Spuren der Vergangenheit: Glasurziegel im Pergamonmuseum
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Etwa 3000 unerforschte Glasurziegel aus dem antiken Assur (Irak) befinden sich seit 1926 im Pergamonmuseum. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Forschungsteam untersucht die Archäologin Helen Gries die Objekte derzeit erstmals.
Text: Helen Gries
Seit 1926 bewahrt das Vorderasiatische Museum rund 3.000 assyrische Glasurziegel und Fragmente solcher auf, die bis heute weitgehend unerforscht sind. Was aber hat es mit diesen Ziegeln auf sich? Gefunden wurden sie zwischen 1903 und 1914 in Assur (Irak) bei den Grabungen des deutschen Archäologen und späteren Direktors des Vorderasiatischen Museums, Walter Andrae, und seines Teams. Nach einer Fundteilung 1908 gelangten sie 1926 schließlich nach Berlin. Der schlechte Erhaltungszustand der Ziegel verhinderte lange Zeit eine wissenschaftliche Erforschung. Neue Techniken und eine umfangreiche Restaurierung, insbesondere der empfindlichen Glasuren, im Zuge der Generalsanierung des Pergamonmuseums machen dies jetzt erstmals möglich. Seit 2019 widmet sich ein Team aus Archäologinnen, Chemikerinnen, Restauratorinnen und 3D-Spezialistinnen, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, nun der Aufgabe, die Glasurziegelfassaden zu rekonstruieren.
Die einst leuchtend bunten Ziegel stammen aus der neuassyrischen Zeit und sind zwischen dem 9. und dem frühen 7. Jh. v. Chr. entstanden. Sie schmückten die Höfe des Assur-Tempels, das Heiligtum des wichtigsten Gottes Assur. Die assyrischen Glasurziegel sind damit älter als die berühmten Glasurziegel des Ischtar-Tores und der Prozessionsstraße (spätes 7./6. Jh. v. Chr.), deren Rekonstruktionen seit 1930 eines der Highlights der Museumsinsel sind. Im Gegensatz zu den babylonischen Glasurziegeln mit ihren figürlichen Einzelelementen zeigen die assyrischen Glasurziegeldekore häufig bildliche Erzählungen. Die Fassaden weisen eindeutige Parallelen zu den bekannten Reliefs der assyrischen Paläste auf. So werden Kriegszüge detailliert wiedergeben. Es ist das assyrische Heer in schwierigem Gelände zu sehen, sowie brennende, feindliche Städte und die Feldlager der Assyrer. Daneben finden sich auch Götter sowie Kult- und Ritualszenen.
Neue Methoden erlauben es uns jetzt, diese Ziegel eingehend zu untersuchen. So können durch den Einsatz von UV-Licht die stark verblassten Darstellungen teilweise wieder sichtbar gemacht werden. Darauf aufbauend werden die Fassaden zuerst digital zusammengesetzt und dann die Darstellungen rekonstruiert. Chemische Analysen geben Auskunft über die Zusammensetzung der Glasuren. Anhand dieser können nicht nur Aussagen zur Herstellungstechnik und den verwendeten Rohstoffen getroffen werden, sondern diese ermöglichen es uns auch, die ursprüngliche Farbigkeit der Glasuren herauszufinden. Eine erste Auswertung der Analysen ergab, dass in Assur nur die Farben Blau-Grün, Gelb-Orange, Schwarz und Weiß vorkommen. Rot und ein intensives Blau, wie es die Glasurziegel aus Babylon zeigen, fehlen hingegen vollständig im Farbspektrum. Rote Glasuren sind extrem schwierig herzustellen und kommen in Mesopotamien nur sehr selten vor. Das intensive Blau, zum Beispiel am Ischtar-Tor in Babylon, verwendet Kobalt als Färbemittel und dieses scheinen die Assyrer nicht genutzt zu haben – möglicherweise war ihnen der Rohstoff nicht zugänglich.
All diese Ergebnisse fließen in eine visuelle dreidimensionale Rekonstruktion der Ziegelfassaden aus Assur ein. Weiterhin wird ein Konzept entwickelt, um einige Glasurziegelfassaden in der Ausstellung des Vorderasiatischen Museums zu präsentieren. So wird es in Zukunft für die Besucher*innen des Pergamonmuseums möglich sein, die assyrischen Glasurziegeldekore in ihrer ursprünglichen Farbigkeit und ihrem architektonischen Kontext zu erleben.
Das GlAssur-Projekt wird vom Vorderasiatischen Museum in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut und dem Rathgen-Forschungslabor durchgeführt. Hier geht es zur Webseite des DFG-Projekts “GlAssur”.
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