Gründerzeitliche Kolonnaden Bar: Die historische Trinkhalle auf der Museumsinsel
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Die Kolonnaden Bar lädt heute Museumsfreunde und Spazierende zu einem kühlen Drink auf die Museumsinsel – doch diese Idee wurde vor mehr als 100 Jahren schon einmal erfolgreich realisiert.
Text: Christian Welzbacher
„Erfrischung“ – was für ein angenehm kühles Wort. Man denkt an einen heiteren Sommertag, ein Glas Limonade, ein laues Lüftchen und gute Unterhaltung. Die Kolonnaden Bar auf der Museumsinsel bietet das alles auch in diesem Jahr: willkommener Anlass, an eine über hundertjährige Tradition zu erinnern, die Berlin fast einst in einen Kurort verwandelt hätte.
1876 eröffnete mit der Nationalgalerie der dritten große Museumsbau auf der Museumsinsel. Altes Museum, Neues Museum und Gemäldesammlung ließen die kulturelle Nutzung auf dem Eiland inmitten der Spree expandieren. Industrie und Verwaltung, einst am nördlichen Ende angesiedelt (darunter der „Packhof“, eine Lagerhalle nach Entwurf Karl Friedrich Schinkels), wurden allmählich verdrängt. Die gründerzeitlichen Planungen für die Museumsinsel sahen vor, die Nationalgalerie mit einem kleinen Skulpturengarten zu umfangen, in dem sich die Besuchenden vor und nach dem Kunstgenuss ausführlich ergehen konnten. Die Bauten selbst sollten untereinander verbunden werden: mit einer mehr als einhundert Meter langen Reihe dorischer Säulen, überdacht mit einfachem, zurückhaltendem Gebälk. Es ging also um bescheidene Kolonnaden, dezent gestaltet, funktional gleich in mehrfacher Hinsicht: als Begrenzung der Außenräume vor den Ausstellungshäusern, als Abschottung intimer, parkartiger Bereiche vom Straßenraum und als Schutz vor der Witterung, durchaus mit hoher Aufenthaltsqualität.
Mondäne Stadtmöbel mit Werbewirkung
Mit reichlich Verzögerung gingen 1880 die Bauarbeiten los. Die Kolonnadenreihe begann auf Höhe des Neuen Museums, querte die Insel in östlicher Richtung, umspannte den Vorplatz der Nationalgalerie, bog vor der Brücke fast im rechten Winkel nach Norden und durchlief beinahe das gesamte aufgemauerte Ufer. Von hier aus hatte man freien Blick auf die gegenüberliegende Spreeseite, wo sich damals der kreisrunde Bau der Berliner Börse befand (auf der Freifläche zwischen Fluss und dem heutigen Hackeschen Markt).
Drei markante Pavillons, mit ihren Dachaufbauten höher als die Kolonnaden selbst, unterbrachen das Säulenspalier. Ein eigenes Beleuchtungskonzept machte das Gelände auch nach Einbruch der Dunkelheit zugänglich: man stellte zwei fünfarmige, zwei zweiarmige, 14 einflammige Kandelaber auf und verschraubte 20 „Wandarme“ mit dem Mauerwerk der Bauten. Die städtische Gasanstalt erkannte in den mondänen Stadtmöbeln gleich die Werbewirkung und lieferte das Gas für die Beleuchtung umsonst – offenbar ein Projekt mit Prestige und Vorzeigeeffekt für den Rest der massiv wachsenden Metropole, die damals unaufhaltsam die 2 Millionen-Einwohnergrenze überschritten hatte.
Die Kolonnaden zogen nicht nur Museumsbesucher*innen an, sondern entwickelten sich schnell zu einer Attraktion für die gesamte Stadt. Doch während der Publikumsverkehr anwuchs blieb die Versorgung mit Speis‘ und Trank in dieser Ecke von Berlin allenfalls mäßig. Die Geschäftstüchtigkeit in dieser Richtung ließ allerdings nicht lang auf sich warten: ein Kaufmann namens Wilhelm Balbach erkannte die Konsumfreudigkeit der Promenierenden. Im Januar 1881 unterrichtete er die Museumsverwaltung von seiner Idee, in einem der Kolonnadenpavillons eine Trinkhalle einzurichten.
„Ärztlich verordnete Brunnen-Kur am hiesigen Orte“
Balbach dachte wohl an die Bauten des Kurbetriebs in Baden-Baden oder Wiesbaden, vielleicht auch an den Elisenbrunnen im fernen Aachen, der zu Anfang des 19. Jahrhunderts nach Plänen Karl Friedrich Schinkels ausgeführt worden war. In jedem Fall begriff er, dass sich die Attraktivität des Ortes leicht kommerzialisieren ließ. Vergleichbare Erfahrungen machte er tagtäglich, sein Metier war die Bequemlichkeit der Kunden: Balbach verdiente Geld mit der Aufstellung sogenannter „Promenaden-Stühle“, Sitzgelegenheiten, die er an verschiedenen Stellen der Stadt kurzzeitig an müde Spaziergänger vermietete.
Die simple Idee, noch heute in Form der Strandkorbvermietung bekannt, sollte auf der Museumsinsel jedoch durch Getränkeverkauf verfeinert werden. Balbach umriss seine Vision in der Anfrage an die Museumsverwaltung: „Die Aufstellung dieser Trinkhalle projectire ich nicht in dem Sinne, wie die bereits bestehenden Selterbuden, sondern eine solche mit männlicher Bedienung, welche den Zweck haben soll, durch die Verabreichung verschiedener Mineral-Wasser dem Publikum Gelegenheit zu geben, eine ärztlich verordnete Brunnen-Kur am hiesigen Orte zu gebrauchen.“
Interessant ist die Wortwahl: Keine „Selterbude“ also, wie wir sie noch heute in ganz Deutschland kennen, als „Wasserhäuschen“, „Trinkhalle“, „Kiosk“ oder „Büdchen“ mit ihrem proletarischen Charme, wo man die Selter gern durch eiskaltes Export ersetzt – nein, auf der Museumsinsel sollte ein bürgerliches Publikum angezogen werden. Nur an einer anderen Stelle der Stadt gab es damals Vergleichbares: Im Wedding herrschte während der Gründerzeit reger Kurbetrieb rund um den „Gesundbrunnen“, an dessen Existenz nur noch die gleichnamige Bahn-Station erinnert.
1881: Die Architekten lassen sich bitten
Balbach meinte es ernst. Aber die Mühlen der Museumsverwaltung mahlten langsam, einfach war die Genehmigung nicht zu kriegen. Anscheinend fürchteten Kritiker, der „Kurbetrieb“ hätte unangenehme Folgen für die Umgebung. Auch sollten Lagerung der Getränke und Verkauf von den Kolonnaden selbst getrennt werden. Man hätte also einen eigenen Pavillon zu bauen. Doch wie sollte der aussehen?
Die Museumsverwaltung hatte selbst gewisse Vorstellungen von Größe und Gestalt: Die Grundfläche sollte drei auf dreieinhalb Metern umfassen, der Bau aus Holz entstehen und auf der Verkaufsseite mit einem Vordach versehen sein. Auch der renommierte Architekten- und Ingenieurverein von Berlin (AIV) schaltete sich ein: Die Bauaufgabe schien so interessant, dass man ihr eine der damals gängigen „Monatskonkurrenzen“ widmen wollte. Unter jüngeren Architekten, die sich bei diesen informellen Wettbewerben erste Sporen verdienen konnten, schien die Preisfrage allerdings nicht allzu großes Interesse auszulösen. Im Juli 1881 kam genau eine Einreichung. Beim zweiten Versuch im April 1882 schickten sechs Entwerfer ihre Vorschläge. Einige davon befinden sich heute im Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin, darunter vor allem der des Siegers, Emil Hoffmann (1845-1901).
Das Motto seines Vorschlags war eine hübsche Wortschöpfung, die man durchaus als Berliner Humor durchgehen lassen könnte: Hoffmann benannte seinen Entwurf „Sodaliske“. Hinter den opulenten Verkaufstresen mit reichlich Renaissanceornamenten skizzierte er eine entsprechend freundliche Wasserverkäuferin. Das entsprach allerdings streng genommen weder Balbachs bourgeoisem Kurversprechen, noch der angeblich „männlichen Bedienung“ und schon gar nicht einem ärztlich zertifizierten Trinkgenuss. Dennoch waren alle Beteiligten flexibel – und so wurden Hoffmanns Pläne verwirklicht.
Ein Ort für kühlen Trank
Im Juli 1883 begann der Betrieb der Trinkhalle, „probeweise und widerruflich“ – und wie alle Provisorien hatte auch dieses lange Bestand. Erst bekam Balbachs Kiosk einen Gasanschluss, um die Jahrhundertwende sogar einen Keller (wohl als Lager), danach eigenen Strom, sodass der Betrieb fortan ganzjährig erfolgen konnte. Es wechselten die Pächter, es kamen und gingen die Kunden. Als nach 54 Jahren, 1938, der Pachtvertrag auslief, sorgte der Generaldirektor der Museen, Eduard Hanfstaengel, für die Schließung, die sein Vorgänger Wilhelm Waetzold vergeblich vorangetrieben hatte. Begründung: das Interesse der Kundschaft habe stark nachgelassen, die Konkurrenz an fliegenden Händlern sei groß – und ein solventer Pächter nicht in Sicht.
Knappe neunzig Jahre später haben sich diese Rahmenbedingungen erneut verändert. Die Kolonnaden Bar beweist, dass die Museumsinsel – noch und wieder – ein Ort ist, an dem man gern bei kühlem Trank verweilt. Und das auch ohne ärztliche Erlaubnis.
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