Die Schönheit der Gipse: „Nah am Leben“ in der James-Simon-Galerie
Lesezeit 5 Minuten
Gips ist nicht gleich Gips. Mal strahlend weiß, mal mit
goldgelbem Schellack überzogen und sichtlich gealtert, mal kunstvoll und
täuschend echt bemalt: Die Ausstellung „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei“ zeigt eine erstaunliche Vielfalt an Objekten und Oberflächen. Unser
Kollege Fabian Fröhlich hat einige seiner Lieblingsstücke fotografiert.
Der Prolog zur Ausstellung versammelt Master- und Malmodelle aus der
Gipsformerei. Ein Mastermodell ist im Idealfall der erste Abguss aus der
vom Original abgenommenen Form und bleibt gleichsam als Belegexemplare
in der Sammlung. Mastermodelle sind zum Schutz mit Schellack überzogen
und daher von gelblicher oder bräunlicher Farbe. Malmodelle dagegen sind
die farbig gefassten Vorlagen, die von den Skulpturenmalern benutzt
werden, wenn in der Gipsformerei bemalte Abgüsse bestellt werden.
Bei diesem Arbeitsmodell der Büste des Antinoos Braschi sieht man
noch die Nähte der Gussformen, die üblicherweise im späteren
Arbeitsprozess abgeschliffen werden.
Vom Hermes des Praxiteles über die vier Evangelisten Tilman
Riemenschneiders bis hin zu Porträtbüsten, die Anfang des 18. bzw. 19.
Jahrhunderts von Johann Gottfried Schadow und Joseph Chinard geschaffen
wurden: Die Beschäftigung mit der Sammlung der Gipsformerei ist immer
auch eine Reise durch die Kunstgeschichte.
Das Original des berühmten „Berliner Grünen Kopfes“ ist nach wie vor
im benachbarten Neuen Museum zu bewundern. Dass es sich hier um einen
Gipsabguss handelt, dessen bemalte Oberfläche den polierten, grünlich
schimmernden Stein der altägyptischen Skulptur perfekt imitiert, erkennt
man erst auf den zweiten Blick.
Der 1892 gefertigte Naturabguss eines Krokodils gehört zur
ehemaligen Sammlung der Schulmodelle des Königlichen Kunstgewerbemuseums
Berlin, die um1900 in den Bestand der Gipsformerei überging. Es handelt
sich um ein Originalmodell ohne Schellackierung, vermutlich wurde es im
Zoo oder im Naturkundemuseum von einem toten Tier abgenommen.
Auch dieses Mastermodell vom Kopf eines Wolfes gehört zu den
ehemaligen Schulmodellen des Kunstgewerbemuseums. Eine besondere
Herausforderung war das Abformen des Fells. Die Haare mussten
eingefettet werden, um die Gipsmatritze abzunehmen und in eine Gussform
umarbeiten zu können.
Der auf Basis einer Computertomografie aus Polymergips gefertigte
3D-Druck des Kopfes des Eisbären Knut Eisbären Knut von der Technischen
Universität Berlin zeigt, dass auch modernste Verfahren noch mit der
Beschaffenheit von Fell zu kämpfen haben. Nur in nassem Zustand konnte
Knuts Kopf überhaupt digital eingelesen werden.
Für das Porträt des 1446 verstorbenen Architekten und Bildhauers
Filippo Brunelleschi wurde eine Totenmaske zur Büste ergänzt. Die
Ausstellung zeigt das 1882 angefertigte Mastermodell nach dem Original
im Museo dell’Opera del Duomo in Florenz.
Die 1781 entstandene Totenmaske Gotthold Ephraim Lessings, von der
hier ein Mastermodell ausgestellt ist, gilt als erste Totenmaske, die
von einem Bürgerlichen abgenommen wurde und als erste ihrer Art, die
nicht als Basis für ein späteres Bildnis, sondern um ihrer selbst willen
gefertigt wurde. Sie wurde zum Ausgangspunkt eines regelrechten
Totenmaskenkults im Europa des 19. Jahrhunderts.
Bei der Totenmaske von Johann Gottfried Schadow aus der Sammlung
der Nationalgalerie handelt es sich um ein Original, das aus der ersten,
direkt vom Gesicht abgenommenen Negativform stammt. Abgesehen vom
besonders feinen Bild der Hautoberfläche sind an diesem Objekt auch
Spuren des Verstorbenen verblieben. Im Gips wurden Barthaare und Wimpern
mit abgenommen und von der Negativform in den Abguss übertragen. Aus
heutiger Sicht werfen solche Naturabgüsse auch ethische Fragen auf, da
es sich um menschliches Material handelt.
Die „Artefakte“ betitelten Arbeiten von Pauline M’barek sind aus
Alabastergips gefertigt. Der flüssige Gips wurde hierfür in ein sich
nach und nach öffnendes Händepaar geschüttet und erhärtete dort langsam.
„Der Abguss wird so zu einer hochfragilen Membran zwischen
wahrnehmbaren Äußeren und wahrnehmbaren Inneren. Jede Gipsausschüttung
in die offene Hand ist anders“, schreibt die Künstlerin. „Ein labiles
Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Zufall.“
Die fünf Gesichtsabformungen gehören zu den ehemaligen Schulmodellen
des Kunstgewerbemuseums. Vermutlich handelt es sich um Personen aus dem
Umfeld der Unterrichtsanstalt bzw. um professionelle Modelle. Ihre
Identität ist jedoch ungeklärt. Die technische Perfektion und Exaktheit
im Detail weist darauf hin, dass es sich um Erstabgüsse aus den
verlorenen Formen handelt, die von den Gesichtern abgenommen wurden.
Die 1894 als Schulmodell gefertigte Gesichtsabformung eines jungen
Mannes gibt jede Wimper, jede Pore wieder. So nah und unmittelbar wirkt
das Gesicht, dass man die zeitliche Distanz, die uns von diesem Menschen
trennt, schnell vergisst.
Im Vergleich zum marmornen Original in den Vatikanischen Museen mag
diese Laokoongruppe ein wenig altersfleckig aussehen, aber das
Mastermodell und vor allem die zugrundeliegenden Formen gehören zu den
kostbarsten und ältesten Schätzen der Gipsformerei. Die Berliner Fassung
wurde 1844 vom Original abgenommen – ein Vorgang, der bei einem solchen
Objekt heute gar nicht mehr denkbar wäre.
August Rodins 1877 erstmal ausgestellte Skulptur „Das Eherne
Zeitalter“ erschien vielen seiner Zeitgenossen so lebensnah, dass er
sich mit Gutachten gegen den Vorwurf zur Wehr setzen musste, es handele
sich um einen Lebendabguss und somit um einen Fall von Betrug. Die in
der Ausstellung gezeigte Version ist ein früher Gips aus dem Dresdner
Albertinum. Der weße Abguss wurde in den 1950er oder 1960er Jahren
schellackiert und abermals abgegossen. Trotz einer späteren
Restaurierung sind die Reste der Schellackierung noch gut sichtbar.
George Segals „Woman on Park Bench” (1998/2009), eine Leihgabe aus
einer Privatsammlung, sieht zwar aus wie eine Gipsabformung, ist aber
tatsächlich eine geweißte Bronze. Indem er dem meist als hochwertiger
und „kunstwürdiger“ betrachteten Metall den Anschein des vermeintlich
niederen Gipses verleiht, verkehrt Segal die übliche Rangfolge der
Materialien und erinnert an die zentrale Bedeutung des Gipses für die
Geschichte der Bildhauerei.
Der bogenschnitzende Amor von François Duquesnoy ist zurzeit in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“ im Bode-Museum zu sehen. Fabian Fröhlich,… weiterlesen
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben eine große Zahl an Gipsabgüssen in Ihrer Sammlung, ist auch ein Abguss der Totenmaske Mozarts dabei? Ein Abguss – in Bronze – befindet sich im Mozarthaus Vienna als Leihgabe von Badura-Skoda. Weitere sind – meines Wissens – in USA. Als Mozart-Fan hätte ich gerne einen Abguss, aber ich kenne niemanden, der einen solchen genehmigt. Können Sie mir in der Sache weiterhelfen? Mit freundlichen Grüßen
Liebe Frau Hawel-Wölfer, vielen Dank für Ihre Anfrage nach einem Gipsabguss der Totenmaske Mozarts.
Leider hat die Gipsformerei derzeit keinen solchen Formen in ihrer Sammlung und auch keine Erlaubnis, einen solchen anzufertigen oder zu vertreiben.
Die Kolleg:innen in der Gipsformerei bedauern, Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen zu können und danken Ihnen für Ihr Interesse an der Sammlung.
Auf der Basis eines 3D- Ausdruck ist die Materialbezeichnung Polymergips Korrekt. Es kommen auch Alpha und Betagipse, Hochbranntgipsmischungen oder auch Polymergipse z.B. FGR und Sog. Dentalgipse in der GF z.Z. H2O = Indoor zum Einsatz. Sog. Formkörper aus Kunststoffe= Für den geschützten und ungeschützten Außenbereich können auf Acrylharzbasis,Polyesterharz oder Epoxidharzbasis erstellt werden. Diese Polymermollekülketten werden nicht mit H2O gemischt.
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Kommentare
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben eine große Zahl an Gipsabgüssen in Ihrer Sammlung, ist auch ein Abguss der Totenmaske Mozarts dabei?
Ein Abguss – in Bronze – befindet sich im Mozarthaus Vienna als Leihgabe von Badura-Skoda. Weitere sind – meines Wissens – in USA.
Als Mozart-Fan hätte ich gerne einen Abguss, aber ich kenne niemanden, der einen solchen genehmigt. Können Sie mir in der Sache weiterhelfen?
Mit freundlichen Grüßen
Liebe Frau Hawel-Wölfer, vielen Dank für Ihre Anfrage nach einem Gipsabguss der Totenmaske Mozarts.
Leider hat die Gipsformerei derzeit keinen solchen Formen in ihrer Sammlung und auch keine Erlaubnis, einen solchen anzufertigen oder zu vertreiben.
Die Kolleg:innen in der Gipsformerei bedauern, Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen zu können und danken Ihnen für Ihr Interesse an der Sammlung.
Auf der Basis eines 3D- Ausdruck ist die Materialbezeichnung Polymergips Korrekt.
Es kommen auch Alpha und Betagipse, Hochbranntgipsmischungen oder auch Polymergipse z.B. FGR und Sog. Dentalgipse in der GF z.Z. H2O = Indoor zum Einsatz.
Sog. Formkörper aus Kunststoffe= Für den geschützten und ungeschützten Außenbereich können auf Acrylharzbasis,Polyesterharz oder Epoxidharzbasis erstellt werden. Diese Polymermollekülketten werden nicht mit H2O gemischt.