Lieblingsstücke des Generaldirektors: Die Madonna in der Kirche

Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Direktor der Gemäldegalerie, stellt hier seine eigenen Lieblingsstücke aus der Gemäldegalerie vor. Dazu gehört Jan van Eyck`s „Die Madonna in der Kirche“.
Sie ist herrlicher als die Sonne und übertrifft alle Sternenbilder. Verglichen mit dem Licht hat sie den Vorrang“ lautet die übersetzte Inschrift auf dem Mantelsaum Marias, die das apokryphe Buch der Weisheit 7,29 des Alten Testaments zitiert. Übergroß und wie schwebend erscheinen die Gottesmutter und ihr Kind im Hauptschiff einer lichtdurchfluteten gotischen Kathedrale. Alles strahlt, glüht, funkelt und glitzert wie Edelstein: Mit einzigartiger Kunstfertigkeit gelingt es Jan van Eyck, seinen Farben eine so intensive Leuchtkraft zu verleihen, dass das gesamte Bildtäfelchen in beispielloser Brillanz erstrahlt.
Licht, zugleich Gottessymbol und Sinnbild der Jungfrau Maria, hat herausragende Bedeutung. Doch es ist kein Sonnenlicht, das hier erstrahlt, denn bei der üblichen Ausrichtung des Kirchenchores nach Osten ist dieses von Norden kommende Licht das göttliche Licht, das ewige Licht. Das Göttliche ist präsent und Maria mit dem Kind sind eine in göttliches Licht getauchte Vision. Realität und Sphärisches sind kaum zu unterscheiden.


Im Rücken Marias rahmen zwei brennende Kerzen eine Marienskulptur, die wie ein Abbild der in der Kathedrale stehenden Maria wirkt. Weit oben im Chorraum schwebend wacht schützend über bunt gewandeten Engeln ein Kruzifix. Skulptur wird Vision: Jesus, vorne als Baby in den schützenden Armen seiner Mutter, sieht seinen Opfertod voraus. Auch das Gemälde öffnet dem Betrachter den Blick in eine ferne Welt, gleichzeitig wirklichkeitsnah und doch der Wirklichkeit entrückt. Erwin Panofsky nannte es eine Betrachtung wie durch ein Mikroskop und Teleskop zugleich.
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