Afro Futures im Kunstgewerbemuseum: Rima Sium von Afrosisters im Interview
“Wir setzen eure Visionen um, denn nichts ist unmöglich” – so lautet das Motto des Haarsalons Afrosisters. Wie diese Umsetzung konkret aussehen kann, ist zur Zeit im “Afro Hair District” in der Ausstellung “Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design” im Kunstgewerbemuseum zu sehen. Im Interview spricht Mitgründerin Rima Sium über ihre Arbeit und Afrohairstyles der Vergangenheit und Gegenwart.
Text: Beatrace Angut Oola & Helen Gimber, Fashion Africa Now
Die Gründer von Afrosisters sind zwei Schwestern eritreischer Herkunft, Rima Sium & Semy Teklesembet. Seit ihrer Kindheit ist das Geschäft mit den Haaren ein Teil ihres Lebens, nun ist es auch ihre Karriere geworden.
Was ist die Geschichte hinter Afrosisters?
Rima Sium: Der Grundstein für Afrosisters wurde im Jahr 1995, also vor fast 25
Jahren, gelegt. Meine Mutter gründete einen der ersten Afroshops in
Karlsruhe; meine Schwestern und ich wuchsen sozusagen im Laden auf.
Schon sehr früh und ganz unweigerlich erlernten wir daher den Umgang mit
und der Pflege von verschiedenen Afrohaar-Typen. Damals lag der
Schwerpunkt vor allem auf den traditionelleren Frisuren, wie Rastas,
Dreadlocks, Cornrows, aber auch in Bezug auf Extensions und Haar-Relaxer
war die Nachfrage groß.
Mit 23 Jahren eröffnete ich parallel zu
unserem bereits bestehenden Geschäft ein weiteres. Es sollte etwas
moderner werden und speziell auf die Bedürfnisse unserer jungen Kunden
zugeschnitten sein. Parallel dazu absolvierte ich eine Ausbildung zur
Visagistin, sowie eine Ausbildung zur Friseurin. Meine kleine Schwester
entschied sich schließlich auch für denselben Berufsweg und schloss sich
mir kurz darauf an. Wir arbeiteten Seite an Seite und ergänzten uns
hervorragend. Zu der Zeit wohnten wir sogar zusammen. Wir hatten ständig
neue Ideen und Verbesserungsvorschläge für den Laden, für unsere Kunden
und überhaupt: es war eine wirklich tolle Zeit und ein sehr
erfolgreicher Neubeginn.
Einige Jahre später wurde ich zum ersten
Mal schwanger. Als mein Sohn dann zur Welt kam, übernahm meine Schwester
den Laden und stellte eine weitere Friseurin ein, die sie unterstütze.
Spätestens da war dann ganz klar, dass sie nicht mehr nur meine kleine
Schwester, sondern längst eine ebenbürtige Partnerin geworden war, die
mich mehr als würdig vertreten konnte. 2018 entschlossen wir daher auch
gemeinsam, unseren Laden, der bis dahin Hairstyle and Make up geheißen
hatte, umzubenennen. Der Name Afrosisters war und ist viel
authentischer!
Wo holst du dir Inspirationen für neue Styles?
Wir haben da ganz verschiedene Quellen. Im Netz allein gibt es ja schon
unzählige Möglichkeiten; YouTube, Instagram, Pinterest, usw. Natürlich
kommt der größte Einfluss aus Amerika. Auf der anderen Seite reicht es
manchmal aber auch, einfach die Augen auf zu machen und sich in der
realen Welt umzusehen. Es gibt immer neue Styles und Individualisten,
die was anderes ausprobieren und uns inspirieren.
Was waren deine Lieblingsstyles früher und wie haben sich die Hairstyles im Laufe der Jahre verändert?
Um ehrlich zu sein kann ich das gar nicht genau sagen. Wenn es um
Afrohairstyles geht, mag und mochte ich eigentlich schon immer alles. Es
kommt in erster Linie darauf an, wem was am besten steht. Das hat etwas
mit der Gesichtsform, dem Typ und der Haarstruktur zu tun.
Das
Tolle an unserem Haar und an unserer Haarkunst ist, dass nichts
unmöglich ist. Eine Kundin kann, wenn sie will, eine völlige
Typveränderung vollziehen, mit Afro in den Laden herein- und mit
Föhnwelle herausspazieren zum Beispiel- und umgekehrt natürlich. Dazu
ist viel Geschick, ein gutes Auge, Präzision und Fingerfertigkeit nötig;
Geduld und Ausdauer nicht zu vergessen. Unsere Arbeit erfordert ein
Hohes Maß an Disziplin. Sie hat sowohl unseren Charakter als auch die
Herangehensweise ans Leben im Allgemeinen, maßgeblich geprägt.
Ich
liebe es, mit den Händen zu gestalten und schätze jedes Ergebnis,
solange es der Kundin gefällt; Unterschiede mache ich da keine.
Die
Entwicklung von Afrohairstyles war und ist noch heute stark geprägt von
den Medien. Heute geben vor allem Youtuber*innen und Realitystars den
Ton an; früher war es in erster Linie die afroamerikanische Musik- und
Filmindustrie. In den 90ern als Bands wie die Fugees, TLC, Tupac oder
Janet Jackson ihre Hochzeiten hatten und Set it Off im Kino lief,
standen Rasta, Relaxer und Dreadlocks ganz hoch im Kurs und das blieb
auch sehr lange so. Auf Extensions und Weaves wurden wir in unserem
Laden damals eher selten angesprochen. Das änderte sich dann aber
schlagartig als Stars wie Beyonce oder Rihanna auf die Bildfläche traten
und einen extrem weitreichenden Einfluss erlangten, der sich über die
afroamerikanische Community hinaus erstreckte. Durch die neuen Medien
beflügelt, streute sich dann alles rasend schnell, so dass bald jeder
alles wissen und erfahren konnte. Den Wandel bekamen wir dann auch bei
unseren Kundinnen mit.
Seit ca. vier Jahren gibt es den Trend zur
Natürlichkeit. Das hat mit der politischen Lage, vor allem in Amerika,
aber auch mit der stetig wachsenden Community hier in Deutschland und
der damit einhergehenden Aufklärungsarbeit, sowie den verschiedenen
Empowermentbewegungen zu tun. Die Suche nach der eigenen Identität wird
immer wichtiger. Dazu kommt ganz klar der Einfluss den das sogenannte
healthy living mit sich bringt. Auf Nachhaltigkeit, Bio und
Natürlichkeit wird viel mehr Wert gelegt als früher. Auch das hat das
Bewusstsein unserer Kundinnen verändert und einen neuen Markt für
Afrohaarprodukte eröffnet.
Afro
Hair ist derzeit die Must-Have-Frisur. Woran liegt es, dass Afro Hair
heute ganz selbstbewusst in Deutschland getragen wird?
Es
ist gleichermaßen politisches Statement, wie soziokulturelle
Positionierung- und all das findet auf dem Kopf statt, ist doch
praktisch! Dazu kommt noch, dass das Ganze richtig gut aussieht. Farbe
bekennen indem man zu sich steht, authentisch ist und total stylisch
dazu; besser geht’s doch eigentlich gar nicht!
Natürlich ist es
nicht ganz so einfach, wie ich es hier darstelle. Dass wir Afrodeutschen
immer noch nicht auf Augenhöhe in der Gesellschaft angekommen sind, ist
schmerzhaft. Bedauerlicherweise scheinen Ignoranz und Rassismus immer
mehr zuzunehmen; eine Entwicklung, die sich ja gerade weltweit
abzeichnet. Ich empfinde das als äußerst besorgniserregend.
Wie sieht die Zukunft für Afrosisters aus? Was möchtet ihr noch erreichen?
Die Zukunft für Afrosisters wird sich darauf stützen, unseren KundInnen
noch mehr Beachtung und Einfühlungsvermögen in Bezug auf ihre
individuellen Wünsche und Vorstellungen entgegenzubringen. Auch wir
haben viel aufzuholen und möchten uns immer aufs Neue verbessern und
dazulernen. Wir möchten unsere KundInnen weiterhin dazu ermutigen, ihre
Haare als einzigartiges Geschenk zu betrachten und sie mit den
unzähligen Frisuren- und Pflege-Möglichkeiten vertraut machen, über die
die meisten anfangs nur sehr wenig wissen. Hierbei ist es uns auch sehr
wichtig, die politische und gesellschaftliche Entwicklung im Auge zu
behalten und Stellung beziehen. Momentan arbeiten wir an einigen
Projekten diesbezüglich. Noch wollen wir nicht zu viel verraten, aber in
Kürze wird einiges spruchreif. Wir können es schon kaum erwarten, euch
unser erstes Projekt vorzustellen!
Welchem Musikstar würdest du gerne die Haare machen?
Erykah Badu; das wäre mein Traum. Sie ist unfassbar wandelbar, total
kreativ und hat schon jeden Hairstyle getragen. Ich bewundere ihre
Offenheit und den Mut zu experimentieren, ohne sich dabei auf gängige
Schönheitsideale oder Trends zu berufen. Sie ist eine echte Pionierin
und völlig frei; eine richtige Künstlerin eben. Das zeigt sich in ihrer
Musik und natürlich auch in ihrem Verständnis von Mode als ganz
individuellem Ausdruck, der oft nicht crazy genug sein kann. Ein echtes
Vorbild!
Ihr könnt Rima unter @rimasium und Afrosisters unter @afrosisters_ auf Instagram folgen.
Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design ist noch bis zum 1. Dezember im Kunstgewerbemuseum zu sehen.
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