Die ganze Welt ist wegen des aktuellen Coronavirus im
Ausnahmezustand – doch Krankheiten und Pandemien gab es schon immer. Wie
gingen die Menschen im Altertum damit um? Im Vorderasiatischen Museum
bewahren wir eine Keilschrifttafel aus Assur (Irak) auf, die uns verrät,
wie starkes Fieber im mesopotamischen Altertum behandelt wurde.
Text: Juliane Eule
Eine
Keilschrifttatfel aus der Sammlung des Vorderasiatischen Museums im
Pergamonmuseum verrät, wie die Menschen im mesopotamischen Altertum mit
Fieber umgingen:
„Wenn starkes Fieber einen Menschen befallen hat, zerstößt du miteinander elikulla-Pflanze, irkulla-Pflanze, amīlūtu-Pflanze, ankinūtu-Pflanze, rote elikulla-Pflanze, Koralle, Rinderkot, vermengst es mit Schwefel, gibst Öl hinzu und vermengst es, dann reibst du ihn damit ein. Das liˀbu-Fieber, welches ihn befallen hat, wird abfallen. (…) Wenn dito: Du nimmst um die Mittagszeit Staub aus dem Schatten und aus der Sonne, zerstößt (…) Staub von der vorderen Türschwelle, Staub vom oberen Türpfosten, Staub von einem Grab und samēdu-Pflanze, vermengst es mit Topföl, in einer Schale aus algamēšu-Stein erhitzt du es über Feuer, du nimmst eine ṣurārû-Eidechse, noch lebend fügst du sie hinzu, wiederholt vergießt du es, folgendes sollst du darüber sprechen: Beschwörung: „Gleichwie die Sonnenhitze heiß ist, gleichwie ein Schatten sich dem lichten Tag, und wie eine Türlaibung sich der anderen nicht nähern kann, soll sich die Krankheit ihm, (…), nicht nähern! Wie über eine Türschwelle mögen sie über ihn hinwegschreiten! Niemand soll sie (= die Krankheit) bekommen! Gleichwie ein Türpfosten weder seinen Weg noch seinen Angelpunkt verlassen kann, so soll die Krankheit nicht fortgelassen werden! Gleichwie ein Toter sich nicht auf seine Seite drehen kann, so soll sich auch die Krankheit nicht herumdrehen.“ Wortlaut der Beschwörung. Sieben Mal rezitierst du sie darüber, dann reibst du ihn ein.“
Diesen Text können wir nur verstehen, wenn
wir uns das mesopotamische Weltbild vergegenwärtigen. Nach der
altvorderasiatischen Ursprungsgeschichte wurden die Götter aus dem
Urstoff der Welt geschaffen. Sie sind deshalb selbst ein Teil dieser
Welt und unterliegen gänzlich deren Prinzipien. Religion und Magie
beruhen auf der Einsicht in die Regeln dieser Welt und bilden eine
Einheit. Magie setzte man ein, um bestimmte Ziele zu erreichen. In einem
Text aus dem 2. Jt. v. Chr. lesen wir Rezepte und eine Beschwörung: „Die
Beschwörung ist nicht meine, sondern die Beschwörung der Götter Ea und
Asalluḫi, es ist die Beschwörung des Beschwörers der Götter, Marduk, sie
haben sie gesprochen und ich wiederhole sie (nur).“
Nur die
Götter selbst haben also die Macht, magische Handlungen und
Beschwörungen wirken zu lassen. Sie vermitteln den Menschen das Wissen
um die Magie, die in sämtlichen Lebensbereichen – vom Nachwachsen
ausgefallener Haare, über die Erlangung von Wohlstand, bis hin zum
Schutz vor Epidemien und Heilung von Krankheiten – ihren Einsatz fand.
Gleichzeitig
sind die Götter aber auch die Ursache allen Übels. Ein Mensch in
Mesopotamien erkrankte entweder, weil eine Gottheit sich von ihm
abwendete und ihn Totengeistern oder Dämonen auslieferte, oder die
Krankheit war Ausdruck des göttlichen Zorns. Der erste Schritt zur
Heilung war daher, durch eine genaue Analyse der jeweils spezifischen
Krankheitssymptome die verantwortliche Gottheit zu identifizieren. War
die verantwortliche Gottheit ausfindig gemacht, konnte sie durch Gebete,
Beschwörungen oder Rituale besänftigt werden. Neben magischen
Behandlungsansätzen kamen aber auch wissenschaftliche Methoden zum
Einsatz. Die Grenzen zwischen Magie und Medizin waren fließend.
Medizinische Therapien wurden magisch begründet, denn es waren die
Götter, die den von Pharmakologen hergestellten Medikamenten ihre
Heilkräfte übertrugen.
Vor diesem Hintergrund ist nun also unser
Rezept gegen starkes Fieber zu deuten. In der begleitenden Beschwörung
beschreiben die Vergleiche zu den Herkunftsorten der Ritualutensilien,
wie die Krankheit fernzuhalten sei. Die Salbe, mit der der Fieberkranke
einzureiben sei, besteht aus dem Staub von verschiedenen Orten des
Übergangs. Hier offenbart sich die Vorstellung, dass Dinge nachhaltig
aufeinander einwirken können, wenn sie irgendwann einmal Kontakt hatten.
Ob das Fieber wohl sank?
Im Ethnologischen Museum zeugen Gegenstände aus Glasperlen von weltweiten Handelsbeziehungen. Vier Perlenschurze aus Amazonien sind derzeit im Bode-Museum ausgestellt –… weiterlesen
Dass die Antike farbenfroh war, ist in der Forschung schon lange Konsens. Doch welche der wissenschaftlichen Erkenntnisse sind einem breiten… weiterlesen
Das Plündern archäologischer Grabungsstätten und der illegale Verkauf der Objekte im Ausland sind ein weltweites Problem. Sven Stienen sprach darüber… weiterlesen
Unsere Webseite verwendet Cookies. Diese haben zwei Funktionen: Zum einen sind sie erforderlich für die grundlegende Funktionalität unserer Website. Zum anderen können wir mit Hilfe der Cookies unsere Inhalte für Sie immer weiter verbessern. Hierzu werden pseudonymisierte Daten von Website-Besuchern gesammelt und ausgewertet. Das Einverständnis in die Verwendung der Cookies können Sie jederzeit widerrufen. Weitere Informationen zu Cookies auf dieser Website finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und zu uns im Impressum.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Kommentare