Rundgang 50Hertz: Visionen, Objekte, Räume
Beim zweiten „Rundgang 50Hertz“ werden wieder junge künstlerische Positionen gefördert. Diesmal spielt das Thema „Raum“ eine wichtige Rolle in den gezeigten Arbeiten.
Text: Zora Block
Welchen Einfluss hat der Raum auf ein Kunstwerk? Diese Frage drängt sich angesichts der Werke auf, die vom 4. bis zum 29. Juli beim zweiten „Rundgang 50Hertz“ ausgestellt werden. Die Schau
ist Teil einer Ausstellungsreihe der Nationalgalerie in Kooperation mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, die junge Positionen zeitgenössischer Kunst in den Mittelpunkt stellt und fördert.
Ana Belén Cantoni, Judith Dorothea Gerke und Timo Hinze beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit „Raum“, dem Raum als Objekt und als werkgestaltende Größe. Während Cantoni ihre Werke am Ausstellungsort entstehen lässt und diesen mit ihrer Kunst einnimmt, erklärt Gerke den Ausstellungsraum zum formverändernden Hilfsmittel, indem sie ihre Fotografien als skulpturale Objekte im Raum begreift. Timo Hinzes Fotografien zeigen computergenerierte Architekturen als Orte von Perfektion und Gleichschaltung sowie die Settings, in denen diese Visionen verkauft werden.
Visionen und Objekte
Der Ausstellungsort wird von Ana Belén Cantoni zugleich als Produktionsort genutzt und so erwächst „arid mass“ (2017) beeinflusst von dem Raum, den es später als Kunstwerk für sich einnehmen wird. Die pastellfarbenen Gipsplatten, in ihren Bruchstücken auf dem Boden zu stillen Formen arrangiert, fransen in den Ausstellungsraum aus. Ein Zentrum des Werks ist zu erkennen, sein getürmter Mittelpunkt, von dem sich, gestützt durch kleine pinke Kuben, die Platten in den Raum verteilen. Ein Ende gibt es nicht. Cantoni lässt die Grenze zwischen Werk und Ort verschwimmen und zieht so den Betrachter in die scheinbar willkürlich angeordneten Strukturen hinein, von denen eine gewisse landschaftliche Unendlichkeit ausgeht. Man kann sich nicht sicher sein, ob man sich schon im Werk befindet oder noch im Ausstellungsraum.
Judith Dorothea Gerke versteht ihre Fotografien als Foto-Objekte. Durch ihre Präsentation im Raum lösen sich die Foto-Arbeiten „In deinen Augen, in deinen Armen“ (2017) aus ihrer Zweidimensionalität und nehmen, gleich Skulpturen, den Raum um sich herum in ihr Wirkungsfeld mit auf. Die Fotografien selber, Nahaufnahmen und unbestimmte Bildausschnitte, die in ihrer Bedeutung verschwimmen, scheinen mehr auf die Haptik des Abgebildeten zu zielen als auf das eigentliche Motiv. Der Betrachter will berühren, muss das Motiv in eine Dreidimensionalität rücken, es wieder zum Objekt machen, um zu verstehen, was er sieht. Das Spiel mit der Raumtiefe, mit den Sehgewohnheiten findet nicht nur im Bild statt, sondern auch auf einer theoretischen Ebene durch die Präsentation der Fotografien als Objekte im Raum.
Wie eigenständig kann ein Ausstellungsraum sein?
Die Fotografien von Timo Hinze zeigen die sterile Trostlosigkeit eines von Wirtschafts- und Technologieunternehmen propagierten Lifestyles, der seinen Konsumenten und Arbeitskräften jegliche Individualität raubt. Ausschnitthaft erzählt Hinze in seiner Fotoserie „Draft“ (2016/2017) von der Austauschbarkeit dieser Visionen von Zukunft, Erfolg und Glück, indem er Szenerien auf Großmessen festhält, Immobilienrenderings abfotografiert oder die durchgestylten Innenräume von Großkonzernen zeigt. Die Orte in Hinzes Bildern versprechen eine optimierte Welt, die immer in der nahen Zukunft liegen wird und in der es keinen Platz für den Einzelnen gibt. Eine Welt, die in Hinzes Fotografien durch die Bildgrenze in Schach gehalten wird und die in starkem Kontrast zu dem Umfeld einer Kunstausstellung steht.
Die Architektur, in denen die drei Künstlerinnen und Künstler ausgestellt werden, wurde eigens von Florian Stirnemann von raumlabor berlin für den Rundgang 50Hertz gestaltet – bestimmt von der Idee, flexibel auf die gezeigte Kunst zu reagieren. Durch die Konzeption einer Pavillonarchitektur, die mit der Kunst in Interaktion steht, wird der Raum in dieser Ausstellung nicht nur künstlerisch verhandelt, sondern auch von kuratorischer Seite aus befragt: Ist der Ort, in dem wir Kunst erleben, Teil der ausgestellten Werke oder schlicht ein Instrument ihrer Darbietung? Wie eigenständig kann der Ausstellungsraum in seiner Erscheinung sein, ohne mit der Kunst in Konkurrenz zu treten? Integriert die Kunst den Ausstellungsraum in ihre Werkerzählung oder stellt sie sich ihm entgegen?
Die Ausstellung „Rundgang 50Hertz“ ist vom 4. bis 29. Juli 2018 dienstags bis sonntags im 50Hertz Netzquartier, Heidestraße 2, 10557 Berlin zu sehen (Eintritt frei).
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