„Ich glaube fest daran, dass die Kulturen der Welt verbunden sind“
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Lone Monagen ist Museumsmanagerin und Konservatorin am Nationalmuseum von Botswana. Im Sommer absolvierte sie einen ICOM-Austausch am Museum Europäischer Kulturen. Im Interview erzählt sie, was sie gelernt hat und wie sich die Museumslandschaft in Botswana entwickelt.
Sie haben gerade einen längeren Aufenthalt am Museum Europäischer Kulturen (MEK) absolviert. Was ist Ihr beruflicher Hintergrund und wie lange waren Sie am MEK zu Gast?
Lone Monagen: Ich bin Konservierungswissenschaftlerin und arbeite am Nationalmuseum von Botswana in Gaborone. Im Rahmen des ICOM-Deutschland-Afrika-Austauschs war ich diesen Sommer für einen Monat im MEK.
Was sind Ihre Aufgaben im Nationalmuseum in Botswana?
Ich kümmere mich um Sammlungsmanagement, Restaurierung, Konservierung und die kuratorische Planung von Ausstellungen. In unserem Museum haben wir archäologische, ethnografische und historische Sammlungen und wir arbeiten derzeit an unserer Dauerausstellung und der Renovierung der Museumsgebäude, die ab nächstes Jahr für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Daneben haben wir auch viele Wechselausstellungen zu verschiedenen Themen.
Wie sind Sie zum MEK gekommen?
Ich bin Mitglied des International Council Of Museums, ICOM, und bin auf eine Ausschreibung von ICOM Deutschland gestoßen. Ich war interessiert, also habe ich mich beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, das erfolgreich war – so kam ich hierher und nahm schließlich an dem Austausch im MEK teil.
Lone Monagen (c) SMB / MEK
Was haben Sie während des Austauschs am MEK gemacht?
Der Austausch war eine großartige Gelegenheit zum Lernen. Ich habe mit den Kuratoren des Museums über viele Dinge gesprochen, aber eines meiner Hauptinteressen ist die Digitalisierung. So habe ich viel über die Digitalisierung der Sammlung hier im MEK gelernt. Das ist für mich auch deswegen besonders interessant, weil wir in Botswana derzeit selbst an der Digitalisierung der Sammlung arbeiten. Darüber hinaus habe ich auch etwas über die Sammlung des MEK im Allgemeinen erfahren, wie die Objekte aufbewahrt und gepflegt werden. Ich hatte die Gelegenheit, das Sammlungslager des MEK zu besichtigen und zu erfahren, wie die Sammlungen gepflegt werden und wie die Dokumentation und Katalogisierung funktioniert. Ich war auch im Rathgen Forschungslabor und sprach dort mit Bill Landsberger. Er ist Entomologe und hat in allen Häusern der Staatlichen Museen zu Berlin ein IPM, ein integriertes Schädlingsmanagement, eingeführt. Er zeigte mir sein System, wie es funktioniert und wie die Sammlungen überwacht und vor Schäden durch Nagetiere oder Insekten geschützt werden. Ich konnte aber auch die Chemielabors besichtigen und einen Einblick in die Kulturerbeforschung und die chemische Analyse von kulturellem Material bekommen. Auch das war für mich sehr spannend, zum einen aufgrund meines Chemiestudiums und zum anderen, weil ich meine berufliche Entwicklung in Richtung der Kulturerbeforschung und -erhaltung vorantreiben möchte.
Haben Sie hier am MEK Dinge kennengelernt, die Sie zuhause umsetzen werden?
Ja, es gibt eine Menge zu lernen und umzusetzen. Ich konnte mit den Kuratoren hier ein sehr fruchtbares Gespräch über die Digitalisierung führen, von dem ich zu Hause sicher profitieren werde. In Botswana erweist sich die Digitalisierung unserer Sammlungen als Herausforderung, da zu vielen Objekten Informationen fehlen und es einige Lücken in den Provenienzen gibt. Daher bin ich besonders froh, dass ich einige Tipps erhalten habe, wie ich diese Probleme lösen kann. Die Art und Weise, wie die Sammlungen aufbewahrt werden, die Verwaltung der Unterlagen, die Katalogisierung und die allgemeine Haushaltsführung in den Depots sind Schlüsselelemente der Sammlungsorganisation, die wir anstreben.
Konnten Sie Ihrerseits auch Wissen mit den Berliner Kollegen:innen teilen?
Ja, ich habe die afrikanische Sammlung im Depot des Ethnologischen Museums in Dahlem gesehen, insbesondere einige Objekte aus Botswana, und ich konnte einige der Objekte identifizieren und zusätzliche Informationen über sie vermitteln. Viele Objekte in der Sammlung des Ethnologischen Museums wurden während zweier historischer Expeditionen rund um die Welt erworben, und über einige von ihnen gibt es nur sehr wenige Informationen, so dass ich in der Lage war, das, was ich über die Objekte aus Botswana weiß, mitzuteilen. Die Kurator:innen waren froh, davon zu erfahren, und konnten dem Katalog detailliertere Informationen hinzufügen. Ich erinnere mich insbesondere an ein Objekt, das als namibisches Artefakt ausgestellt war und über dessen Herkunft ich zufällig genauere Informationen hatte, die ich meinen Kolleg:innen hiermitteilen konnte. Ich hoffe dass es hilft, die afrikanischen Sammlungen noch besser verstehen zu können.
Was ist Ihr Fazit nach den vier Wochen, die Sie hier verbracht haben? War es ein guter und fruchtbarer Austausch?
Ich denke, es ist ein gutes Konzept – auch wenn es nur ein paar Wochen waren, habe ich persönlich viel gelernt und einige wichtige Einblicke in die Arbeitsweise von Museen in Europa erhalten. In Botswana sind wir noch nicht auf dem gleichen Stand, was das Sammlungsmanagement und einige andere Aspekte der Museumsarbeit angeht, aber wir arbeiten hart daran und die neuen Erkenntnisse, die ich gewonnen habe, werden uns sehr helfen.
Die Zusammenarbeit zwischen europäischen und afrikanischen Museen und die Idee eines gemeinsamen, globalen Kulturerbes sind in Deutschland gerade ein großes Thema – halten Sie das für den richtigen Weg?
Ich denke schon, und ich glaube fest daran, dass die Kulturen der Welt sehr eng miteinander verbunden sind. Ich hatte zum Beispiel die Möglichkeit, während meines Aufenthalts in Berlin das Museum in Lehde zu besuchen, und ich habe einige sehr faszinierende Ähnlichkeiten zwischen der deutschen historischen Kunst und Kultur und der Art und Weise, wie wir in Botswana leben, festgestellt. Es muss also einen gewissen Austausch gegeben haben, vor allem natürlich während der Zeit des europäischen Kolonialismus, und viele Dinge sind seitdem sowohl in Europa als auch in Afrika üblich. Wir in Botswana wurden von den Briten kolonisiert, deshalb habe ich nicht erwartet, hier in Deutschland viele Gemeinsamkeiten zu sehen, aber es gibt tatsächlich einige. Zum Beispiel haben wir in Botswana etwas, das „German Print“ genannt wird, ein bestimmtes Farbmuster auf Stoff, ein Kleidungsstil. Ich habe mich immer gefragt, warum man das so nennt, aber als ich in Lehde war, habe ich die Textilien gesehen, die die Frauen dort trugen, und es gibt so viele Ähnlichkeiten, das war wirklich faszinierend.
Was halten Sie von der Rückgabe von Gegenständen, die in kolonialen Zusammenhängen nach Europa gebracht wurden?
Ich weiß, dass Deutschland und Namibia eine Vereinbarung über die Rückgabe von Gegenständen getroffen haben, die während der Kolonialzeit entwendet wurden. Und wir in Botswana haben vor kurzem das UNESCO-Übereinkommen über die Rückgabe von Kulturgütern ratifiziert. Ich denke, wir werden jetzt beginnen, mit ausländischen Museen zu verhandeln, die Objekte aus Botswana besitzen. Ein Abkommen könnte sowohl die Rückgabe von Objekten als auch die gemeinsame Eigentümerschaft beinhalten. Ich weiß nicht, welchen Weg wir einschlagen werden, aber ich bin sicher, dass diese Entwicklung viele interessante neue Möglichkeiten mit sich bringt.
Welches ist Ihr Lieblingsobjekt in der Sammlung des MEK?
Ich fand den „Weihnachtsberg“ sehr faszinierend. Es ist eine Art großes Diorama mit Modelllandschaften und mechanischen Figuren, die sich bewegen, und es erzählt die Geschichte von Jesu Geburt und andere berühmte, weihnachtliche Szenen aus der biblischen Geschichte. Es wurde im Erzgebirge in Deutschland geschaffen und ist Teil einer alten Tradition der dortigen Erzgrubenarbeiter. All die mechanischen Figuren und die beweglichen Teile sind sehr interessant, so etwas haben wir in Botswana nicht.
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Viele afrikanische Objekte würden nicht mehr existieren, wenn europäische Fachleute sie nicht gesichert und erforscht hätten. Die bedingungslose Übergabe der Beninbronzen ist ein weiteres Beispiel deutschen Gutmenschentums. Eine Teilung der Bestände wäre angemessen, nachdem diese erst in Europa in ihrer künstlerischen Bedeutung gewürdigt wurden.
Die afrikanischen Objekte wurden im Rahmen der Kolonialisierung, also der gewaltsamen Einnahme fremder Länder mit dem vorrangigen Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung, auch durch Unterwerfung, Vertreibung oder Ermordung der ansässigen Bevölkerung, „gesichert“ bzw. geraubt.
Die Arroganz der Behauptung, dass „diese erst in Europa ihrer künstlerischer Bedeutung gewürdigt wurden“, die den Raub zu legitimieren sucht, zeugt von den Folgen noch immer wirkender kolonialer Strukturen, die letztlich mit Rassismus begründet wurden.
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