Altes Ägypten: Die Schätze des Krokodils mit Falkenkopf
Lesezeit 4 Minuten
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: vor 2000 Jahren
wurde in den Tempeln des griechisch-römischen Ägypten sehr genau Buch
geführt.
Text: Marius Gerhardt
Kurz
bevor das Neue Museum in der Corona-Krise zum Schutz von Besuchern und
Mitarbeitern seine Pforten schließen musste, wurde im Mythologischen Saal (Raum 1.11) eine Vitrine neu eingerichtet. Dies geschah im Zuge der Veranstaltungsreihe „Ägyptische Götter und ihre Kulte“,
die im Jahr 2020 durch das Ägyptische Museum und Papyrussammlung und
den Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V. ausgerichtet wird.
Dabei werden u.a. monatlich ausgewählte Objekte der Sammlung mit Bezug
zu einer ägyptischen Gottheit vorgestellt. Die Vitrine widmet sich dem
Betrieb in einem Tempels, in dem eine ganz besondere Gottheit verehrt
wurde: ein Krokodil mit Falkenkopf.
In
dieser Mischgestalt tritt uns vor allem in griechisch-römischer Zeit
eine Erscheinungsform des ägyptischen Krokodilgottes Sobek entgegen, wie
er unter dem Namen Soknopaios als Orakel- und Heilgott in vielen Orten
in der Faijûmoase, südwestlich des heutigen Kairo, verehrt wurde. Sein
Name bedeutet „Sobek, Herr der Insel“. Sein Hauptkultort war Soknopaiu
Nesos – die Insel des Soknopaios – am Nordrand des Faijûm. Dort stand
der bedeutendste Tempel, der diesem Gott gewidmet war. Es haben sich
nicht nur beeindruckende Reste der Tempelanlage erhalten, sondern auch
unzählige Texte auf Papyrus, die Einblicke in die Arbeit dieses
Heiligtums und seiner Priester geben. Darunter befinden sich auch einige
Texte wie das hier präsentierte, fragmentarisch auf Papyrus erhaltene
Inventar über den Besitz dieses Tempels – die „Schätze des Soknopaios“.
Vom
ursprünglichen Text haben sich Reste von zwei Kolumnen erhalten. Die
erste Kolumne enthält die Zeilenenden des Anfangs dieses Inventars, die
sich aber mit Hilfe ähnlicher Texte gut rekonstruieren lassen. Hier
werden die Priester namentlich genannt, die dieses Inventar einreichen.
Zudem enthält die Einleitung das Datum, an dem das Inventar erstellt und
eingereicht wurde. Leider haben sich von dieser Datierungsformel nur
zwei Wörter erhalten. Da aus diesen aber abzulesen ist, dass zum
Zeitpunkt der Niederschrift des Textes zwei römische Kaiser gemeinsam
regiert haben, lässt sich der Text in den Zeitraum 161–169 n. Chr. (Marc
Aurel und Lucius Verus) oder 177–180 n. Chr. (Marc Aurel und Commodus)
datieren.
Auf
die Einleitung folgt die eigentliche Liste, die detailliert die Objekte
beinhaltet, die sich im Heiligtum befanden. Dabei handelte es sich
nicht um den gesamten Besitz, sondern lediglich um die Kultgegenstände.
Dazu zählen u.a. mehrere Schreine aus Holz, die vergoldet oder
versilbert oder mit Bronze beschlagen und zum Teil sogar versiegelt
waren. Hinzu kommen aus Bronze oder Silber gefertigte Statuen,
Statuetten und Büsten von Göttern und Tieren (z.B. Löwen und Ibisse),
aber auch rituelle Gerätschaften wie Leuchter und Räuchergefäße und für
den Kult benötigtes Geschirr – darunter mehrere so genannte Bes-Gefäße,
die mit dem Fratzengesicht der ägyptischen Schutzgottheit Bes verziert
sind. Zu allen aufgelisteten Gegenständen wird das Material und mitunter
auch das Gewicht angegeben.
Warum mussten die Priester solche
Inventare an die römischen Behörden einreichen? Noch in der
ptolemäischen Zeit (332–30 v. Chr.) hatten die ägyptischen Heiligtümer
und ihre Priester großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss,
großen Reichtum und waren weitgehend frei von staatlichen Zwängen. Mit
dem Beginn der römischen Herrschaft ab 30 v. Chr. wurden sie politisch
und wirtschaftlich entmachtet und einer scharfen administrativen
Kontrolle unterstellt. Jeweils zum Jahresende mussten die Priester den
römischen Behörden verschiedene Verzeichnisse über das Tempelpersonal,
Inventare über den Besitz des Tempels und Berichte über ihre Einnahmen
und Ausgaben des Tempels übergeben. Um ein solches Inventar handelt es
sich auch bei dem hier besprochenen Text. Damit wurde die
Vollständigkeit der Kultgegenstände überprüft.
Solche
Inventarverzeichnisse waren mit Begleitschreiben versehen. Ein
Beispiel, das zu einem späteren Verzeichnis aus dem Jahr 220 n. Chr.
gehört, befindet sich in der Berliner Papyrussammlung. Die fehlende Ecke
rechts unten wird heute in der Wiener Papyrussammlung aufbewahrt.
Deutlich zu erkennen ist am Ende des Dokuments die Empfangsbestätigung
des Königlichen Schreibers, eines hohen Verwaltungsbeamten, an den das
Schreiben und die Inventarliste adressiert sind.
Diese Funde
zeigen, dass das römisch-griechische Ägypten bereits nach einer Maxime
regiert wurde, die bis heute vielerorts gilt: Vertrauen ist gut,
Kontrolle ist besser.
Begründer der deutschen Ägyptologie, Pionier moderner Archäologie, Museumsdirektor, Sprachforscher und Bibliothekar – Carl Richard Lepsius war ein preußisches Multitalent. Heute… weiterlesen
Unsere Webseite verwendet Cookies. Diese haben zwei Funktionen: Zum einen sind sie erforderlich für die grundlegende Funktionalität unserer Website. Zum anderen können wir mit Hilfe der Cookies unsere Inhalte für Sie immer weiter verbessern. Hierzu werden pseudonymisierte Daten von Website-Besuchern gesammelt und ausgewertet. Das Einverständnis in die Verwendung der Cookies können Sie jederzeit widerrufen. Weitere Informationen zu Cookies auf dieser Website finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und zu uns im Impressum.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Kommentare