Moderne trifft auf Gegenwart: Museum Berggruen in China
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Das Museum Berggruen in Charlottenburg wird für mehrere Jahre saniert – Anlass, seine spektakuläre Sammlung auf eine Tournee durch die ganze Welt zu schicken. Nach zwei Stationen in Japan weilen die Kunstwerke derzeit in Shanghai und treffen dort auf spannende Architektur – und großes Interesse.
Das UCCA Edge in Shanghai ist ein zeitgenössischer Architekturraum aus Spiegelfassaden und Sichtbeton – und beherbergt eines der neuesten Ausstellungshäuser für Gegenwartskunst in China. Auf drei Etagen, zwischen Büroräumen und mit direktem U-Bahn-Anschluss, zeigt man hier zeitgenössische wie auch moderne Kunst. Vor dieser Kulisse werden seit Juni 2023 92 Highlights der Moderne aus der Sammlung des Museum Berggruen präsentiert: Die Ausstellung „Modern Time: Masterpieces from the Collection of Museum Berggruen / Nationalgalerie Berlin“ umfasst Werke von Paul Cézanne, Pablo Picasso, Henri Matisse, Paul Klee und Alberto Giacometti und wurde von Klaus Biesenbach, Gabriel Montua und Veronika Rudorfer kuratiert. Die Besucher:innen der Schau können auf den drei Stockwerken des UCCA Edge eine Zeitreise antreten: Mit organischem Ausstellungsdesign und einem spezifischen Lichtkonzept lässt sich ein dynamischer Parcours durch die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts – von 1885 bis 1972 – erleben.
„Wir haben uns für ein chronologisches Ausstellungskonzept entschieden, mit dem wir einen kunsthistorischen Verlauf des 20. Jahrhunderts anhand der Werke aus unserer Sammlung nachzeichnen können“, erklärt Kuratorin Veronika Rudorfer. So werden stilistische und motivische Unterschiede und Gleichzeitigkeiten in der Kunst besonders deutlich, wie sie weiter ausführt. Gabriel Montua, Leiter des Museum Berggruen, ergänzt zum kuratorischen Konzept: „In den Werken spiegeln sich die historischen Entwicklungen und der jeweilige Zeitgeist wider. Am Anfang des 20. Jahrhunderts sehen wir einen Wandel vom Figurativen zum Abstrakten, der dann im Kubismus gipfelt. Gleichzeitig haben Künstler wie Klee oder Picasso immer wieder gegenständlich gearbeitet, auch nach dem Kubismus.“
So bietet die Ausstellung eine spannende Reise durch das bewegte 20. Jahrhundert – ein Konzept, das aufgeht, wie die Besuchszahlen zeigen. „Das große und anhaltende Interesse des Publikums verdeutlicht nicht nur die Begeisterung für die europäische Moderne, sondern zeigt auch die Freude der Bewohner:innen Shanghais nach langen Lockdowns nun endlich wieder Kunst im Original erleben zu können“, sagt Montua. „Wir sind überrascht, wie viele jungen Menschen sich diese teils über 100 Jahre alten Werke anschauen, und wie lange sie sich in einzelne Bilder vertiefen können“, bemerkt Rudorfer.
Von Berlin in die Welt
Doch wie kommt es, dass zentrale Werke aus dem Museum Berggruen derzeit nicht in Berlin-Charlottenburg, sondern in China zu sehen sind? Die Idee, die Werke auf Reisen zu schicken, entstand angesichts der für drei Jahre angesetzten Sanierung des Museum Berggruen. Der so genannte Stülerbau, das Kerngebäude des Museums, muss grundlegend saniert und modernisiert werden. Der Einbau neuer Klimatechnik und von Photovoltaikanlagen sowie die Ertüchtigung des Hauses für die Ansprüche eines inklusiven, zeitgemäßen Museums erfordern tiefgehende bauliche Eingriffe – und leider auch eine komplette Schließung des Hauses.
„Da die Werke vorübergehend nicht mehr für das Berliner Publikum sichtbar sind, wollten wir sie stattdessen Menschen in ganz anderen Regionen präsentieren“, sagt Gabriel Montua. So entstand die Idee einer Tournee der Sammlung, die schließlich ab Herbst 2022 in Tokio und dann Osaka einen sensationellen Auftakt mit beinahe 400.000 Besucher:innen erlebte. „Japan ist ein Land, welches sich bereits mit dem Entstehen der Moderne in Europa für diese Art von Kunst begeisterte und eine lange Tradition von Ausstellungen und Sammlungen moderner Kunst hat“, weiß Montua.
Vorbereitungen trotz Pandemie
China bot sich als zweite Station an: Viele internationale Museen präsentieren dort zurzeit ihre Sammlungen und schaffen so ein großes Interesse an Ausstellungen europäischer Kunst. Außerdem lag es im Sinne der Logistik nahe, mit den Sammlungswerken des Museum Berggruen noch etwas länger in Asien zu bleiben. Die Wahl fiel schließlich auf das UCCA Center for Contemporary Art, an deren Standorten in Shanghai und Peking die Sammlung des Museum Berggruen nun gastiert.
„Um ein so großes Projekt realisieren zu können, ist die perfekte Kommunikation mit den Partnerinstitutionen der Schlüssel“, erzählt Gabriel Montua. So begannen bereits 2019 die Planungen, man nahm Kontakt auf, tauschte sich schriftlich aus und bereitete einen Besuch des deutschen Teams vor Ort vor – doch dann kam Corona. „Die Pandemie stellte uns in der Planung und Durchführung des Projekts vor einige Herausforderungen“, erinnern sich die beiden Berliner Museumsfachleute. „In zahlreichen Videocalls mit dem Team des UCCA wurde alles von der Werkauswahl bis zum Ausstellungsdesign besprochen“, bemerkt Montua. „Das persönliche Kennenlernen mit den Kolleg:innen in Shanghai – nach all den Videocalls – war ein ganz besonderer Moment“, sagt Veronika Rudorfer.
Tournee geht weiter
So gelang es schließlich, die geplante Tournee mit der Ausstellung „Modern Time: Masterpieces from the Collection of Museum Berggruen / Nationalgalerie Berlin“ im Juni 2023 in Shanghai fortzusetzen. Im Herbst 2023 reist die Schau weiter ans UCCA in Peking, wo sie am 10.11.2023 eröffnet wird. Konzept und Werkauswahl bleiben gleich, doch erwartet die Besucher:innen in der chinesischen Hauptstadt ein neues Ausstellungsdesign, das spezifisch auf die Architektur des ehemaligen Fabrikgebäudes, in dem das UCCA dort sitzt, eingeht. Ergänzt wird die Ausstellung zudem durch einen Virtual-Reality-Film, der es den Besucher:innen ermöglicht, das Museum Berggruen in Berlin und die dortige Sammlungspräsentation digital zu durchschreiten.
Nach der Ausstellung in Peking kehren die Werke schließlich nach Europa zurück, wo die Tournee in Paris endet: Ab Herbst 2024 zeigt das Musée de l’Orangerie eine eigens für den Standort konzipierte Ausstellung, die Heinz Berggruen und seine Galerie in Paris sowie seine Sammeltätigkeit in den Blick nimmt. So werden zentrale Werke der Moderne aus der Sammlung des Museum Berggruen trotz der Schließung des Hauses noch viele Menschen erfreuen, bis das Haus in Charlottenburg wiedereröffnen wird.
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