He Loved New York: Milton Glaser als Plakatkünstler
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Milton Glaser war einer der international einflussreichsten Grafikdesigner und entwarf unter anderem die berühmte Wort-Bild-Marke „I Love NY“. Unsere Sammlungskuratorin Christina Thomson stellt hier zehn Werke vor, mit denen der New Yorker Plakatgeschichte schrieb.
Text: Christina Thomson
Er war eine echte Großstadtpflanze: Milton Glaser, der als Mitbegründer der Push Pin Studios seit den 1960er-Jahren zu den international einflussreichsten Grafikdesignern zählt, ist eng mit New York verknüpft. 1929 im „Big Apple“ geboren, lebte und arbeitete er dort bis zu seinem Tod im Jahr 2020. Berühmt wurde er vor allem mit „I Love NY“, einer Wort-Bild-Marke in Schreibmaschinen-Typografie, bei der ein rotes Herz das Wort „Love“ ersetzt – Vorläufer unzähliger herziger Adaptionen auf Tassen, T-Shirts und im Logodesign. Auch im Plakatschaffen spielt die Metropole eine Rolle: Auftraggeber wie die School of Visual Arts, das Lincoln Center und viele weitere Kulturinstitutionen nutzten Glasers unverwechselbaren Stil in ihrer visuellen Kommunikation. Mit seiner bunt-spielerischen Mischung aus Psychedelischem, Poppigem und Postmodernem prägte er den Look seiner Epoche.
Dank einer großzügigen Schenkung der AIC Foundation in New York, initiiert von Kresimir Penavic und Mirko Ilic, konnte die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin kürzlich 45 Plakate von Milton Glaser für ihre Sammlung Grafikdesign erwerben. Zusammen mit den beiden ikonischen Plakaten „Dylan“ und „New York is about New York“, die bereits vorhanden waren, ist Glaser nun mit starken Arbeiten aus fünf Jahrzehnten in der Kunstbibliothek vertreten. Wir haben anlässlich einer großzügigen Schenkung zehn Plakatmotive des Designers für euch rausgesucht.
Als Bob Dylan 1967 seine „Greatest Hits“ als Album herausgab, gestaltete Milton Glaser dieses Plakat dazu. Es sollte eine seiner berühmtesten Bildfindungen werden – die Kombination aus schwarzer Profilsilhouette und bunt-psychedelischer Haarpracht ist äußerst einprägsam. Die Inspiration für den Schattenriss stammte von Marcel Duchamps Selbstporträt im Profil: „Der Unterschied zwischen Einfluss und Plagiat ist nicht immer klar zu definieren.“, bekennt Glaser dazu.
Leicht bizarr kommt diese surrealistische Kreatur aus einem plumpen Vogel und einer Mohnblüte daher. Sie gehört zu einer Serie von Plakaten, die Glaser für das von Kevin Eggers gegründete Alternativlabel Poppy Records schuf. Musiker wie Townes Van Zandt, Dick Gregory und The Mandrake Memorial gehörten in den 1960er- und 1970er-Jahren dazu. Glaser machte die Mohnblume (poppy) zum motivischen Fixpunkt, im Fall dieses Thanksgiving-Konzerts verknüpft mit einem Truthahn, der Traditionsspeise des Festtags.
Seit 1927 war der Russian Tea Room in Downtown New York ein Ort, an dem sich Bühnenkünstler, literarische Freigeister und andere Kulturliebhaber mit und ohne Emigrationshintergrund trafen. In den 1970er-Jahren beauftragte Faith Stewart-Gordon, die damalige Besitzerin, Glaser mit einem Plakat anlässlich des Newport Jazz Festivals. Wodka im Saxophon – das mag nicht gut klingen, ist aber visuell ein Hit. Die bunten Muster des Hintergrunds spiegeln die schillernde Art Deco-Ästhetik des Etablissements.
Albert King war ein legendärer Bluesmusiker – laut Rolling Stone (2011) auf Platz 13 der 100 besten Gitarristen aller Zeiten. Im Auftrag von Utopia Records entwarf Glaser ein Plakat, das ganz auf die charismatische Person setzt. Das Porträt fängt im Spiel mit Schatten und Sonnenreflexen die herbe Vitalität des kräftigen Musikers ein. Glaser porträtierte zahlreiche Musikerinnen und Musiker, darunter Mahalia Jackson, Stevie Wonder, Dick Gregory und Hugh Masekela – jede/r in eigener grafischer Art.
Ein wichtiger Auftraggeber Glasers war die School of Visual Arts in New York, wo Shirley Glaser, Miltons Ehefrau, viele Jahre die angegliederte Kunstgalerie leitete. Dieses Plakat wirbt mit einem vielschichtigen Appell an kreative Potentiale für das Kursprogramm der Schule. Die Headline ist ein Zitat der Künstlerin und Feministin Hannah Wilkes: Ein Talent bringt nur weiter, wenn man damit auch etwas anzufangen weiß. Glaser visualisiert den Gedanken eindrücklich in der Figur eines klassischen liegenden Männeraktes, der sich schweben lassen kann. Dieses Können ist aber nutzlos, solange er keinen Weg aus der engen Kammer findet. Das Bett zitiert Napoleons Schlafstätte in seiner Zelle auf Elba.
„Manchmal triggern Worte die visuelle Vorstellung mit großer Kraft.“, findet Glaser. Die Idee zu der farbigen Schnecke im Ohr kam ihm nämlich durch den Slogan, mit dem Sony in dieser Kampagne seine Kassetten bewarb: Full Color Sound. Die leeren Notenlinien im Hintergrund verweisen subtil darauf, dass die Tonqualität für jede Art von Musik gilt. Glaser ließ sich in seinen Arbeiten oft von Vorbildern aus der Kunst anregen. Einer seiner großen Favoriten war René Magritte, der auch diese Silhouette eines Melonenträgers inspirierte.
Das Jazz-Festival in Saratoga Springs (New York) hat eine lange Tradition: Seit 1978 findet es jährlich im idyllischen Park des Saratoga Performing Arts Center statt. Glaser fängt die Kombination aus Hörerlebnis und bukolischer Landschaft in der Figur eines meditativ im Gras sitzenden Satyrn ein. Die Klänge am Ohr werden zum bunten Strauß der Imagination vor dem inneren Auge. Milton Glaser verwendet oft Satyrn; dieser hier geht zurück auf ein Gemälde von Maxfield Parrish.
Gesundheit! Da musste Herr Mozart wohl mal niesen… Auch ein Komponistengenie ist in manchen Momenten eben doch nichts weiter als ein Normalsterblicher, wie Glaser erklärt: “The very idea of Mozart sneezing transforms the divine genius into a mere mortal for a moment, but only for a moment.” Ein Mozart-Porträt von Dora Stock aus dem Jahr 1789 stand Pate für diese Pop Art-Variation.
Ein Plakat im Querformat spielt mit simuliertem Mittelfalz und Knick an der Ecke auf das Format einer Tageszeitung an – eine gelungene Illusion. Die Elemente auf der linken Seite sind rechts zum klassischen Layout geordnet. Damit macht Glaser die Tätigkeit von Newspaper Designers bildhaft, deren Vereinigung zehnjähriges Jubiläum feierte.
Ein gleichschenkliges rotes Dreieck plus grünem Kopf mit gelbem Dutt und langen blauen Ohrlappen – fertig ist das schematisierte Buddhahaupt, mit dem das Los Angeles County Museum of Art für sein Buddhistisches Film Festival warb. Der große Kopf in der Mitte wiederholt sich in klein im Hintergrund, sodass ein tapetenartiges Muster entsteht. Damit zitiert Glaser die in Tibet und anderen buddhistischen Regionen verbreitete Bildkonvention der Tausend Buddhas. Gleichzeitig spielt er auf das Medium Film an, das ebenso mit Projektion arbeitet wie mit der endlosen Wiederholung von Bildern.
Die Ausstellungsreihe „100 beste Plakate“ in der Kunstbibliothek präsentiert einmal jährlich eine Auswahl an Grafikdesign und Plakatkunst aus dem deutschsprachigen… weiterlesen
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