Historisch trifft zeitgenössisch – Keramische Epochendialoge im Schloss Köpenick
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Die Ausstellung „Flora, Fauna, Fabelwesen. Malerei auf Keramik“ vereint Arbeiten der Künstlerinnen Grita Götze, Heidi Manthey und Sonngard Marcks im Kunstgewerbemuseum. Kuratorin Claudia Kanowski erklärt an Beispielen die Besonderheit von deren Oeuvre.
Grita Götze, Teller „Rote Paprika“, 2006
Eine feinteilige Ornamentik aus Grotesken, wie sie für die Renaissance-Epoche typisch sind, bedeckt die Telleroberfläche. Grotesken bestehen aus kunstvoll miteinander verwobenen Ranken und Figuren. In der Ausstellung sind historische Beispiele der Renaissance direkt mit den Arbeiten von Grita Götze zu vergleichen. Ihr Teller „Rote Paprika“ gibt sich auf den ersten Blick ganz klassisch mit Frauenmaske, Fruchtgirlanden, Blättern, Rollwerk und Bändern. Ein kleiner Putto sitzt auf einer Ecke der Ornamentik – doch spätestens dann ist man bei näherer Betrachtung irritiert: Der Putto hält in der Linken eine Schnur, an der ein winzig kleiner Astronaut durch die Luft fliegt. Lenkt man den Blick weiter nach links, ist unter einer Krone ein rundes Medaillon zu erkennen. Darin – die zweite Irritation – erscheint die Miniatur-Ansicht von Burg Giebichenstein in Halle (Saale), Sitz der traditionsreichen Kunsthochschule. Die dritte Irritation ist augenfälliger: Kombiniert ist die in Grau und Schwarz gehaltene Ornamentik mit leuchtend roten Paprikaschoten, die so täuschend echt gemalt sind, dass man meint, sie abpflücken zu können.
Die strahlende Leuchtkraft der metalloxidhaltigen Farben entsteht beim Brand der Keramik im Ofen. Durch die Glasur kommt der Glanz hinzu – zwei Charakteristika, die der Malerei auf Keramik eigen sind. In keinem anderen künstlerischen Medium, weder auf Papier, noch auf Holz oder Leinwand, können vergleichbare Effekte erzielt werden.
Der Teller stammt von der Keramikerin Grita Götze (geb. 1959), die in Halle (Saale) lebt und arbeitet. Für ihre keramische Malerei hat sie eine eigene Technik aus Engoben (gefärbten Tonmassen) und Glasuren entwickelt, die in mehreren Arbeitsphasen, partienweise mit Schablonen abgedeckt, aufgegossen und bemalt werden. Neben historisch inspirierten ornamentalen Dekoren hat sie sich verschiedenen Themenkomplexen gewidmet. Von besonderer Wirkung sind ihre ganzflächig mit Naturmotiven – Gräsern, Insekten und Blumen – bemalten schlanken Deckelvasen und Teller.
Studiert hat Grita Götze in den 1980er Jahren an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle (Saale). Zu ihren Kommilitoninnen zählte die Keramikerin und Grafikerin Sonngard Marcks (geb. 1959). Beide haben an der Burg im Fach Keramik-Dekor bei Heidi Manthey (geb. 1929) gelernt, die ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass die moderneFayencemalerei im Kunsthandwerk der DDR eine wichtige Rolle gespielt hat.
Diesen drei Künstlerinnen ist die Sommerausstellung 2021 in Schloss Köpenick gewidmet, der Dependance des Kunstgewerbemuseums. Der Reiz der Präsentation besteht darin, dass die rund 80 zeitgenössischen Keramiken in die Dauerausstellung integriert sind. So können die Besucher*innen sich auf eine Entdeckungstour durch die Epochen begeben. Überraschende Querverbindungen entstehen zu den historischen Exponaten: den geschnitzten Renaissancemöbeln und Wandteppichen, den Fayencen des Barock und den eleganten Raumdekoren der Rokoko-Epoche. Auch die barocken Stuckdecken, eine innenarchitektonische Rarität von Schloss Köpenick, lassen mit ihren täuschend echt gestalteten Früchten, Pflanzen und Figuren mancherlei Bezüge erkennen.
Sonngard Marcks, Zitrone mit Wildbiene, 2019
In der intensiven Beschäftigung mit der Fayencetechnik ist Sonngard Marcks ihrer Lehrerin Heidi Manthey gefolgt. Bei der Fayence besteht die Herausforderung darin, dass in die noch ungebrannte, zinnhaltige Glasur gemalt wird, so dass jeder Pinselstrich sofort in diese einsinkt und nicht mehr zu korrigieren ist. Das erfordert eine sehr sichere Hand. Neben ihrer keramischen Tätigkeit ist Sonngard Marcks auch als Grafikerin tätig. Ganz bewusst stellt sie sich in die Tradition des Barock ein. In der botanischen Präzision ihrer Zeichnungen spiegelt sich etwa ihre Bewunderung für die Naturforscherin Maria Sibylla Merian (1647–1717) wider. Eine Besonderheit ihres keramischen Schaffens sind die Schaugerichte, bei denen gemalte Dekore und plastische Gestaltung ineinander übergehen. Damit knüpft Sonngard Marcks an die sinnesfrohe Tafelkultur des Barock an und übersetzt sie in die Gegenwart.
Heidi Manthey, Daphne und Aktaion, 1974
Zeitlebens hat Heidi Manthey sich mit der antiken Mythologie beschäftigt. Vor allem Ovids Metamorphosen haben sie inspiriert. Bis heute variiert sie bestimmte Motive immer wieder neu. Ausgangspunkt dafür war im Jahr 1972 der Auftrag, das Foyer des Inter-Hotels „Kongreß“ in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) mit einer monumentalen Fayencearbeit auszustatten. Es entstand der „Metamorphosen-Baum“, eine 190 cm hohe Stele, die zugleich figürlich und malerisch gestaltet ist. Die beiden figürlichen Keramiken „Daphne“ und „Aktaion“ aus dem Bestand des Kunstgewerbemuseums gehen auf diese Komposition zurück, haben sich sozusagen verselbständigt. Weniger der ursprüngliche erzählerische Zusammenhang interessiert Heidi Manthey, sondern die fantasievoll-beschwingte Metamorphose als solche. So wird aus der Nymphe Daphne ein Lorbeerstrauch und aus dem Jäger Aktaion ein Hirsch – geformt aus Keramik, bemalt in klassischer Blaumalerei in weißer Zinnglasur.
Die bloße Funktionalität, die Gebrauchsfähigkeit eines keramischen Objekts, spielt für keine der drei Keramikerinnen eine Rolle. Vielmehr sind künstlerische Individualität (unbeirrt vom schnelllebigen Zeitgeist) und handwerkliche Qualität bestimmend für ihr Schaffen. Teekannen werden zu kleinen Bildwerken auf Sockeln, Vasen zu Plastiken und Teller zu Wandobjekten.
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