Fertig restauriert: Das Gipsoriginal der Prinzessinnengruppe
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In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wurde das Gipsoriginalmodell der Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow untersucht und restauriert. Noch bis diesen Sonntag, den 19. Februar 2023, ist es in der Alten Nationalgalerie zu sehen.
Text: Theresa Bräunig
Die Prinzessinnengruppe ist eines der ikonischen Kunstwerke des klassizistischen Bildhauers Johann Gottfried Schadow (1764–1850). Neben der marmornen Skulptur, die die preußische Kronprinzessin Luise und ihre jüngere Schwester Friederike zeigt, ist auch das zuvor entstandene Gipsmodell erhalten. Nachdem das Gipsoriginal der Prinzessinnengruppe vier Jahre lang in einem Forschungs- und Restaurierungsprojekts untersucht wurde, wird sie seit Oktober 2022 erstmals in der Ausstellung „Johann Gottfried Schadow. Berührende Formen“ in der Alten Nationalgalerie präsentiert. Das Projekt widmete sich einer umfangreichen Untersuchung, Konservierung und Restaurierung der Prinzessinnengruppe aus Gips. Dabei wurden nicht nur neue Erkenntnisse zur bildhauerischen Technik Schadows gewonnen, sondern auch neue Methoden für die Gipskonservierung entwickelt.
Das drittmittelgeförderte wissenschaftliche Kooperationsprojekt wurde von einem Fachbeirat begleitet und von dem Restaurator:innen-Team Theresa Bräunig, Alexandra Czarnecki, Friederike Labahn und Kai Rötger realisiert.
Aufdeckung der originalen Oberfläche
Weißer Gips verschmutzt unansehnlich und ist gleichzeitig als empfindliches Material schwer zu reinigen. Deshalb wurden Werke aus Gips oft übermalt, die Prinzessinnengruppe war von sieben unterschiedlichen Übermalungs- und drei Bindemittelschichten stark überdeckt. Im Zuge der Konservierung wurden vier dieser Übermalungen abgenommen, um dem Original wieder so nahe wie möglich zu kommen und es zu sichern. Das Vorgehen erfolgte Schritt für Schritt, da jede Übermalungsabnahme eine neue Methodenfindung voraussetzte. Im Besonderen konnte dabei ein Teil der originalen und intakten Oberflächenstruktur zurückgewonnen werden. Der Gips zeigte von Stelle zu Stelle unterschiedliche Oberflächencharakteristika. Diese reichen von glatten Partien über grob strukturierte bis hin zu filigran strukturierten Partien. Die Strukturierungen sind Werkspuren der manuellen Oberflächenbearbeitung und zeugen von der künstlerischen Handschrift Schadows. Die älteste großflächig erhaltene Übermalung „beige matt“ aus den 1920er Jahren, die dem Gipsfarbton sehr nahekommt, wurde als Sichtfassung erhalten, da eine Abnahme risikoreich gewesen wäre. (Abb. 2)
Formergänzungen am Überspieltuch
Neben der Übermalungsabnahme wurden auch Formergänzungen erarbeitet. Bildhauerisch verfälschte und das Original überdeckende Altergänzungen wurden kontrolliert mit Diamantfrässtiften und Bildhauerraspeln zurückgearbeitet. Fehlstellen und Ausbrüche konnten anschließend mit einem modifizierten Alabastergips ergänzt werden. Diese Ergänzungen wurden farbig eingefärbt, um sie einerseits vom Original als spätere Zutat unterscheiden zu können und andererseits um die darauffolgende Retusche zu erleichtern. Mit den plastischen Formrekonstruktionen von großen Fehlstellen gelang es, der originalen Formgebung wieder nahe zukommen. Diese Arbeit bezog sich hauptsächlich auf das Überspieltuch, aber auch Fehlstellen an den Haaren, am Arm und an der Plinthe gehörten dazu. (Abb. 3, 4)
Retusche
Nach Abnahme der Übermalungen war die Oberfläche in der Farbigkeit und in den Helligkeiten und Dunkelheiten des klassizistischen und ursprünglich monochromen Werks sehr inhomogen. Als abschließende Restaurierungsmaßnahme folgte eine umfangreiche Retusche. Mit der Retusche wurde eine zusammenhängende und ästhetische Oberflächenfarbigkeit hergestellt, die dem Original wieder sehr nahekommt, ohne aber dabei wie neu auszusehen und ohne dabei die Prinzessinnengruppe erneut zu übermalen. Der Leitfaden dabei war: „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Die erste Retusche-Phase widmete sich der harmonischen Angleichung von der Übermalung „beige matt“. Dabei ging es beispielsweise darum störende Flecken zurückzunehmen, damit diese nicht von der Plastizität ablenken. Die zweite Retusche-Phase widmete sich einer herausfordernden Ausgangssituation: womit retuschiert man eine weiße, fein strukturierte, unbeschädigte Gipsoberfläche? Um die wertvollen und ursprünglich erhaltenen Gipsstellen zu erhalten, wurde davon abgesehen, direkt mit Farbe oder einer Zwischenisolierung zu arbeiten. Ziel war es, dass nichts in die Oberfläche irreversibel eindringt. Aus diesem Anlass wurde eine Methode entwickelt, bei der eine spezielle und handgefertigte Folie als Trennschicht appliziert wird, die mechanisch wieder abgenommen werden kann und damit reversibel ist. Die letzte Retusche-Phase am Überspieltuch erforderte das Vorgehen Schritt für Schritt, um die stark unterschiedlichen Zustände in Bezug auf Oberflächenstrukturen und Farbbereiche wieder in Einklang zu bringen.
Mit der fertigen Retusche kommt die Schönheit der Prinzessinnengruppe wieder uneingeschränkt zur Geltung und zieht den Betrachter wieder vollkommen in seinen Bann. (Abb. 5)
Einbringen in die Ausstellung
Nach der erfolgreich abgeschlossenen Konservierung und Restaurierung folgte das nächste Highlight: Der Transport der Prinzessinnengruppe samt ihrem Sockel aus dem Restaurierungsatelier in das dritte Ausstellungsgeschoss der Alten Nationalgalerie. Mit Unterstützung durch acht Personen, Hubwagen, Teflonstreifen, Paletten, Lastenaufzug, Kantenschutz, Portalkran und Kamerateam wurde die Prinzessinnengruppe auf den Sockel gehoben. (Abb. 6)
In der Ausstellung ‚Johann Gottfried Schadow.Berührende Formen‘ kehrten die Prinzessinnen nach dem vierjährigen Forschungs- und Restaurierungsprojekt erstmals zurück zum Publikum. Eine Premiere ist das Aufeinandertreffen von dem Gipsoriginal der Prinzessinnengruppe und der Marmor-Prinzessinnengruppe nach 225 Jahren seit der Herstellung in Schadows Werkstatt.
Mit einer Spiegelinszenierung der Kuratorin Yvette Deseyve sind beide Gruppen vergleichend und allansichtig erlebbar.
Dank einer großartigen Zusammenarbeit zwischen Restaurator:innen und Kurator:innen greifen kunsthistorische und konservierungswissenschaftliche Erkenntnisse zur Prinzessinngruppe ineinander und werden in der Ausstellung in einem Kabinettraum präsentiert.
Beide Prinzessinnengruppen sind noch bis Sonntag, den 19.02.2023 in der Ausstellung ‚Johann Gottfried Schadow. Berührende Formen‘ zu sehen. Ab 22.04.2023 wird Schadows berühmtes Gipsoriginalmodell der Prinzessinnengruppe erstmals seit 2012 wieder Teil der Dauerausstellung in der Friedrichswerderschen Kirche sein. Ein Aktionswochenende unter dem Motto „Die Prinzessinnen sind zurück!“ am Samstag, 22. April und Sonntag, 23. April mit Führungsprogramm und Konzerten der Akademie des Konzerthauses begleitet die Neupräsentation und die mit ihr verbundene Sonderpräsentation zur Restaurierung.
Das umfangreiche Projekt wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Hermann Reemtsma Stiftung, der Rudolf-August Oetker-Stiftung und der Kulturstiftung der Länder.
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