Blick nach Osten: Provenienzforschung zu asiatischer Kunst
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Kunst aus Asien stand bisher zu wenig im Fokus der Provenienzforschung. Eine Kooperation zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Smithsonian Institution in Washington soll das nun ändern und wichtige Grundlagen für die Forschung schaffen.
Text: Sven Stienen
„Ganz gleich welches Objekt ich aus meinem Heimatland exportierte“, schrieb der chinesische Kunsthändler Ching Tsai Loo 1950, „sie wurden alle in offener Konkurrenz zu anderen Käufern auf dem Markt erworben.“ Ching Tsai Loo, besser bekannt als C. T. Loo, war einer der wichtigsten Händler asiatischer Kunst und Antiquitäten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In seinen Galerien in Paris und New York versorgte er westliche Sammler und Museen über Jahrzehnte mit Asiatika, von erlesenem chinesischem Porzellan über antiken Jadeschmuck und Bronzereliefs bis zu historischen Buddha-Statuen. Die Erfolgsgeschichte hat jedoch auch eine dunkle Seite.
Nachdem Loo 1902 als junger Mann im Gefolge eines chinesischen Gesandten nach Paris gekommen war, stieg er durch geschicktes Netzwerken bald vom Türsteher eines Teehauses zur zentralen Figur der westlichen Asienbegeisterung der Zeit auf. Über beste Kontakte in seine Heimat China versorgte er seine betuchten Kund*innen beständig mit neuen Objekten und förderte so maßgeblich das westliche Wissen und Interesse an Kunst aus Asien. Noch heute hat fast jedes große westliche Museum Stücke von C.T. Loo in seiner Sammlung. Doch die Art, wie die Objekte nach Europa und Amerika kamen, ist seit vielen Jahren Gegenstand von Kritik und Kontroversen. Viele Chines*innen lasten dem 1957 verstorbenen Geschäftsmann noch heute den Ausverkauf ihres Kulturerbes an.
Asiatika waren en vogue
Dennoch steht die Erforschung von Loos Leben und seinen Geschäften noch ganz am Anfang. In einem Webinar haben internationale Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen nun einen ersten Schritt getan, um wichtige Wissenslücken über C.T. Loo – und damit den gesamten Kunsthandel von Ost nach West im frühen 20. Jahrhundert – zu schließen. Im Seminar “C.T. Loo Revisited” kamen Archäolog*innen, Museumskurator*innen, Kunsthistoriker*innen und Provenienzforscher*innen zusammen und tauschten sich interdisziplinär über das Thema aus. Die Veranstaltung ist Teil einer neuen, großangelegten Kooperation zu Handel und Translokation von Asiatika. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und die Smithsonian Institution (SI) bauen gemeinsam ein internationales Netzwerk zur Provenienzforschung mit Fokus auf asiatischer Kunst auf. Die SI wird vertreten durch die Freer Gallery of Art und die Arthur M. Sackler Gallery, die zusammen das Smithsonian’s National Museum of Asian Art bilden. Aufseiten der SPK sind das Museum für Asiatische Kunst und das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin an der Kooperation beteiligt.
„Im Bereich der ostasiatischen Kunst ist die Provenienzforschung noch nicht so weit wie etwa bei der westlichen Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus“, erklärt Christine Howald, Stellvertretende Direktorin des Zentralarchivs. Sie ist die Initiatorin der großangelegten Kooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin und der Smithsonian Institution, zu der auch die Webinarserie gehört. „Wir werden zunächst vier weitere Webinare anbieten“, erklärt Howald, „dann folgt 2023 eine große Konferenz in Washington und als letzten Schritt wollen wir eine kooperative Datenbank aufbauen und so die digitale Infrastruktur für zukünftige Forschung und einen dauerhaften Austausch schaffen.“
Mit der forcierten Öffnung ostasiatischer Länder für den Westen und der Expansion des europäischen Kolonialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert gelangten immer mehr Objekte des asiatischen Kulturerbes außer Landes. Asiatika waren in den Metropolen des Westens en vogue und Privatsammler wie Museen bauten große Sammlungen auf. Erst jetzt beginnt die gemeinsame Aufarbeitung dieser Zeit. „Vorreiter dieser Entwicklung ist der Kunsthistoriker Nick Pearce an der University of Glasgow, der sich intensiv mit der Erforschung des britischen Kunstmarktes für Asiatika im frühen 20. Jahrhundert beschäftigt hat“, sagt Christine Howald. Sie selbst sei die zweite Wissenschaftlerin, die sich auf den Bereich der asiatischen Provenienzforschung spezialisiert habe.
Seit 2015 baute Howald den Forschungsbereich „TEAA – Tracing East Asian Art“ an der TU Berlin auf. 2017 etablierte sie gemeinsam mit Alexander Hofmann, dem Kurator für die Kunst Japans am Museum für Asiatische Kunst, die Workshopreihe „Provenienzfoschung zu asiatischer Kunst‘‘. Seit 2019 ist Christine Howald bei den Staatlichen Museen zu Berlin für die Provenienzforschung der Asiatischen Sammlungen zuständig und setzt sich dafür ein, den Blick auf Kolonialkontexte auch auf Asien auszudehnen.
„Forschung für Generationen“
Das Thema hat nichts an Aktualität verloren, wie Howald weiß: „Der illegale Handel mit asiatischen Kulturgütern zieht sich seit über 100 Jahren durch die Geschichte. Bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts erließen asiatische Regierungen erste Ausfuhrbeschränkungen für Kulturgüter, heute gibt es eine chinesische Task Force, die sich dem illegalen Handel mit nationalen Kulturgütern der Volksrepublik widmet.“
Mit der Kooperation zwischen Smithsonian Institution und Staatlichen Museen zu Berlin haben nun zwei bedeutende Akteure der westlichen Kulturszene einen Schritt getan, um die Grundlagen für eine vernetzte und strukturierte Provenienzforschung zu asiatischer Kunst zu schaffen. Die nächsten Webinare mit wechselnden Partnerinstitutionen werden sich jeweils einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen im Kunstmarkt widmen. Das zweite Webinar, das für April 2021 geplant ist, beschäftigt sich mit der japanischen Händlerfamilie Yamanaka & Co.. Wie C.T. Loo war Yamanaka & Co. maßgeblich daran beteiligt, asiatische Kunst und Antiquitäten in den USA und Europa salonfähig zu machen.
Für Christine Howald ist die Kooperation nur ein erster Schritt auf einem noch langen Weg. „Unsere Webinar-Reihe bringt die globale Forschungsgemeinschaft zu ostasiatischer Kunst zusammen, um ein nachhaltiges Netzwerk zu bilden, auf das wir uns bei der zukünftigen Erforschung unserer Sammlungen verlassen können“, sagt die Kunsthistorikerin. Eines steht für sie jedenfalls fest: „Zur Translokation asiatischer Objekte in westliche Sammlungen muss noch viel geforscht werden – da können noch ganze Forschergenerationen tätig werden!“
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