„Schätze der Moderne heben“ – Symposium zur Triennale der Moderne


Im Oktober 2019 ist das 100. Jubiläumsjahr des Bauhauses schon fast vorbei – höchste Zeit, noch einmal der Moderne zu huldigen. Genau darum geht es bei dem Symposium „Berlin – Welterbe der Moderne“ am 10. Oktober, Auftaktveranstaltung der „Triennale der Moderne“. Welche ungehobenen Schätze in der Kunstbibliothek zu finden sind, erzählt die Kuratorin Elke Blauert im Interview.
Interview: Ingolf Kern
Frau Blauert, was ist die Triennale der Moderne?
2006 sind sechs Wohnsiedlungen der Moderne in Berlin zu
UNESCO-Weltkulturerbestätten ernannt worden. Mit diesem Welterbestatus
geht die Verpflichtung einher, sich der Öffentlichkeit langfristig
bekannt zu machen. Auf Anregung des damaligen Landeskonservators Jörg
Haspel ist die Triennale der Moderne ins Leben gerufen worden. Triennale
aus zweierlei Gründen: einmal weil sich drei Welterbestätten des
Bauhauses – Berlin, Weimar, Dessau – beteiligen und dann natürlich, weil
die Veranstaltung alle drei Jahre stattfindet. Das Triennale-Programm
soll in einem größeren Rahmen fortgesetzt werden, indem man sich nicht
nur auf die Bauhaus-Zeit beschränkt, sondern auch die Zeit vor dem
Bauhaus, also um 1900, und nach dem Bauhaus bis in die 1950er Jahre,
beispielsweise Hermann Henselmann und die Stalin-Allee in den Blick
nimmt.
Die beiden Triennalen 2013 und 2016 stießen auf
enorme Resonanz beim Publikum. Warum interessieren sich die Leute so
sehr für moderne Architektur?
Bei der Triennale gibt es
einerseits die wissenschaftlichen Veranstaltungen wie Symposien, die
wir, die Kunstbibliothek, immer als Auftakt für ein interessiertes
Fachpublikum veranstaltet haben. 2013 zur Verlorenen Vielfalt und
jüdischen Architekten, 2016 zu Walter Gropius. Aber darüber hinaus haben
die Leute natürlich Interesse an der Architektur, in der sie leben, an
ihrem Umfeld. Auf dem Programm stehen darum auch diverse Besichtigungen,
z.B. in der Hufeisensiedlung, in der Siemensstadt, und die sind immer
gut besucht.
Aufnahme des eigenen Wohnhauses
Berlin, Bahnstraße. 19 (heute Buhrowstrraße9), Aufnahme, um 1932
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Repro: Dietmar Katz
Was sind denn die Highlights des Symposium-Programms? Was kann man dort Neues über die Architekturmoderne erfahren?
Die Moderne wird eingeleitet mit Peter Behrens und Joseph Maria
Olbrich; Philipp Gutbrod, der Direktor der Mathildenhöhe in Darmstadt
redet über die „Akropolis der Moderne – Peter Behrens und Joseph Maria
Olbrich auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Das Thema hat eine enge
Verbindung zu unseren Beständen der Kunstbibliothek, weil wir den
Nachlass von Joseph Maria Olbrich haben, immerhin 3000 von ursprünglich
6000 Blatt, die anderen sind im Krieg verlorengegangen. Wir haben auch
einen großen Bestand an Architekturzeichnungen von Peter Behrens.
Insofern gibt es immer eine Klammer zu unseren Sammlungen, die sich
durch das ganze Programm zieht. Das trifft auch auf Peter Behrens
Schrift- und Buchkunst zu, über die mein Kollege Michael Lailach
referieren wird.
Etwas ganz Neues ist der Beitrag über Peter
Grossmann. Wie Peter Behrens für die AEG steht, steht Peter Grossmann
für die Firma van Berkel. Da hat er vom Schlafzimmer für den Direktor
bis zur Werbegrafik alles gemacht. Die Grossmanns waren eine alte
Möbelfabrikanten-Familie aus Aachen. Peter Grossmann hatte eine ganz
enge Verbindung zu Mies van der Rohe. Beide sind in Aachen zusammen zur
Schule gegangen, waren auf der dortigen Kunstgewerbeschule. Zeitgleich
haben sie in Berlin bzw. Neubabelsberg im Büro von Peter Behrens
gearbeitet und zeitlebens ein enges Verhältnis gehabt. Peter Grossmann
und Mies van der Rohe haben zusammen an der deutschen Botschaft in St.
Petersburg gearbeitet. Grossmann hat viel für Mies van der Rohe
gezeichnet. Mies van der Rohe wollte ihn gern in die USA holen, aber
Grossmann wollte nicht und ist in Berlin geblieben, bis zu seinem Tod
1968.
Außerdem geht es im Symposium um Paul Rudolph Henning, dessen
Nachlass haben wir 1987 erworben. Es gab dazu 1991 schon eine kleine
Ausstellung. Henning hat hier in Berlin nach der Novemberrevolution mit
Erich Mendelssohn und Richard Neutra zusammen das durch die
Novemberrevolution schwer beschädigte Verlagshaus Mosse repariert und
erweitert. Henning war in erster Linie Bildhauer und er hat theoretische
Schriften verfasst wie der „Aufruf Ton“. Henning wollte Glas und Beton
mittels Keramik zu mildern. Deswegen haben die Bauten von ihm in der
Siemensstadt, die er neben Otto Bartning, Walter Gropius, Fred Forbat,
Hugo Häring und Hans Scharoun entworfen hat, an der einen Seite meist
Keramikelemente. Der Henning war auch verbandelt mit Peter Behrens und
hatte ein unheimlich breites Umfeld. Er war mit Max Pechstein und Georg
Kolbe befreundet. Paul Rudolf Henning ist auf jeden Fall ein ungehobener
Schatz, einmal, weil die Zeichnungen nicht alle erschlossen sind, und
dann natürlich wegen seinem künstlerischen Umfeld. Henning hat
beispielsweise ein Relief von Luise Mendelsohn gefertigt. Dieses Relief
hat sie zeitlebens immer bei sich gehabt. Er hat auch expressive Plastik
modelliert, z.B. von Ferrucio Busoni, der Tänzerin Charlotte Bara, Max
Pechstein. Henning hat die Plastiken verkauft – Verbleib unbekannt.
Warum gibt es in der Kunstbibliothek so viele Objekte mit Bezug zur Architektur?
Die Kunstbibliothek hat eine große Architektursammlung – 70
Architektennachlässe finden sich dort. Insgesamt haben wir 50.000
Architekturzeichnungen vom Spätmittelalter bis heute. Wahrscheinlich
sogar noch mehr, wir haben noch gar nicht alles erschlossen. Die
Kunstbibliothek ist aus der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums
hervorgegangen und wurde 1920 eigenständig. Da zum Kunstgewerbemuseum
auch die Unterrichtsanstalt gehörte, in der unter anderem auch
Architektur gelehrt wurde, wurden Architekturzeichnungen als Vorlagen
für die Ausbildung gesammelt. Die Kunstbibliothek hat dann
kontinuierlich bis zur Gegenwart weitergesammelt.

© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Typenhaus, Einfamilienhaus Typ 3
im Bauhausstil mit Zentralheizung
Einbaumöbel,
1932
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Repro: Dietmar Katz
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