Kulturgeschichte des Porzellans: Tee, Kaffee und Schokolade
Lesezeit 4 Minuten
Seit März 2019 ist die Porzellan- und Fayencesammlung des
Kunstgewerbemuseums am Kulturforum neu präsentiert. Kuratorin Claudia
Kanowski nimmt sich Zeit und erklärt, was Porzellan mit der Einführung
von Tee, Kaffee und Kakao nach Europa zu tun hat.
Text: Claudia Kanowski
Eine
elegante Dame im morgendlichen Negligé sitzt in kapriziös-verdrehter
Haltung an einem Beistelltisch mit Delphinfuß und schenkt sich Kaffee
ein. Dabei gewährt sie großzügig Einblick in ihr Dekolletee. Das alles
ist im Miniaturformat in Porzellan modelliert und mit feinster Bemalung
staffiert – ein Meisterwerk der Porzellanplastik des Rokoko, entstanden
um 1765 in der württembergischen Porzellanmanufaktur Ludwigsburg.
Zu
sehen ist die Porzellangruppe in der neu eingerichteten Porzellan- und
Fayenceabteilung des Berliner Kunstgewerbemuseums am Kulturforum. Die
thematische Gliederung der Neupräsentation erzählt viele Geschichten:
Wie das Porzellan seinen Weg von China nach Europa fand, wie die
Fayencekünstler in Holland und dem restlichen Europa das Porzellan
nachahmten, wie opulent die frühen Meißener Porzellane daherkommen – und
auch, für welche Lebenswelten und Kunden das Porzellan damals bestimmt
war. Nicht umsonst galt es als das „weiße Gold“, war es doch damals so
teuer und exklusiv, dass nur Fürsten und die Hocharistokratie es sich
leisten konnten.
Die „Kaffeetrinkerin“ gibt eine authentische
Vorstellung von genau jener Klientel. Beim genauen Betrachten der
Porzellanfiguren erfährt man viel über die Lebenswelten, Beschäftigungen
und Moden der Aristokratie zwischen 1740 und 1780.
Intensivierung des Welthandels
So
war auch der Genuss von Kaffee, Tee und Schokolade im 18. Jahrhundert
nur den Wohlhabendsten vorbehalten – heute für uns eine
Selbstverständlichkeit. Die Einfuhr dieser Heißgetränke nach Europa hing
mit der Intensivierung des Welthandels und dem Kolonialismus zusammen.
Schokolade (aztekisch „xocólatl“ für „bitteres Wasser“ aus den
Kakaobohnen) gelangte im 16. Jahrhundert aus Mittelamerika zunächst an
den spanischen Hof. Tee war im 17. Jahrhundert, neben Porzellan, über
die Handelsbeziehungen mit China nach Europa gekommen. Kaffee
verbreitete sich von Afrika aus über die arabische Halbinsel und das
Osmanische Reich nach Europa. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden
in den Handelsstädten Marseille, Venedig, London und Amsterdam erste
Kaffeehäuser.
Eine europäische Erfindung des 18. Jahrhunderts sind
einheitlich gestaltete Tee-, Kaffee- und Schokoladenservice. Ein
„tête-à-tête“ war für zwei Personen, ein „solitaire“ für eine Person
bestimmt. Dazu gehörten Kanne, Zuckerdose, Sahnekännchen, Tasse mit
Untertasse, Löffel und Tablett.
In der Ausstellung sind kostbare
Beispiele zu sehen. An den kleinen Formaten erkennt man, wie wertvoll
die Heißgetränke damals waren. Gerne wurde bei mehrteiligen Services
auch Porzellan und Edelmetall miteinander kombiniert. So waren Kannen
oftmals aus Silber, teilweise vergoldet.
Jedes Getränk hat seine Kanne
Für jedes der drei Heißgetränke gab es eigene Kannenformen, die sich bis heute – wenn auch weniger exklusiv – tradiert haben. Teekannen sind kugelig und haben eine tief angesetzte Tülle, da die Teeblätter nach unten sinken.
Kaffeekannen
sind häufig hoch und birnförmig und haben eine hoch angesetzte Tülle
oder Schnaupe, weil der Kaffeesatz nach oben steigt.
Schokoladenkannen
sind an dem Loch im Deckel zu erkennen. Mit einem Quirl wurde das
Getränk umgerührt, um die Bildung einer Haut zu vermeiden. Von Ostasien übernahm man in Europa henkellose Schälchen („Koppchen“, holländisch „kopje“), fügte aber bald Henkel hinzu.
Interessant an diesem in Meißen gefertigten Koppchen mit Untertasse ist die Malerei. Auf der Untertasse dargestellt sind Chinesen, die von einem Baum exotische Früchte ernten – offenbar Kakaobohnen. Die Form des Koppchens ist aber eindeutig an chinesischen Teeschälchen orientiert. Vorbilder dafür konnten die Meißener Künstler in der Porzellansammlung von August dem Starken in Dresden studieren, die zu den umfangreichsten Sammlungen ostasiatischer Porzellane außerhalb Chinas gehörte. Für den sächsischen Kurfürsten und polnischen König war es ein Triumph, dass die erste europäische Porzellanmanufaktur am 23. Januar 1710 auf sächsischem Boden gegründet werden konnte – doch das ist eine andere Geschichte.
Anfangs
goss man die heißen Getränke zum Abkühlen in die Unterschalen und
schlürfte sie daraus. Dies illustriert sehr schön die Darstellung einer
kaffeetrinkenden Dame.
Die
Originalgrafik wird im Berliner Kupferstichkabinett verwahrt. In der
Porzellanausstellung im Kunstgewerbemuseum bildet eine Reproduktion den
Hintergrund für die verschiedenen Tee-, Kaffee- und Schokoladenservice.
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