Design mit Verantwortung: Design Lab #8 im Kunstgewerbemuseum
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In der neuen Ausgabe der Reihe „Design Lab“ dreht sich alles um nachhaltiges Design und Kreislaufwirtschaft. Kuratorin Claudia Banz spricht im Interview über nachhaltiges Gestalten und die Verantwortung von Produzent*innen und Konsument*innen.
Claudia Banz: Bislang konsumieren und produzieren wir gemäß dem Prinzip des linearen Wirtschaftens oder des „take, make, waste“-Ansatzes. Das bedeutet, dass die Materialien und damit auch die Ressourcen am Ende verschwinden – sie werden entsorgt, d.h. deponiert oder thermisch verwertet. Bei der zirkulären Wirtschaft geht es nach dem Vorbild der Natur um die Idee, dass man Wirtschaften als Kreislauf versteht. Nach dem Prinzip des „cradle to cradle“ sollen Materialien und Produkte zukünftig so gestaltet werden, dass sie im gesamten Kreislauf von der Produktion über den Konsum bis zur Entsorgung erhalten bleiben. Entweder finden sie am Ende ihres ‚ersten‘ Lebenszyklus‘ eine neue Nutzung, zum Beispiel durch Upcycling, oder sie können in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden. Reparierbarkeit, Zerlegbarkeit oder ein von vorneherein auf Langlebigkeit angelegtes Design sind weitere wichtige Faktoren für die Kreislauffähigkeit. Diese Idee, Kreisläufe zu schließen und Vergeudung zu vermeiden, bezieht sich in erster Linie auf die Ökonomie, aber eigentlich berührt sie ja alle Bereiche unseres Lebens, unser komplettes Konsumverhalten und unsere Ressourcennutzung, und das wollen wir in der Ausstellung zeigen. Deswegen auch der Titel: Wege in eine kreislauffähige Zukunft.
Was können Besucher*innen der Ausstellung erwarten?
Im Fokus steht das ‚Material‘, denn es bietet die Grundlage für jegliche Gestaltung und Produktion. Und Kunstgewerbemuseen sind historisch gesehen die Orte, die seit ihrer Gründung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz eng mit dem Thema Materialien verbunden sind. Unsere Sammlungen sind bis heute überwiegend nach Materialien gegliedert, die Restaurator*innen sind auf bestimmte Materialien spezialisiert und selbst die Kustod*innen waren lange Zeit für bestimmte Materialgruppen zuständig und sind es teilweise ja heute noch. Deshalb haben wir dieses Prinzip auch für die Ausstellung übernommen. Sie hat sechs Kapitel: Zuerst blicken wir auf die eigene Sammlung und schauen zurück: Welche kreislauffähigen Entwicklungen hat es in der Designgeschichte bisher gegeben? Da haben wir spannende Beispiele gefunden, vom Plastikrecycling über nachhaltige Möbel aus Pappe bis hin zu aktuellen Entwicklungen im Modedesign, wo heute wieder mit „bark“, also einer Baumrinde, gearbeitet wird, einem der ältesten textilen Materialien der Welt. Dann fokussieren wir auf das Thema „Beiprodukte der Industrie“: In allen Produktionsbereichen, etwa der Papierproduktion oder der Tierschlachtung, fallen Nebenprodukte an, die üblicherweise entsorgt werden. Designer*innen beschäftigen sich mit diesen Nebenprodukten und entwickeln spannende Ideen: so werden zum Beispiel Abfälle aus der Lederproduktion zu neuen Produkten verarbeitet, ein junger Designer hat Möbel aus Schlachtabfällen hergestellt, und in einem anderen Projekt werden Fäkalien zu Porzellan verarbeitet.
Ein weiteres Kapitel der Ausstellung widmet sich der „Mode“. Das ist ein ganz wichtiger Bereich und gerade hier gibt es viele Vorreiter in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften und Kreislaufökonomie. Ein spannendes Thema ist auch die Fasergewinnung: Beim Recycling von Textilien müssen die verschiedenen Bestandteile von Mischfasern getrennt werden und das kostet sehr viel Energie. Daher ist das nachhaltige Faserrecycling von zentraler Bedeutung.
Ein weiteres Thema, man könnte sagen ein „Klassiker“, ist unser Umgang mit Plastik. Hier zeigen wir auch mal ein best-practice-Beispiel aus der Industrie, nämlich die Firma Frosch, die zu den Pionieren in Sachen nachhaltige Verpackungen zählt, und sich inzwischen aus der „Öko“-Nische heraus bewegen konnte. Das ist wichtig, dass solche Lösungen auch einer größeren Konsumentenschicht bekannt werden, und diese sich solche Produkte auch leisten kann. Wir stellen aber auch Startups und nachbarschaftliche Projekte vor, bei denen es um Plastikrecycling geht.
Ein weiterer ganz spannender Bereich in der Ausstellung widmet sich dem spekulativen Design – dort geht es etwa um Mycelium als möglicher Baustoff der Zukunft oder um die Frage, wie wir den Abfall in unseren Städten ganzheitlich recyceln können. Und schließlich schauen wir auch auf konkrete Orte, an denen Kreislaufwirtschaft bereits gelebt wird, da gibt es viele Beispiele aus Berlin, etwa das Haus der Materialisierung, das C2C-Lab, den Baupalast oder die Nochmall. Wir haben auch einen internationalen Gast: Die italienische Stadt Prato ist auf dem besten Wege, eine zirkuläre Stadt zu werden und hat mit dem Recò-Festival das weltweit erste Festival zur Kreislaufökonomie gegründet.
Viele der Themen, die in der Ausstellung vorkommen, erinnern an vergangene Ausstellungen wie „Food Revolution“, „Connecting Afro Futures“ oder „Fast Fashion“. Ist „Material Loops“ auch als zusammenfassender Überblick über all diese Themen zu verstehen?
Was alle diese Ausstellungen gemeinsam haben, ist ein Blick auf Design, den ich für extrem wichtig halte: Es geht heute nicht mehr darum, den millionsten Stuhl zu gestalten, sondern um die soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung, die sich mit Design verbindet, um das komplexe Thema Nachhaltigkeit. Diese Verantwortung betrifft uns alle, von den Gestalter*innen über die Produzent*innen bis zu den Konsument*innen und Politiker*innen. In diesem Spannungsfeld sehe ich Design und auch das Kunstgewerbemuseum als Institution. Denn wir sammeln Objekte und versuchen, sie für die kommenden Generationen zu bewahren. Es wird sehr viel Forschung betrieben, um den zwangsläufigen Verfall der Materialien langfristig aufzuhalten. Und diesen Gedanken des Caring müssen wir heute auf unser gesamtgesellschaftliches Handeln übertragen. Wir müssen uns bewusst machen, dass unsere Ressourcen endlich sind und wir alle zusammen eine Verantwortung für den Planeten tragen.
Welche Rolle spielen Museen in diesem Kontext?
Gerade Häuser wie das Kunstgewerbemuseum, die in der klassischen Hierarchie der Kunstmuseen oft das Schlusslicht bilden, haben meines Erachtens eine besondere Aufgabe als Vermittler dieser zentralen Themen unserer Zeit. Wir haben eine Verantwortung, einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs zu leisten, dazu anzuregen, und wir können viele gesellschaftlich relevante Aspekte auch pragmatischer und konkreter behandeln als ein Kunstmuseum. Denn Nachhaltigkeit und Design hängen unmittelbar zusammen, das hat ja inzwischen glücklicherweise auch die Politik erkannt.
Ausstellung wie „Material Loops“ haben für mich mehrere Funktionen gleichzeitig. Einerseits zeigen wir damit, woran gerade geforscht wird und welche Innovationen es bereits gibt, andererseits wollen wir aber auch zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen des eigenen Handelns anregen. Müssen wir immer alles wegschmeißen oder können wir selbst etwas tun, um den Kreislauf zu erhalten?
In der Ausstellungsbeschreibung heißt es, die Ausstellung sei selber ein Experiment – was ist damit gemeint?
Wir wollen auch unseren Beitrag zu einem Green Museum leisten. Gerade beim Ausstellungsmachen werden ernorm viele Ressourcen verschwendet. Deshalb sammeln wir beispielsweise schon seit längerem Ausstellungsarchitekturen und haben den Anspruch an Ausstellungsgestalter, dass die einzelnen Elemente leicht zerlegbar und damit auch wiederverwendbar konzipiert werden. In „Material Loops“ nutzen wir ausschließlich recycelte Elemente aus unseren vergangenen Ausstellungen hier im Kunstgewerbemuseum. Einige der Vitrinen und Sockel stammen aus der letzten Volontär*innenausstellung. Wir wollten auch die Beschriftung komplett per Hand machen und nicht plotten. Letzteres war aus Zeitgründen leider nicht möglich, denn für diese Ausstellung mußten sehr viele Texte auf die Wände gebracht werden. Aber wir haben wenigstens den großen Ausstellungstitel handschriftlich angebracht sowie die Grafiken zur zirkulären Gesellschaft. Außerdem verzichten wir weitgehend auf Printprodukte. Der Reader zur Ausstellung ist online als Download verfügbar. Normalerweise wird für Ausstellungen viel Material eingekauft und danach wieder entsorgt – hier bietet sich also auch für uns als Museum eine gute Chance, nachhaltiger zu werden.
Was sollen die Besucher*innen aus der Ausstellung mitnehmen?
Es würde mich freuen, wenn wir dazu beitragen, dass alle sich ein bisschen mehr Gedanken machen. Wo kommen unsere Kleider, unser Essen und unsere Alltagsgegenstände her, welche Ressourcen braucht es für deren Herstellung und wie können wir sie weiterverwerten und nicht einfach wegschmeißen? Ich hoffe, dass eine Sensibilität dafür entsteht.
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