht werden.“
Die Liste von Vereinen und Institutionen, die Simon initiierte und
zusammen mit anderen Mäzenen finanzierte, ist lang. Mit dem „Verein für
Ferienkolonien“ ermöglichte er mittellosen Kindern, Urlaub zu machen; im
„Haus Kinderschutz“ fanden vernachlässigte und misshandelte Kinder
einen Unterschlupf und Bildung. Ab 1889 finanzierte Simon
Volksbadeanstalten, um die zum Teil desolaten hygienischen Zustände zu
verbessern, unter denen viele Berliner litten.
Pflichtbewusster Geschäftsmann
Sein hohes soziales Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein spiegelte
sich auch in der Führung seines Unternehmens. Simon hatte für seine
Mitarbeiter Ende des 19. Jahrhunderts eine Pensionskasse eingerichtet,
was zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit war. Als die
„Gebrüder Simon“ nach Ende des Ersten Weltkrieges in ernste finanzielle
Schwierigkeiten gerieten, verkaufte er zwei seiner wertvollsten Bilder
von Frans Hals und Jan Vermeer in die USA und stockte von dem Erlös
unter anderem auch diese Pensionskasse seiner Mitarbeiter um eine
beträchtliche Summe auf.
24 Millionen Mark steckte James Simon insgesamt in die Rettung seiner
einst so erfolgreichen Firma – und scheiterte dennoch. Die
Marktstrukturen hatten sich verändert, und der Zwischenhandel mit
Baumwolle, das Simonsche Kerngeschäft, verlor an Bedeutung. Ende der
1920er Jahre ging „Gebrüder Simon“ schließlich in Konkurs. Trotz der
daraus folgenden enormen finanziellen Einbußen, die u.a. den Verkauf
seiner Villa in der Tiergartenstraße und einen Umzug in eine Mietwohnung
nach sich zogen, blieb James Simon seinen stifterischen Tätigkeiten bis
zu seinem Tod 1932 treu.
Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten musste er zum Glück
nicht mehr erleben – diese brachte aber bald die Erinnerung an sein
Vermächtnis zum Erlöschen: Ab 1938 trugen die Objektschilder aller von
jüdischen Mäzenen gestifteten Exponate nur noch den Vermerk „Geschenk“
und die Werke aus der Sammlung Simon wurden im August 1939 aus ihrem
angestammten Kabinett entfernt. Nach 35 Jahren war die Würdigung des
großen Berliner Mäzens der NS-Rassenpolitik zum Opfer gefallen.
Späte Würdigung
Trotz Büsten und Tafeln in verschiedenen Museen in Ost- und
West-Berlin, die an James Simon erinnerten, blieb sein Name
jahrzehntelang im Bewusstsein der Öffentlichkeit unbekannt. Das Neue
Museum zeigt James Simons Büste seit 2009 im Zusammenhang mit der
Sammlungsgeschichte und seinen großzügigen Schenkungen, seit 2011 ist
ihm auch ein Raum im Bode-Museum gewidmet.
Anlässlich der Eröffnung der James-Simon-Galerie wird auch das
James-Simon-Kabinett am ursprünglichen Ort wieder eingerichtet. „Die
Idee ist, den Geschmack von Simon nicht nur durch die Exponate zu
zeigen, sondern auch durch die ursprüngliche Hängung“, erläutert Neville
Rowley, Kurator am Bode-Museum und in der Gemäldegalerie. Neben
Gemälden und Skulpturen werden auch Möbelstücke zu sehen sein.
Die Wiedereinrichtung des Kabinetts im Bode-Museum und auch die
Benennung der James-Simon-Galerie sind eine Hommage an den wohl
bedeutendsten Mäzen der Staatlichen Museen zu Berlin. Gleichzeitig steht
die Ehrung auch für die Wertschätzung, die die Museen ihren zahlreichen
weiteren Förderern, insbesondere jüdischer Herkunft, entgegenbringen.
Ohne ihre Unterstützung wären viele Wände und Vitrinen leer – und Berlin
um so manchen Kunstschatz ärmer.
Dieser Beitrag erschien zuerst in MUSEUM, der Programmzeitung der Staatlichen Museen zu Berlin, Ausgabe III / 2019. Zur Eröffnung der James-Simon-Galerie am 13.7.2019 gibt es einen Aktionstag von 10-21 Uhr (Sonderpreis für Neues Museum und Pergamonmuseum: 10 / ermäßigt 5 Euro;
„Pergamonmuseum. Das Panorama“ ausgenommen) Kinder und Jugendliche bis
zum vollendeten 18. Lebensjahr erhalten dann freien Eintritt.
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