Innige Rivalen: Mantegna und Bellini in der Gemäldegalerie
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Erstmals präsentieren die Staatlichen Museen zu Berlin gemeinsam mit dem British Museum und der National Gallery London das eng verwobene Schaffen zweier großer Meister der Frührenaissance: Andrea Mantegna und Giovanni Bellini.
Text: Karolin Korthase
Venedig im Jahr 1453. Die Republik ist wohlhabend wie nie zuvor und verschifft Güter wie Glas, Salz, Seide und Seifen in die ganze Welt. Nicht einmal die Eroberung des Wirtschaftspartners Konstantinopel durch die Osmanen konnte der Prosperität der Lagunenstadt etwas anhaben. An der Adria ist man geschäftig und innovativ – und, sofern es Status und Geldbeutel erlauben, den schönen Künsten zugetan. Als die Venezianerin Nicolosia Bellini und der aus der Provinz stammende Künstler Andrea Mantegna in diesem Jahr vor den Traualtar treten, ist das eigentlich keine standesgemäße Hochzeit. Nicolosia stammt aus der bekannten Malerfamilie Bellini, die in Venedig über Kontakte in die besten Kreise verfügt. Mantegna hingegen kommt aus einem Dorf aus der Nähe von Padua und ist Sohn eines Tischlers.
Trotz seiner einfachen Herkunft mangelt es ihm nicht an Selbstbewusstsein. Früh wird sein großes Talent erkannt und gefördert. Als er mit zehn Jahren zum Waisen wird, nimmt ihn die Malerschule von Francesco Squarcione in Padua auf. Wie überzeugt Mantegna schon als junger Mann davon ist, es als Künstler weit bringen zu können, zeigt sich an Altarbildern, die er, ganz untypisch für die Zeit, mit Namen signiert. Dass der hochbegabte Mantegna in die Familie Bellini einheiratet, erweist sich als Glücksfall für beide Seiten: Mantegna wird Teil der aufstrebenden Künstlerdynastie, für die Bellinis wiederum ist ein potenzieller Konkurrent nun familiär gebunden. Aus der Verbindung folgt ein mehr als 50 Jahre währender fruchtbarer Austausch zwischen Mantegna und Giovanni Bellini, dem Bruder von Nicolosia.
Die Ausstellungsmacher begeben sich auf eine Spurensuche: Giovanni Bellini ist vermutlich etwas jünger als Mantegna, doch eine gesicherte Auskunft über sein Geburtsdatum gibt es nicht und auch sonst ist nur wenig über seinen Lebenslauf bekannt. Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts und Mitkuratorin der Ausstellung, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass Giovanni Bellini um 1435 geboren wurde. Damit wäre er vier Jahre jünger als Mantegna.“ Der jüngere Bellini ist beeindruckt von der Kunst seines Schwagers Mantegna und lässt sich stark von ihr inspirieren. Aber auch Mantegna ist von einigen Aspekten in Giovanni Bellinis Kunst fasziniert. Neville Rowley, der zusammen mit Dagmar Korbacher die Ausstellung kuratiert, präzisiert: „Mantegna war wahrscheinlich beeindruckt von Bellinis Talent Landschaften zu malen; Bellini wiederum hat antike Themen aufgenommen, für die sich Mantegna interessiert hat. Es war ein fruchtbarer Dialog auf Augenhöhe zwischen zwei der größten Künstler Oberitaliens in der Renaissance.“
Zu Gast bei Christus In der Ausstellung, die bis 27.1.2019 in der Londoner National Gallery gezeigt wird und ab März in leicht veränderter Form nach Berlin kommt, gibt es viele Beispiele, die diesen Dialog belegen. Bei einigen Bildpaaren ist die Nähe der Künstler sogar so offenkundig, dass der Betrachter sich fragen muss, warum sie nie zuvor in einer gemeinsamen Ausstellung gewürdigt wurden.
Da gibt es zum Beispiel Mantegnas Bild „Die Darbringung Christi im Tempel“, auf dem sich der Maler, so vermuten Forscher, zusammen mit seiner Frau Nicolosia darstellte. Entstanden ist es wahrscheinlich zur Hochzeit der beiden oder um 1454, zur Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes. In dem Gemälde ist eine Szene aus dem Lukasevangelium dargestellt: Jesus wird von seinen Eltern Maria und Josef nach Jerusalem in den Tempel gebracht und dort vom Weisen Simeon als Messias erkannt.
In der Interpretation Mantegnas lässt sich das zukünftige Unheil der Kreuzigung in der Szenerie bereits erahnen: „Außer Christus sind die Figuren nicht im ganzen Körper, sondern angeschnitten aus der Nähe dargestellt – der Fokus liegt damit auf ihren Gesichtern und ihren Handlungen“, erläutert Neville Rowley. „Maria scheint sich förmlich an ihr Kind zu klammern, während Simeon versucht, es ihr aus der Hand zu reißen. Das Gesicht von Jesus ist zum Weinen verzerrt, die Stoffbahnen, die um seinen Körper gewickelt sind, machen für ihn jede Bewegung unmöglich und erinnern an ein Leichentuch.“ Am rechten und linken Bildrand stehen ein Mann und eine Frau, die in die Ferne blicken. Diese beiden Figuren könnten Andrea und Nicolosia sein.
Gegenseitige Faszination Etwa 20 Jahre später malt auch Giovanni Bellini die Szene aus dem Lukasevangelium und orientiert sich dabei stark an der Vorlage seines Schwagers. Inzwischen gilt als gesichert, dass er sie sogar abpauste – so stimmen etwa die Umrisse von Maria und Kind exakt überein und auch die Konturen der beiden Figuren, die als Mantegna und seine Frau Nicolosia identifiziert wurden, scheinen abgepaust zu sein. Bellinis Bild ist insgesamt allerdings breiter und bietet Platz für zwei zusätzliche Figuren. „Auch sonst ist sein Gemälde als durchaus eigenständig zu betrachten“, versichert Rowley. Im Gegensatz zu Mantegna, der Tempera verwendete, führte Bellini seine Arbeit in Öl aus und legte dabei nicht nur großen Wert auf die geschmeidigen Gesichtszüge, sondern auch auf das Spiel mit Licht und Schatten, das Mantegna weitgehend vernachlässigt.
Es gibt noch weitere Beispiele, die zeigen, dass Bellini nicht zu stolz war, ganze Bilder nach Entwürfen seines Schwagers zu malen. Das Gemälde „Christus in der Vorhölle“ brachte Bellini neuesten Untersuchungen zufolge direkt auf eine detailliert gezeichnete Pergament-Kopie eines Entwurfs von Mantegna auf. Aber auch Mantegna nahm bisweilen Anleihen bei seinem jüngeren Schwager. Ihn beeindruckte Bellinis Umgang mit Licht und sein Sinn für Landschaftsmalerei. In dem Gemälde „Christus als Schmerzensmann“ etwa, ist die Landschaft kein simpler Hintergrund; vielmehr spiegelt und verstärkt sie, ähnlich wie bei Bellini, die Bedeutung der Szene.
Wie die zwei Männer über die Jahrzehnte hinweg in Kontakt standen, ist nicht überliefert. Sieben Jahre nach der Hochzeit verlässt Mantegna die Republik Venedig und geht nach Mantua, wo ihn die Markgrafenfamilie Gonzaga als Hofmaler engagiert. Bellini bleibt zeitlebens in Venedig und wird dort vom Adel für seine Andachtsbilder und Madonnendarstellungen gefeiert. Trotz dieser sehr unterschiedlichen Karriereentwicklungen scheinen beide Männer zeitlebens regen Anteil am Schaffen des anderen zu nehmen.
„Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance“ läuft vom 1.3. bis 30.6.2019 in der Gemäldegalerie. Die Ausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin und der National Gallery London in Kooperation mit dem British Museum steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und wird großzügig gefördert vom Kaiser Friedrich Museumsverein sowie von der Sparkassen-Finanzgruppe, Hauptförderer der Staatlichen Museen zu Berlin.
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