Das Museum für Islamisch Kunst hat ein kostbares persisches Seidentextil erworben. Nicht nur die Geschichte des Textils selbst ist interessant – auch der Weg des Objektes über die Sammlung eines jüdischen Mäzens ins Museum liefert Stoff für eine museale und wissenschaftliche Auseinandersetzung.
Seit Jahrhunderten entstehen in der iranischen Stadt Kaschan jene prachtvollen Seidenteppiche, deren Arabesken, Pflanzenmuster und Tierdarstellungen man heute mit dem Begriff „Perserteppich“ verbindet. Bereits im 16. Jahrhundert, unter der Herrschaft des berühmten Safawidenkönigs Abbas I. dem Großen, liefen hier erstmals die mechanischen Webstühle und machten die Region um Kaschan an der Seidenstraße weit über Persien hinaus berühmt. Aufgrund ihres legendären Status, aber vor allem auch ihrer besonderen Qualität und Schönheit, zählen Kaschan-Teppiche zu den kostbarsten Teppichen aus persischer Produktion – ihre spezielle Webtechnik wurde 2010 sogar von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt.
Ein solches textiles Meisterwerk findet sich nun auch in der Sammlung des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum. Die Neuerwerbung ist eine feine Seiden-Tapisserie und gehört zu einer der kostbarsten Teppichgruppen der Welt. Die meisten überlieferten Objekte dieser Art kamen im 16. und frühen 17. Jahrhundert, oft auch als Auftragswerke oder Geschenke für ausländische Herrscher, von den Höfen des iranischen Schahs nach Europa. Die in Wirktechnik hergestellten Seidentapisserie, deren Seidengarne zusätzlich mit Gold- und Silberfäden veredelt wurden, sind in der Herstellung mit europäischen Wolltapisserien vergleichbar, jedoch vom Material, Herstellung und Wirkung um ein Vielfaches feiner. Der Seidenteppich wurde mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder erworben und ist ab sofort im Pergamonmuseum zu sehen. Der Erwerb der Tapisserie wird außerdem durch eine Schenkung von sieben Keramikobjekten und acht weiteren Teppichen begleitet.
„Die Seiden-Tapisserie ist von außergewöhnlicher Qualität und Farbigkeit, ein ganz besonderes Stück“, bestätigt auch Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst. Die Tapisserie habe für das Museum aber auch einen hohen emotionalen Wert, der sich auch aus der Provenienz des Teppichs ergebe, so Weber weiter. Das Webstück stammt aus der Sammlung des deutsch-jüdischen Industriellen und Kunstsammler Alfred Cassirer (1875-1932). Cassirer war ein wichtiger Förderer der Berliner Museen im frühen 20. Jahrhundert und hat die Tapisserie gemeinsam mit weiteren Spitzenwerken in den 1920er-Jahren auf Anraten des Museums für Islamische Kunst erworben – auch um mittelfristig Fehlstellen in der Berliner Sammlung abzudecken. Vor seinem Tod hatte Cassirer dem Museum zahlreiche Objekte überlassen, aber nie förmlich geschenkt. Die Sammlung, die ab 1932 formell in den Besitz seiner Tochter Eva Cassirer überging, wurde 1934 durch die Nationalsozialisten teilweise zerschlagen. Nach dem Ableben von Eva Cassirer wurden die verbleibenden 14 klassischen Teppiche 2012 der Erbengemeinschaft zurückgegeben und später dem Museum für Islamische Kunst zum Erwerb angeboten.
Teppich mit Padischah-Wirkerei (Detail), Ende 16. Jahrhundert, Kaschan (Iran) Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Johannes Kramer CC BY-SA 4.0
„Mein Dank für diese spektakuläre Erwerbung gilt der Alfred-und-Eva-Cassirer-Stiftung, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Kulturstiftung der Länder“, sagt Stefan Weber. „Das textile Kunstwerk unterstreicht nicht nur die enge Verbindung Alfred Cassirers zu unserer Sammlung, es ist auch Zeugnis einer über Jahrhunderte anhaltenden pluralen Gesellschaft und verknüpfter Geschichte zwischen Europa und der islamisch geprägten Welt“, so der Direktor weiter.
Herausragende Rolle jüdischer Sammler:innen
Die Geschichte des Teppichs und seines Sammlers Alfred Cassirer steht beispielhaft für die herausragende die Rolle, die jüdische Sammler*innen und Wissenschaftler*innen insbesondere für die Islamische Kunst im 19. und frühen 20. Jahrhundert spielten. Sie leisteten einen entscheidenden Beitrag bei der Gründung der wissenschaftlichen Fachdisziplin und förderten mit zahlreichen Schenkungen den Aufbau der Berliner Sammlung, dem ältesten Museum seiner Art in Europa und Amerika. Dementsprechend repräsentieren die Objekte im Pergamonmuseum auch die Jahrhunderte alten jüdischen Traditionen in der islamisch geprägten Welt.
Teppich mit Padischah-Wirkerei (Detail), Ende 16. Jahrhundert, Kaschan (Iran) Credit: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Johannes Kramer CC BY-SA 4.0
Die Geschichte der Sammlung von Alfred Cassirer sowie ihre Zerstreuung zwischen 1933 und 1945 wird vom Museum für Islamische Kunst gemeinsam mit der Alfred-und-Eva-Cassirer-Stiftung seit 2020 in einem Forschungsprojekt erforscht.
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