Den Nso’, die im nordwestlichen Grasland des heutigen Kamerun leben, gilt Ngonnso’ Ahnenmutter. Die Gründungsmythen in dieser Region drehen sich um drei Geschwister. Wegen Machtstreitigkeiten soll Ngonnso’ mit ihren Brüdern Nchare Yen und Nditam den Hof ihres Vaters im historischen Rifem verlassen haben. Sie zogen nach Süden und Westen und gründeten die mächtigen Reiche Nso’, Bamum und Mbam. Ngonnso’s Sohn soll Ende des 14. Jahrhunderts der erste fon des Nso’-Reiches gewesen sein. Da die Anführer in dieser Region Fon genannt werden, ist passender von Fontum als von Königtum zu sprechen.
Während der deutschen Kolonialherrschaft in Kamerun 1885 bis 1916, wurden zahlreiche Kulturgüter auf mitunter gewaltvolle Art angeeignet und nach Deutschland verbracht. Eine kürzlich unter dem Titel „Atlas der Abwesenheit. Kameruns Kulturerbe in Deutschland“ erschienene Studie der Université de Dschang und der TU Berlin zeigt, dass sich noch immer 40.000 Elemente materieller Kultur in deutschen Museen befinden. Unter diesen befindet sich eine Figur der Ahnenmutter Ngonnso’. Vor der Aneignung durch die Deutschen soll sich diese Figur im kikav ke wong befunden haben, einem Gewölbe für rituelle Nso’-Objekte in der Bezirkshauptstadt Kumbo. Die genauen Umstände der Aneignung der Ngonnso’ Figur durch den deutschen Oberst Curt von Pavel sind nicht klar.
Von Pavel selbst ist allerdings kein Unbekannter in der Region: Er war Kommandeur der Schutztruppe (1901-1903) und führte Ende 1901 eine militärische Aktion gegen die aufständischen Bafut, eine benachbarte Community im Grasland, an, wobei über 1.000 Bafut von den unter deutschem Kommando stehenden Truppen getötet wurden. Über einen zweiten Einsatz 1902, bei welchem wahrscheinlich auch die Ngonnso’-Figur in seinen Besitz gelangte, schreibt von Pavel im „Deutschen Kolonialblatt“, die „Wirkung der Bestrafung der Bafut […]“ mache sich „auch hier noch geltend“.
Felix Ritter von Luschan (1854-1924), Arzt, Anthropologe, Forschungsreisender, Archäologe und Ethnograph sowie Direktor der afrikanisch-ozeanischen Sammlung des Museums für Völkerkunde in Berlin. Aus der Zeitschrift „Berliner Leben“, Heft 02 (1907). Unbekannter Fotograf
Von Pavel wurde 1903 vom damaligen Gouverneur in Kamerun, Jesko von Puttkamer, beurlaubt und aus Kamerun abgezogen, weil er sich direkten Befehlen wiedersetzt hatte. Die Ngonnso´-Figur befand sich zu dieser Zeit in Curt von Pavels Privatbesitz. Auf Drängen Felix von Luschans, des Leiters der Afrika-Abteilung des Berliner Völkerkundemuseums, schenkte er sie und weitere cultural belongings der Nso’ 1903 dem Museum in Berlin.
In Kamerun lebte die Erinnerung an die Statue und die Figur der Ngonnso´ indes weiter. Seit den 1970er Jahren etablierten sich diverse zivilgesellschaftliche Initiativen um das Erinnern der Ahnin und die Restitution der Statue. Ihr Abbild findet sich heute auf Kleidung, Plakaten und Kalendern. Im Vorhof des Palastes von Kumbo steht seit 2008 eine übergroße Replik und es wird ein regelmäßiges Festival zu ihren Ehren veranstaltet.
Im Jahr 2021 wurden erstmals in einem gemeinsamen Workshop mit Vertreter*innen der Nso’ Community zusammen mit Museumsvertreter*innen und Wissenschaftler*innen aus Deutschland die Ereignisse diskutiert und mit einer Aufarbeitung begonnen. Aus dem Treffen ging klar hervor, dass von Pavels Anwesenheit in Kumbo auch ohne aktive Kampfhandlungen als Ausdruck kolonialer Macht und Gewalt verstanden wurde.
Curt von Pavel als Leiter der Expedition des Schutztruppenkommandos von Kamerun am Tschadsee, 1902 (vordere Reihe, Zweiter von links). Aus: Oscar Zimmermann: Durch Busch und Steppe Berlin 1909, Seite 206. Unbekannter Fotograf
Nach mehreren Jahren des Kontaktes mit Vertreter*innen der Nso’ und der Regierung von Kamerun, wurde im Juni 2022 Seitens der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beschlossen, die Rückgabe der Figur in die Wege zu leiten. Ngonnso’ wird bis zu ihrer Rückführung nach Kamerun nicht mehr öffentlich ausgestellt.
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