Barkcloth aus Uganda im Kunstgewerbmuseum
José Hendo ist eine Londoner Eco-Modedesignerin ugandischer Herkunft. Signs Of The Now, Josés neueste Kollektion, ist derzeit im Rahmen der Ausstellung „Connecting Afro Futures“ im Kunstgewerbemuseum zu sehen. Im Interview gibt Hendo Einblicke in ihre Arbeit und erklärt, was es mit dem besonderen Material Barkcloth auf sich hat…
Text: Beatrace Angut Oola & Helen Gimber, Fashion Africa Now
José Hendo zeigt der Fast Fashion mit ihrer schnelllebigen Wegwerfkultur den Rücken. Die Modedesignerin entschied sich bewusst, intensiv mit dem jahrhundertealten Material Rindentuch (Barkcloth) zu arbeiten, das in allen ihren Kollektionen Verwendung findet und neben anderen Ökotextilien wie Bio-Seide und recycelten Materialien innovativ eingesetzt wird. José gründete 2014 das Projekt „B2TR“ (Bark to the Roots), um Barkcloth bei einem globalen Publikum bekannt zu machen, und „R3 – Reduce Reuse Recycle“, eine Kampagne zur Bedeutung dieser Maßnahmen für unseren Lebensstil. Hendos barkcloth-Mode wird weltweit ausgestellt, u.a. im Uganda Museum (Kampala), im Fashion Institute of Design and Merchandising (Los Angeles) und im British Museum (London). Für ihre Arbeit hat sie mehrere Auszeichnungen erhalten. Vor 19 Jahren gründete sie ihr Modelabel und begann ihre Reise mit Barkcloth. Im Interview tauchen wir in ihre Geschichte ein.
Was ist Barkcloth? Wie wird der Stoff hergestellt und seit wann ist er in Benutzung?
José Hendo: Barkcloth
oder Rindentuch besteht aus der inneren Rinde des Mutuba-Baumes oder
Ficus Natalensis, wie sein wissenschaftlicher Name lautet. Der lokale
Name dafür ist olubugo. Es wird angenommen, dass das Handwerk der
Rindentuchherstellung rund 700 Jahre alt ist. Lule Ssonko, ein
leidenschaftlicher Jäger, entdeckte den Stoff der Legende nach
versehentlich, als er nach Materialien für den Bau von Fallen suchte.
Die Nachricht von dieser Entdeckung erreichte den Kabaka, den König von
Buganda, der Ssonko zu sich rief und ihn ermutigte, weiterhin mit
Materialien zu experimentieren und Kleidung für die Bevölkerung
herzustellen. Später wurde Barkcloth mit benachbarten Königreichen
gehandelt. Im Jahr 2005 ernannte die UNESCO das ugandische Rindentuch zu
einem Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der
Menschheit. Dies löste Gespräche über seinen Platz in der
zeitgenössischen ugandischen Kultur und dem globalen Markt für
Forschung, Design und Fertigung aus.
Deine
Rindentuch-Kreationen sind zurzeit im Kunstgewerbemuseum ausgestellt –
es war eine lange Reise dorthin. Wie hat die Branche am Anfang reagiert,
als du begannst, mit Barkcloth zu arbeiten? Was waren einige der
Highlights auf dem Weg?
Ja, die Reise hat bisher 19 Jahre
gedauert – meine Marke wurde 2010/11 eingeführt. In der Branche wusste
man zunächst nicht, was das für ein Material war. Einige dachten, es sei
Leder, Wildleder oder eine Art Samt. Die Reaktionen waren aber positiv,
viele sahen darin auch die Idee einer erneuerbaren Rohstoffquelle, die
der Erde nicht schadet. Ich verwende Rindentuch, da es für mich der
beste Botschafter für Nachhaltigkeit ist – der Mutuba-Baum regeneriert
immer wieder neue Rindenschichten und kann bis zu 60 Jahre lang jedes
Jahr abgeerntet werden. Als Künstlerin hat das Material mir geholfen,
mich auszudrücken und meine nachhaltige Botschaft in vielen
verschiedenen Arten und Weisen zu vermitteln. Zu dem Ort in Masaka
Uganda zu gehen, wo zum ersten Mal Rindentuch hergestellt wurde, war ein
wirklich großer Moment für mich. Da meine Arbeiten in Rindentuch
mittlerweile von sehr bekannten Museen erworben wurden, bin ich dankbar
für die Gelegenheit, sie mit der Welt zu teilen. Die Verleihung von
bisher fünf Auszeichnungen für meine Arbeit war ein weiterer Höhepunkt
auf der Reise.
Du hast am Eröffnungswochenende der
Ausstellung „Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design“ mit
vielen Menschen sprechen können. Gibt es ein Gespräch oder eine
Interaktion, die dir im Kopf geblieben ist?
Ja, einige!
Ein zwölfjähriges Mädchen wollte mit mir über meine Arbeit sprechen. Sie
sagte, dass sie ihr gefiel und sie die Message dahinter verstanden
habe. Ihr gefiel besonders ein Kopfstück, zu dessen Entwurf mich der
heutige, übermäßigen Verbrauch von Plastikflaschen inspiriert hat. Sie
sagte, sie würde gerne Designerin werden. Auch der Moment, als eine
Reporterin sagte, dass sie meine Installation überwältigend fand – Sie
hatte sich die ganze Installation genau angesehen und sich schließlich
auf das Zentralstück festgelegt, das die Fragmentierung der Welt in
Bezug auf Klimawandel und Umwelt darstellt. Es war generell großartig,
nach monatelanger Vorbereitung eine so positive Resonanz nicht nur für
mich, sondern alle Ausstellenden zu erhalten. Ich danke dem
Kunstgewerbemuseum und den Kuratorinnen für eine so tolle Gelegenheit!
Reduce
Reuse Recycle (reduzieren, wiederverwenden und recyceln), sowohl als
Phrase als auch als Konzept, ist ein zentrales und wiederkehrendes
Element in deiner Arbeit. Wie kam es dazu, dass dies für dich so wichtig
geworden ist und wie beeinflusst es deine Praxis und deine Werke?
Das alles geschah, als ich etwas darüber recherchierte, was nach dem
Ende des „ersten Lebens“ eines Kleidungsstücks passiert. Die Statistiken
waren schockierend, die Deponieräume gehen schnell zur Neige, kaum
etwas wird wiederverwendet oder recycelt. Ich wusste damals, dass ich
nicht in der Modebranche bleiben konnte, es sei denn, ich versuche einen
positiven Wandel herbeizuführen. So entschied ich mich, gegen die
Wegwerfkultur und die obsolete Mode vorzugehen. Das war der Beginn
meines Ethos „Sustainable By Design“, in dem die Eckpfeiler Reduce,
Reuse, Recycle sind. Vom konzeptionellen Denken bis zum Endprodukt muss
alles durch das R3 untermauert werden, also sage ich: Die Geschichte
eines Kleidungsstücks ist genauso wichtig wie seine Zukunft. Das R3
wurde sichtbarer und bekam nach dem katastrophalen Unfall in der Fabrik
Rana Plaza in Bangladesch, die 2013 einstürzte, ein Gefühl der
Dringlichkeit. Damals erkannte ich, dass das System der Modebranche
gebrochen war und dass sich die Dinge ändern mussten. So startete ich
2014 während der London Fashion Week die R3-Kampagne mit Infos zur
Rindentuchherstellung und Workshops. Im selben Jahr startete ich die
Initiative Bark To The Roots (B2TR). Diese Initiative ist in den
Nachhaltigkeitszielen der UN verankert und erinnert uns daran, dass
sowohl unser Erbe als auch die Umwelt erhalten bleiben müssen. Ich
produziere bewusst keine Massenware, die Vermeidung von Überproduktion
ist Teil meines nachhaltigen Ansatzes.
Du arbeitest von
London aus mit Lieferant*innen in Uganda zusammen. Wie unterscheidet
sich der Diskurs um nachhaltige Mode in den beiden Ländern und wo gibt
es Überschneidungen?
Das Rindentuch, das ich verwende,
stammt aus Uganda, aber ich sorge dafür, dass jedes einzelne Stück
optimal genutzt wird. Zero-waste. Dies schafft Arbeitsplätze für Männer
und Frauen in Uganda. Uganda ist, wie die meisten afrikanischen Länder,
zu einem Deponieplatz für gebrauchte Kleidung aus Europa und anderswo
geworden, der die lokale Bekleidungsindustrie zerstört. Die Mehrheit der
Ugander*innen lebt einen nachhaltigen Lebensstil aus der Not heraus,
aber sie verwenden diesen Begriff nicht. Die Dinge beginnen sich jedoch
zu ändern. Ich gehe in meiner Installation darauf ein – mit der Aufnahme
von zwei upgecycleten Stücken – eines mit Jeansstoff und eines, das
einen Herrenmantel und – Blazer in etwas Neues verwandelt. Dies zeigt,
wie die Gebrauchtkleidung in ein einkommensschaffendes Geschäftsmodell
in großem Maßstab für den Export umgewandelt werden könnte.
Für wen entwirfst du? Hast du eine*n bestimmten „Zielkundin/Zielkunden„ im Sinn?
Ich entwerfe hauptsächlich für Frauen, aber ich mache auch für Männer
einige Stücke. Ich entwerfe nicht für eine bestimmte Person, das würde
meinen Design-Geist zu sehr einengen.
Was inspiriert dich, weiterzumachen?
Der Kampf gegen Fast Fashion, indem ich ständig versuche, den besten
nachhaltigen Ansatz mit R3 und Rindentuch zu finden. Die endlosen
Innovationen, an denen ich mit Rindentuch arbeite. Das positive Feedback
und die Anerkennung.
Was kommt als nächstes für dich? Gibt es noch wichtige Punkte, die du von der Karriereliste abhaken willst?
Ich habe Anfang November ein Event mit der Bark To The Roots (B2TR)
Initiative im Serena Hotel in Kampala, Uganda. Ich werde den Rest der
Signs Of The Now-Kollektion vorstellen, es wird eine Live-Schau der
Rindentuchproduktion geben, Podiumsdiskussionen über die Bedeutung von
Rindentuch und dem Mutuba-Baum im Zusammenhang mit dem Klimawandel – mit
einem Schwerpunkt auf der Bedeutung der Pflanzung der richtigen Bäume.
Was meine Karriereliste betrifft, so habe ich noch so viel zu tun mit
der R3-Kampagne und der Rindentuchinnovation, besonders jetzt, da wir
mit dem Handweben von Rindentuch mit Bio-Baumwolle (ebenfalls aus
Uganda) begonnen haben. Dieser Prozess hat 17 Jahre gedauert, um es
richtig hinzubekommen, in Zusammenarbeit mit Weberinnen, die dadurch
gestärkt wurden. Es ist also erstaunlich, das erste Kleidungsstück aus
handgewebtem ugandischem Rindentuch und Baumwolle zu haben, das im
Kunstgewerbemuseum ausgestellt ist, aber es gibt noch viel zu tun.
José’s Installation „Signs of the Now“ ist noch bis zum 1. Dezember in der Ausstellung Connecting Afro Futures. Mode x Haare x Design im Kunstgewerbemuseum zu sehen
Erfahre mehr zur José‘ auf ihrer Website: josehendo.com
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