Teil der europäischen Kultur: Werke aus dem Odessa-Museum in Berlin

Zwölf Werke aus dem ukrainischen Odessa Museum werden derzeit in der Gemäldegalerie gezeigt. Sie sind Vorboten einer großen Kooperationsausstellung in 2025. Direktor Igor Poronyk spricht über Perspektiven seines Museums in Kriegszeiten.

Interview: Sven Stienen

Als Vorgeschmack auf eine kommende große Ausstellung in 2025 werden in der Gemäldegalerie derzeit zwölf Werke aus dem Odessa Museum für westliche und östliche Kunst gezeigt. Was sind das für Werke und warum wurden sie ausgewählt?

Die Ausstellung von Meisterwerken des Odessa Museum für westliche und östliche Kunst in der Berliner Gemäldegalerie, als einem der wichtigsten Museen in Berlin, ist ein bedeutendes Symbol der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Es verweist nicht nur auf die Kooperation auf dem Gebiet der Erhaltung und Förderung des kulturellen Erbes der Welt, sondern auch auf die generelle Unterstützung der Ukraine während des Krieges.

Die zwölf Kunstwerke, die jetzt gezeigt werden, tragen wie die zwölf Apostel die Nachricht über die kommende Hauptausstellung und ihre Zusammensetzung. Sie vermitteln eine Vorstellung von den Ländern und der Entstehungszeit der Gemälde sowie von der Vielfalt der Malschulen und Autoren, die wir zeigen werden. Die Auswahl der Werke erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen Experten aus Berlin und Odessa.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Berliner Kolleginnen und Kollegen bisher erlebt?

Ich bedanke mich herzlich bei meinen deutschen Kollegen, den Restauratoren und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für ihre professionelle Unterstützung bei der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der ersten Etappe des Projekts.

Ich bin begeistert von der Ausstellung – professionelle Beleuchtung, schöne Rahmen, exquisite Wandfarbe, Beschriftung, Ausstellungsbetreuung – alles hat gestimmt.

Welche Bedeutung haben das Odessa Museum für westliche und östliche Kunst und seine Sammlung für die kulturelle Identität der Ukraine?

Das Museum besitzt eine der vielfältigsten und wertvollsten Sammlungen westeuropäischer Gemälde des 16. bis 20. Jahrhunderts in der Ukraine. Die Sammlung enthält Werke von so berühmten Künstlern wie Francesco Granacci, Bernardo Strozzi, Caravaggio, Tintoretto, Roelant Savery, Cornelis de Heem, Frits Thaulow und ist ein Teil des europäischen kulturellen Erbes und ein Bestandteil der kulturellen Identität der Ukraine.

Derzeit befinden sich 74 Hauptwerke der Sammlung des Odessa Museum für westliche und östliche Kunst in der Gemäldegalerie, wo sie unter kunsthistorischen und konservatorischen Gesichtspunkten analysiert werden. Was genau geschieht mit den Gemälden? Wurden die Gemälde während der russischen Militärinvasion und der Evakuierung beschädigt?

Am Anfang des Krieges wurden die wertvollsten Gemälde an einen sicheren Ort evakuiert. Die Lagerbedingungen entsprachen jedoch nicht den Anforderungen für die Aufbewahrung von Museumsobjekten dieses Niveaus. So waren einige der Container mit den Gemälden teilweise von Schimmel befallen. Um die Gemälde zu konservieren, wurden sie mit neuem Verpackungsmaterial wieder eingepackt und in neue Container geladen, in denen sie nach Berlin transportiert wurden.

Die deutschen Restauratoren untersuchten die Gemälde sorgfältig und führten die notwendigen Konservierungsmaßnahmen für ihre weitere Erhaltung und Ausstellung durch.

Gleichzeitig wurden in Zusammenarbeit mit Experten unseres Museums Forschungsarbeiten durchgeführt.

Die Kunstwerke in der Gemäldegalerie werden für eine große Ausstellung in 2025 vorbereitet. Was wird die Besucher dort erwarten?

Die Besucher der Ausstellung werden die Möglichkeit haben, Arbeiten von Künstlern aus der Sammlung des Odessa Museum für westliche und östliche Kunst zu sehen, die der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannt waren und deren Werke nun in der Dauerausstellung der Gemäldegalerie präsentiert werden. Außerdem können die Besucher das kulturelle Erbe der Ukraine als Teil der europäischen Kultur entdecken und Meisterwerke der Malerei des 16. bis 19. Jahrhundert kennenlernen.

Welche Zukunftsperspektive sehen Sie derzeit für das Odessa Museum für westliche und östliche Kunst und seine Sammlung? Was bedeutet es für das Museum, dass viele der Hauptwerke nun in anderen europäischen Museen gezeigt werden?

Trotz des Kriegszustandes in der Ukraine setzen die Mitarbeiter des Museums ihre wissenschaftliche, publizistische, restauratorische und ausstellungsbezogene Arbeit fort.

Am 8. Juni 2024 feiert das Museum sein 100-jähriges Jubiläum. Da wir nicht in der Lage sein werden, die Hauptausstellung wiederherzustellen, wird es eine Ausstellung geben, die den Personen gewidmet ist, die das Museum und sein modernes Gesicht geschaffen haben: den berühmten Künstlern Theophilus Fryerman und Oleg Sokolov.

Es ist eine gute Sache, dass die wertvollsten Gemälde aus unserer Museumssammlung jetzt, während der russischen Angriffe, in sicheren und wunderbaren europäischen Museen ausgestellt werden. Das dient dem Image der Ukraine als europäischer Staat und steigert auch die Bekanntheit des Odessa Museum für westliche und östliche Kunst.

Wir hoffen jedoch, dass die Gemälde nach der Europatournee endlich in ihr Heimatmuseum zurückkehren und die Besucher im friedlichen, wohlhabenden Odessa der Nachkriegszeit erwarten werden.