Kunstbibliothek:

„Schätze der Moderne heben“ – Symposium zur Triennale der Moderne

Peter Behrens: Kaufhaus Adam, Ecke Friedrichstr. / Leipziger Str., 1929 © bpk / Kunstbibliothek, SMB

Im Oktober 2019 ist das 100. Jubiläumsjahr des Bauhauses schon fast vorbei – höchste Zeit, noch einmal der Moderne zu huldigen. Genau darum geht es bei dem Symposium „Berlin – Welterbe der Moderne“ am 10. Oktober, Auftaktveranstaltung der „Triennale der Moderne“. Welche ungehobenen Schätze in der Kunstbibliothek zu finden sind, erzählt die Kuratorin Elke Blauert im Interview.

Interview: Ingolf Kern

Frau Blauert, was ist die Triennale der Moderne?
2006 sind sechs Wohnsiedlungen der Moderne in Berlin zu UNESCO-Weltkulturerbestätten ernannt worden. Mit diesem Welterbestatus geht die Verpflichtung einher, sich der Öffentlichkeit langfristig bekannt zu machen. Auf Anregung des damaligen Landeskonservators Jörg Haspel ist die Triennale der Moderne ins Leben gerufen worden. Triennale aus zweierlei Gründen: einmal weil sich drei Welterbestätten des Bauhauses – Berlin, Weimar, Dessau – beteiligen und dann natürlich, weil die Veranstaltung alle drei Jahre stattfindet. Das Triennale-Programm soll in einem größeren Rahmen fortgesetzt werden, indem man sich nicht nur auf die Bauhaus-Zeit beschränkt, sondern auch die Zeit vor dem Bauhaus, also um 1900, und nach dem Bauhaus bis in die 1950er Jahre, beispielsweise Hermann Henselmann und die Stalin-Allee in den Blick nimmt.

Die beiden Triennalen 2013 und 2016 stießen auf enorme Resonanz beim Publikum. Warum interessieren sich die Leute so sehr für moderne Architektur?
Bei der Triennale gibt es einerseits die wissenschaftlichen Veranstaltungen wie Symposien, die wir, die Kunstbibliothek, immer als Auftakt für ein interessiertes Fachpublikum veranstaltet haben. 2013 zur Verlorenen Vielfalt und jüdischen Architekten, 2016 zu Walter Gropius. Aber darüber hinaus haben die Leute natürlich Interesse an der Architektur, in der sie leben, an ihrem Umfeld. Auf dem Programm stehen darum auch diverse Besichtigungen, z.B. in der Hufeisensiedlung, in der Siemensstadt, und die sind immer gut besucht.

Paul Rudolf Henning
Aufnahme des eigenen Wohnhauses
Berlin, Bahnstraße. 19 (heute Buhrowstrraße9), Aufnahme, um 1932
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Repro: Dietmar Katz

Was sind denn die Highlights des Symposium-Programms? Was kann man dort Neues über die Architekturmoderne erfahren?
Die Moderne wird eingeleitet mit Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich; Philipp Gutbrod, der Direktor der Mathildenhöhe in Darmstadt redet über die „Akropolis der Moderne – Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Das Thema hat eine enge Verbindung zu unseren Beständen der Kunstbibliothek, weil wir den Nachlass von Joseph Maria Olbrich haben, immerhin 3000 von ursprünglich 6000 Blatt, die anderen sind im Krieg verlorengegangen. Wir haben auch einen großen Bestand an Architekturzeichnungen von Peter Behrens. Insofern gibt es immer eine Klammer zu unseren Sammlungen, die sich durch das ganze Programm zieht. Das trifft auch auf Peter Behrens Schrift- und Buchkunst zu, über die mein Kollege Michael Lailach referieren wird.
Etwas ganz Neues ist der Beitrag über Peter Grossmann. Wie Peter Behrens für die AEG steht, steht Peter Grossmann für die Firma van Berkel. Da hat er vom Schlafzimmer für den Direktor bis zur Werbegrafik alles gemacht. Die Grossmanns waren eine alte Möbelfabrikanten-Familie aus Aachen. Peter Grossmann hatte eine ganz enge Verbindung zu Mies van der Rohe. Beide sind in Aachen zusammen zur Schule gegangen, waren auf der dortigen Kunstgewerbeschule. Zeitgleich haben sie in Berlin bzw. Neubabelsberg im Büro von Peter Behrens gearbeitet und zeitlebens ein enges Verhältnis gehabt. Peter Grossmann und Mies van der Rohe haben zusammen an der deutschen Botschaft in St. Petersburg gearbeitet. Grossmann hat viel für Mies van der Rohe gezeichnet. Mies van der Rohe wollte ihn gern in die USA holen, aber Grossmann wollte nicht und ist in Berlin geblieben, bis zu seinem Tod 1968.
Außerdem geht es im Symposium um Paul Rudolph Henning, dessen Nachlass haben wir 1987 erworben. Es gab dazu 1991 schon eine kleine Ausstellung. Henning hat hier in Berlin nach der Novemberrevolution mit Erich Mendelssohn und Richard Neutra zusammen das durch die Novemberrevolution schwer beschädigte Verlagshaus Mosse repariert und erweitert. Henning war in erster Linie Bildhauer und er hat theoretische Schriften verfasst wie der „Aufruf Ton“. Henning wollte Glas und Beton mittels Keramik zu mildern. Deswegen haben die Bauten von ihm in der Siemensstadt, die er neben Otto Bartning, Walter Gropius, Fred Forbat, Hugo Häring und Hans Scharoun entworfen hat, an der einen Seite meist Keramikelemente. Der Henning war auch verbandelt mit Peter Behrens und hatte ein unheimlich breites Umfeld. Er war mit Max Pechstein und Georg Kolbe befreundet. Paul Rudolf Henning ist auf jeden Fall ein ungehobener Schatz, einmal, weil die Zeichnungen nicht alle erschlossen sind, und dann natürlich wegen seinem künstlerischen Umfeld. Henning hat beispielsweise ein Relief von Luise Mendelsohn gefertigt. Dieses Relief hat sie zeitlebens immer bei sich gehabt. Er hat auch expressive Plastik modelliert, z.B. von Ferrucio Busoni, der Tänzerin Charlotte Bara, Max Pechstein. Henning hat die Plastiken verkauft – Verbleib unbekannt.

Warum gibt es in der Kunstbibliothek so viele Objekte mit Bezug zur Architektur?
Die Kunstbibliothek hat eine große Architektursammlung – 70 Architektennachlässe finden sich dort. Insgesamt haben wir 50.000 Architekturzeichnungen vom Spätmittelalter bis heute. Wahrscheinlich sogar noch mehr, wir haben noch gar nicht alles erschlossen. Die Kunstbibliothek ist aus der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums hervorgegangen und wurde 1920 eigenständig. Da zum Kunstgewerbemuseum auch die Unterrichtsanstalt gehörte, in der unter anderem auch Architektur gelehrt wurde, wurden Architekturzeichnungen als Vorlagen für die Ausbildung gesammelt. Die Kunstbibliothek hat dann kontinuierlich bis zur Gegenwart weitergesammelt.

Peter Behrens, Titelseite zu Peter Behrens, Feste des Lebens und der Kunst. Buchdruck 1900
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Paul Rudolf Henning
Typenhaus, Einfamilienhaus Typ 3
im Bauhausstil mit Zentralheizung
Einbaumöbel,
1932
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Repro: Dietmar Katz

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