Berlin hat einen neuen Flughafen, doch müssen die meisten Flieger derzeit am Boden bleiben. Auch das Kupferstichkabinett musste kurz nach Eröffnung der Ausstellung „Wir heben ab! Bilder vom Fliegen von Albrecht Dürer bis Jorinde Voigt“ wieder in den Lockdown gehen. Bis zur Wiedereröffnung laden wir zu Gedankenflügen ein.
Text: Anna Pfäfflin
Lange bevor es Flugzeuge gab, sah der Mensch am Himmel herumschwirrende Vögel, Insekten oder Fledermäuse. Kraniche galten immer schon als Vögel des Glücks. Verschiedene Fluggesellschaften haben den Kranich zu ihrem Symbol gewählt, darunter seit 1926 die Deutsche Lufthansa.
Im 18. Jahrhundert gab es einen regelrechten Boom an Enzyklopädien. In wissenschaftlichen Publikationen wurde versucht, die Welt zu ordnen. Der Nürnberger Miniaturmaler Johann Daniel Meyer nahm sich hier eine Zweifarbfledermaus vor. Sie faszinierte ihn ganz besonders und zwar, weil sie eine Art Zwischenwesen darstellt: Sie ist Vogel und Säugetier zugleich.
Ein fliegendes Wesen in menschlicher Gestalt? Das kann nur ein Heiliger oder eine Heilige sein. Bei Dürer wird die Himmelfahrt Christi dargestellt. Nur seine Füße sind am oberen Bildrand noch zu erkennen.
Will der Mensch fliegen, kann das nur schief gehen – davon war man einst überzeugt. Der Himmel war den Göttern vorbehalten. Wer dieses Gebot missachtete, musste mit Strafe und Absturz rechnen. Ikarus erlitt dieses Schicksal. Trotz der Warnungen seines Vaters schwang er sich mit seinen aus Wachs und Federn gebauten Flügeln so hoch hinauf in die Lüfte, dass er der Sonne zu nah geriet. Es kam, wie es kommen musste: Das Wachs schmolz, die Flügel zerbrachen, Ikarus stürzte ab.
Wer kein Gott ist und dennoch fliegen kann, steht mit dem Teufel im Bunde. Oder er ist es sogar selbst. Der französische Künstler Gustave Doré zeigt Satan im Anflug auf das Paradies. Sein Flügel wirft bereits einen Schatten auf die Erde. So soll das Böse in die Welt gekommen sein.
Schaukeln ist ein Flugsimulator für Jeden. Für einen Augenblick erlebt man, wie es ist, zu fliegen. Max Klingers Schaukelnde steht für einen Moment in der Luft, sie ist am Umkehrpunkt, gleich wird sie fallen um dann wieder aufzusteigen. Es kribbelt im Bauch.
Abstrakt und irgendwo im Raum, eingespannt zwischen oben und unten, balanciert der Seiltänzer von Paul Klee. Menschen im Trapez befinden sich wie Schaukelnde in einem unbestimmten Zwischenraum: Sie schweben nicht und sind doch dem festen Erdboden entrückt.
Wenn wir vom Fliegen träumen, dann selten davon, in einem großen Flugzeug zu sitzen. Vielmehr geht es um die individuelle Fortbewegung im dreidimensionalen Raum: vor und zurück, nach links und rechts, hinunter und hinauf. Künstler wie Leonardo da Vinci um 1500, Francisco de Goya 1815 oder Panamarenko in den 1970ern haben über die Jahrhunderte hinweg immer neue Konstruktionen für solche individuellen Flüge erfunden.
Zeitalter der Aufklärung: Auszug der Götter aus dem Himmel. Jetzt erst können die Menschen in die ihnen bislang unbekannte Sphäre vordringen. Montgolfieren und Heißluftballons gehörten zu den Ersten am Ende des 18. Jahrhunderts. Als erste „Luftschifferin“ galt Wilhelmine Reichardt. Gemeinsam mit ihrem Mann baute sie einen Gasballon, mit dem sie 1810 in Berlin startete. 1820 begeisterte sie mit Ihrem Flug übers Münchner Oktoberfest zahlreiche Schaulustige.
Seit es Flugzeuge gibt, hat sich auch der Krieg verändert. Otto Dix zeigt ein von Fliegerbomben zerstörtes Haus. Es ist das Bild einer großen, beklemmenden Wunde. 1894 ging Otto Lilienthal, einer der Pioniere der Fliegerei, noch davon aus, dass mit der Luftfahrt „die Grenzen der Länder ganz ihre Bedeutung verlieren, weil man dieselben bis in den Himmel nicht absperren kann. Man kann sich kaum vorstellen, dass […] Kriege dann noch möglich sind“. Wir sehen heute, dass sich Lilienthals friedvolle Vision nicht erfüllt hat. Das Fliegen ist ambivalent. Flugzeuge können tödliche Waffen sein, ihre Abgase schädigen die Umwelt, ihre Motoren sind laut.
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Dank an Anna Pfäfflin – der kurze Rundgang durch die Ausstellung vom Fliegen war am Sonntag-Morgen ein großes Vergnügen (als >Ersatz zu dem persönlichen Besuch im Kupferstichkabinett). Ich freue mich auf ein Wiedersehen eines Tages vor Ort…
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Dank an Anna Pfäfflin – der kurze Rundgang durch die Ausstellung vom Fliegen war am Sonntag-Morgen ein großes Vergnügen (als >Ersatz zu dem persönlichen Besuch im Kupferstichkabinett). Ich freue mich auf ein Wiedersehen eines Tages vor Ort…