Zurück in die Afrozukunft: Interview mit Ken Aïcha Sy von Wakh’Art
In der Ausstellung „Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design“ im Kunstgewerbemuseum präsentiert Künstlerin und Kuratorin Ken Aïcha Sy eine foto- und videografische Befragung afrofuturistischer Visionen für den afrikanischen Kontinent. Der Titel der Arbeit, Baadaye, „Zukunft“ ist dem Suaheli entlehnt, der meistgesprochenen Sprache auf dem afrikanischen Kontinent. Baadaye fragt: “Wie werden Afrikaner*innen des Jahres 2200 sein und aussehen?”. Im Interview spricht Ken Aïcha über ihre Arbeit und den Afrofuturismus.
Text: Beatrace Angut Oola & Helen Gimber, Fashion Africa Now
Ken Aïcha Sy wurde in Dakar als Tochter einer französisch-martinikanischen Journalistin und eines senegalesischen Künstlers geboren. Nach ihrem Studium in Paris – Design, Kunstgeschichte und Raumgestaltung – kehrte sie in den Senegal zurück. Dort gründete sie die Kulturplattform Wakh‘Art zur Förderung der senegalesischen Kultur, gefolgt von dem Musiklabel Wakh‘ArtMusic im Jahr 2012.
Ken Aïcha hat ihr Werk Baadaye für die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum konzipiert und in Zusammenarbeit mit KhaleeBi Prod, Oyalviews, Mauaya Jua, Moulaye, Aida Ndiaye und Judith Kiangebeni Wolo umgesetzt. Die fotografische Arbeit nimmt die Form eines Triptychons an, das, in einer Anspielung auf Adam und Eva, einen Mann, Djissene, und eine Frau, Awa, in drei verschiedenen Stadien ihres Lebens präsentiert: Kindheit, Jugend und Alter. Der videographische Teil von Baadaye besteht aus Interviews mit Visionär*innen aus Modedesign, Musik, Literatur oder Ökonomie, die ihre Sicht auf das Thema „Afro Futures“ darlegen. Wird die Zukunft fruchtbar oder apokalyptisch sein? Baadaye bietet keine utopische, aber eine optimistische Sicht auf die Zukunft. Wir wollten mehr erfahren und bat sie um ein Interview …
Was waren einige der Highlights deiner bisherigen Arbeit mit Wakh’Art?
Ken Aïcha: Während der neun Jahre, die ich nun für die Förderung des Kultur- und
Kreativsektors im Senegal aktiv bin, hatte ich die Gelegenheit, mehr als
achthundert Künstler*innen aus allen künstlerischen Disziplinen zu
interviewen. Ich denke, dass diese Zahl signifikant ist und dass jedes
dieser Treffen wichtig und bedeutsam war. Sie haben mich sowohl
persönlich als auch beruflich bereichert. Ich könnte nicht sagen, eines
wäre wichtiger gewesen als das andere. Diese Künstler*innen sind mutige
Männer und Frauen, die dafür kämpfen, dass ihre Werke entstehen, vor
allem aber, um dieses schöne Land das Senegal ist – voller Widersprüche
zu fördern.
Wakh’Art
hast du in Dakar gegründet. Welche drei Dinge sollten deiner Meinung
nach die Menschen über die Stadt und ihre kreative Szene wissen?
Dakar ist eine kosmopolitische und weltoffene Stadt. Diese Kreativen
entsprechen dem Bild der Stadt, sie sind produktiv und neugierig, sie
beschäftigen sich mit der senegalesischen Gesellschaft und zögern nicht,
sie zu hinterfragen. Sehenswert ist das 1986 erbaute Village des Arts
(Künstler*innendorf) von Dakar mit 52 Künstler*innenateliers und der
Galerie Léopold Sédar Senghor. Ich mag diesen Ort, weil er sehr grün
ist, wodurch es dort sehr angenehm ist, mit den Künstler*innen spazieren
zu gehen und sich auszutauschen. MuusDuTux, die Werkstatt und der
Kreativraum der Designerin Selly Raby Kane, ist ebenfalls einer dieser
atypischen und unverzichtbaren Räume, die man sehen muss, wenn man in
Dakar ist. Die Stadt liegt am Meer, deshalb kann ich nicht über Dakar
sprechen, ohne über Chez Max zu sprechen, eine Bar und ein Restaurant am
Fuße des Leuchtturms von Mamelles, mit Blick aufs Meer. Im Chez Max
kann man Live-Musik hören oder im Rhythmus der Favéla-Abende tanzen,
während man gegrillten Fisch isst oder ein lokales Bier trinkt.
Was bedeutet Afrofuturismus für dich? Wie wirkt sich das auf deine Praxis und Arbeit aus?
Für mich ist der Afro-Futurismus eine Bewegung. Wer Bewegung sagt, sagt
ewige Evolution. Es ist eine Mischung aus afrikanischen Traditionen und
Kulturen mit einem Hauch von Technologie und einem großen Teil an
Fantasie und Träumen. Der Afro-Futurismus beeinflusst mein tägliches
Leben, denn ich bin eine Künstlerin, die diese Kultur in sich trägt und
sich in eine manchmal idealisierte Zukunft projiziert. Ich arbeite
daran, den Wert meines kulturellen Erbes mit Hilfe von Technologie und
meiner Phantasie zu steigern.
Gibt es ein Lied, das für Dich den Geist des Afrofuturismus verkörpert?
Ein Stück, das den Afro-Futurismus veranschaulicht, fällt mir ein: Eine
Produktion des senegalesischen Künstlers IBAAKU mit dem Titel “Djula
Dance”
Gibt es ein Gespräch oder eine Interaktion vom Eröffnungswochenende der Ausstellung in Berlin, die bei dir geblieben ist?
Während der Eröffnung der Ausstellung hatte ich das Vergnügen, mich mit
vielen Künstler*innen und Besucher*innen auszutauschen. Ich habe den
Austausch mit älteren Menschen sehr geschätzt, denn über die kulturellen
Unterschiede hinaus gab es auch eine Kluft zwischen den Generationen.
Es war sehr interessant, ihre Ansichten und Erkenntnisse zu hören. Ich
denke auch an eine junge Frau, die mich nach der Bedeutsamkeit des
Afro-Hair-Districts der Ausstellung fragte – und ihrer Beunruhigung in
Bezug auf die Ausstellung der Afro-Haar-Produkte, die sie eng mit
unserem täglichen Leben, unserem Lebensstil verbunden sieht. Es ist
immer sehr interessant, Sichtweisen zu vergleichen.
Gibt es eine*n bestimmte*n Künstler*in/Designer*in/Kreative, mit der*m du in der Zukunft zusammenarbeiten möchtest?
Ja, nach den Treffen, die ich zu diesem Projekt hatte, hoffe ich in der
Zukunft, die Gelegenheit zu haben, mit José Hendo und Lamula Nassuna
zusammenzuarbeiten.
—
Ken Aïcha Sy ist als @akyasy auf Instagram.
Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design ist noch bis zum 1. Dezember im Kunstgewerbemuseum zu sehen.
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