Invasion auf der Insel: 75 Jahre Kriegsende auf der Museumsinsel
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Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Berlin erlebte in
den letzten Kriegstagen dramatische Szenen und auch die Berliner Museen
waren mitten im Geschehen. Petra Winter, Leiterin des Zentralarchivs,
über das Kriegsende auf der Museumsinsel und die langsame Rückkehr in
eine völlig veränderte Welt.
Text: Petra Winter
„Im
alten politischen Zentrum Berlins, auf einer Insel, die von zwei Armen
der Spree umflossen wird, waren die Kämpfe besonders schwer. Hier
standen das Stadtschloß, der Dom und die Museen. [….] Am 1. Mai nahm
die 266. Division den nördlichen Teil der Insel ein und besetzte drei
Museen“, so erinnerte sich ein an den Kämpfen im Mai 1945 beteiligter
Generalleutnant der Roten Armee. Der einzige erhaltene
Augenzeugenbericht einer Mitarbeiterin der Museen, von der Archäologin
Gerda Bruns, die die letzten Kriegstage auf der Museumsinsel erlebte,
schließt mit der knappen Mitteilung: „Am Vormittag um ½ 11 Uhr betritt
der erste russische Soldat die Museumsinsel.“
Mit
der Besetzung der Museumsinsel am 1./2. Mai 1945 endete für die
preußischen Museen der Zweite Weltkrieg. Seit dem Beginn des Krieges
1939 waren die Museen geschlossen und ihre Objekte zum Schutz
ausgelagert worden: in Flakbunker in Berlin, in Schlösser ins
Brandenburger Umland und in Bergwerke im Harz und in Thüringen. Doch die
historischen Museumsgebäude waren von den schweren Bombenangriffen auf
Berlin seit 1943 nicht verschont geblieben. Zuletzt hatte noch ein
Tagesangriff am 3. Februar 1945 die Häuser auf der Museumsinsel so stark
beschädigt, dass im Sommer 1945 vor allem die Sicherung der Substanz
auf der Tagesordnung stand, um die in den Häusern verbliebenen
Kunstwerke zu schützen. Das Dach des Südflügels des Pergamonmuseums war
durch Bombentreffer zerstört worden und die fest eingebauten
archäologischen Großarchitekturen wie das Markttor von Milet, die
babylonische Prozessionsstraße, das Ischtartor und die Fassade des
Wüstenschlosses Mschatta hatten nicht nur Treffer erlitten, sondern
waren nun auch der Witterung ausgesetzt.
Der weltberühmte Fries des Pergamonaltars befand
sich allerdings nicht mehr im Museum, er war in den Flakbunker am Zoo
gebracht worden, wo er zwar unversehrt den Krieg überstand, ihn aber ein
anderes Schicksal ereilte. Schon wenige Tage nach Kriegsende setzte
eine beispiellose Beschlagnahmeaktion der sowjetischen Trophäenbrigaden
ein. Sie konzentrierte sich vor allem auf die Gebäude in den späteren
West-Sektoren Berlins, die ab Juli von den Amerikanern, Briten und
Franzosen übernommen werden sollten. Während die Museumsinsel im
sowjetischen Sektor lag, befand sich der Zoobunker im späteren
britischen Sektor, einige andere Museen und auch der Standort Dahlem im
amerikanischen Sektor. Eine Rechnung der Firma Philipp Holzmann AG
dokumentiert auf makabre Weise den Verlust eines der bedeutendsten
Kunstwerke der Berliner Museen: Der Generalverwaltung der Museen wurde
mit Datum vom 13. Juli 1945 der „Abtransport des Pergamon-Altars“ in
Rechnung gestellt: „Abnehmen, Verpacken und Herunterschaffen der reichen
figürlichen Marmorteile“. Ein Jahr danach, im Juni 1946, schickte
Philipp Holzmann eine Mahnung: Die Rechnung sollte eigentlich von der
russischen Kommission bezahlt worden sein, was offenbar nicht geschehen
war.
Im
heutigen Gropiusbau, wo sich damals die Ostasiatische Kunstsammlung
befand, der Vorgänger des heutigen Museums für Asiatische Kunst, wurde
nach Augenzeugenberichten fast die gesamte ostasiatische Kunstsammlung
„nach Friedrichsfelde von den Russen sichergestellt“. Die Objekte wurden
zunächst im Hauptquartier der Sowjetischen Besatzungsmacht in
Berlin-Karlshorst, auf dem Gelände des Zentralviehhofes und im Schloss
Friedrichsfelde zwischengelagert, bevor sie mit Güterzügen nach Moskau
und Leningrad transportiert wurden. Bis heute gelten 90 % der Sammlung
als Kriegsverlust, die Objekte befinden sich als sogenannte „Beutekunst“
in der Eremitage in St. Petersburg sowie im Moskauer Puschkin-Museum.
Die
schwierigen Verkehrsverhältnisse in der von den Häuserkämpfen der
letzten Kriegswochen gezeichneten Stadt behinderten die Rückkehr vieler
Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz. Ende Mai berichtete Walter
Krickeberg, kommissarischer Leiter des Völkerkundemuseums in der
Prinz-Albrecht-Straße (heute Niederkirchnerstraße), man rechne damit,
„daß in Kürze weitere Beamte, Angestellte und Arbeiter sich an den
Aufräumungsarbeiten und Aufbauarbeiten beteiligen. Sie werden daran z.T.
durch die weiten Anmarschwege gehindert, die vor Instandsetzung der
Verkehrsmittel kaum bewältigt werden können (mehrere wohnen z.B. in
Potsdam); […] Ich selbst gehöre zu ihnen, denn ich wohne in
Wilhelmsruh und habe 2 ½ – 3 Stunden Anmarschweg, so daß ich in der
Regel zwei Tage hintereinander Dienst tue (mit Übernachtung im Museum)
und dann einen Tag zu Hause bleibe.“ Abschließend stellte er – ganz der
preußische Beamte – fest: „Sobald der Bahnverkehr wieder einigermaßen in
Gang gekommen ist, wird selbstverständlich der tägliche Dienst wieder
zur Pflicht jedes einzelnen.“
Die
im Sommer 1945 vorgenommene Bestandsaufnahme zum Zustand der Museen war
vernichtend: Kein Gebäude in der Stadtmitte war auch nur in einem
annähernd befriedigenden Zustand, geschweige denn war an eine baldige
Wiedereröffnung für Besucher zu denken. Sogleich setzten Überlegungen
ein, welche Alternative es zur zerstörten Museumsinsel geben könnte. Nur
das Gebäude in Dahlem, das von Wilhelm von Bode seinerzeit als
Asiatisches Museum geplant und nach dem 1. Weltkrieg nur als Magazinbau
vollendet wurde, war verhältnismäßig gut erhalten. Während die einen nun
vom grünen arkadischen Museumsstandort in Bodes Tradition träumten,
argumentierten andere dagegen: Dahlem „liegt zu exzentrisch in einem
verhältnismäßig dünn bevölkerten Stadtteil, weit abgelegen von den
Bezirken, in denen die erwünschtesten Museumsbesucher wohnen.“ Otto
Kümmel, Generaldirektor und Direktor des Völkerkundemuseums bis 1945
sollte zunächst recht behalten, der Wiederaufbau der Museumsinsel wurde
in Angriff genommen. Doch die politische Spaltung der Stadt Berlin Ende
1948 führte auch zur Teilung der Berliner Museen und Dahlem wurde nun
zur neuen Museumsinsel von West-Berlin. Formal endete der Zweite
Weltkrieg für die Museen am 2. Mai 1945, aber es begann eine lange
Nachkriegszeit, die bis zur Zusammenführung der „Zwillingsmuseen“ im
Zuge der deutschen Wiedervereinigung andauerte.
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