Anlässlich des Berliner Christopher Street Days dieses Wochenende, präsentieren wir euch Spuren queerer Identitäten in der Kunstgeschichte und in unseren Sammlungen.
Phaeton (griechische Mythologie)
Gleichgeschlechtliche Liebe ist bereits lange Teil unserer Geschichte: In der Antike gibt es zahlreiche Beispiele von Liebe zwischen zwei Männern. Lesbische Liebe hingegen ist in den meisten Quellen, übrigens bis heute, unterrepräsentiert. Dieses antike Relief zeigt uns ein wenig dieser gleichgeschlechtlichen Liebe: Phaeton, Sohn des Sonnengottes Helios stürzt vom Himmel in den Fluss und stirbt. Links unten erwartet ihn bereits der Flussgott Eriadnos in einer recht eindeutigen Pose. König Kyknos, der Geliebte Phaetons, eilt in Form eines Schwans herbei, um Phaeton zu betrauern. Rechts tauschen drei Nymphen Intimitäten aus. Ganz schön viel los bei Phaeton! Neben der gleichgeschlechtlichen Liebe gibt es selbstverständlich noch unzählige weitere Liebesformen innerhalb der LGBTIQ+ Community. Davon gibt es aber leider kein antikes Relief.
Simone Mosca: Der Sturz des Phaeton, um 1560; Fotonachweis: Staatlichen Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Jörg P. Anders; Public Domain Mark 1.0
Donatello (1386 – 1466)
Donatello, gemäß verschiedenen Quellen wahrscheinlich selbst homosexuell, gilt als einer der Väter der Renaissance. In seinen skulpturalen Arbeiten paarte er klassische Sinnlichkeit mit christlicher Moral und Humanismus. Seine Skulpturen der biblischen Figur des Davids illustrieren zum ersten Mal die neoplatonische Vorstellung von Liebe. In der Version im Bode-Museum ist David nur mit einem Umhang und einer sehr kurzen Tunika bekleidet, die sein rechtes Bein bis zur Hüfte enthüllt. Der Fokus auf Davids attraktiven männlichen Körper wird noch durch die leicht gedrehte Hüfte und das angehobene linke Bein unterstrichen. Donatello war der erste Künstler, der ihn als attraktiven und zu einem gewissen Grad androgynen Jüngling präsentierte.
Donatello (um 1386-1466) David mit dem Haupt Goliath, Mitte 15. Jh. Bronze; Fotonachweis: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin / Antje Voigt; Public Domain Mark 1.0
Sappho (ca. 617–570 v.Chr.)
Sappho wurde auf Lesbos geboren und gilt als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen der Antike. Liebe, Leidenschaft und Erotik zählen zu den Hauptthemen ihrer Gedichte und Lieder. Auch der Göttin Aphrodite widmete Sappho eine Ode. Ihr Können gab sie an junge Frauen in einer von ihr gegründeten Schule weiter. Auf Sappho bzw. ihren Geburtsort Lesbos gehen die Ausdrücke sapphisch oder lesbisch für weibliche Homosexualität zurück.
Unbekannt: Sappho und Amor, um 1800 ; Fotonachweis: Nationalgalerie / Staatliche Museen zu Berlin, Andres Kilger; Public Domain Mark 1.0
Chevalier d’Éon (1728–1810)
Die komische Oper „Le Chevalier d’Eon“ behandelt das Leben der gleichnamigen Person, die unter Ludwig XV. zeitweise als Diplomat gearbeitet hatte. Der Chevalier wurde vor allem dadurch bekannt, dass er immer wieder als Frau auftrat. Heute als Transgender-Person bezeichnet, konnte der Chevalier d’Eon im 18. Jahrhundert vor allem deswegen gut mit beiden Identitäten leben, weil er dies politisch einzusetzen wusste. Das Plakat der Brüder Clérice stellt diese Fähigkeit geschickt dar: Mit dem Schatten einer Frauen-Silhouette hat der Protagonist die Figuren der politischen Welt wie an Fäden in der Hand beziehungsweise an einem Degen – neben den diplomatischen Aufgaben für den französischen Königshof war der Chevalier d’Eon auch als Degenfechter tätig. Das Leben zwischen den Geschlechteridentitäten stellte sich sicherlich weniger glanzvoll dar, als es dieses Opernplakat vermuten lässt. Am Ende seines Lebens weitestgehend verarmt, musste der Chevalier d’Eon seinen Lebensunterhalt mit dem Degenfechten in Frauenkleidern verdienen. Nach seinem Tod wurde er obduziert, um sein biologisches Geschlecht eindeutig als männlich zu identifizieren.
Le Chevalier d’Eon. Opéra comique en 4 actes; Plakat, 1908; Fotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz; Public Domain Mark 1.0
Trude Fleischmann (1895–1990)
Die Fotografin Trude Fleischmann stammte aus einem bürgerlichen jüdischen Elternhaus in Wien. Bereits 1920 eröffnete sie nach einem kurzen Studium in Paris und einer Ausbildung in Wien ihr eigenes Atelier. Sie wurde zu einer der gefragtesten Porträtfotografinnen Wiens und machte Aufnahmen von den großen Stars ihrer Zeit. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland floh die Fotografin nach News York, wo sie 1990 starb. Trude Fleischmann führte lesbische Beziehungen und widmete auch Teile ihrer Arbeit diesem Teil ihrer Identität. So zum Beispiel bei dieser Aufnahme von zwei Frauen, die in zärtlicher Zuneigung gemeinsam posieren. Ob die abgebildeten Frauen tatsächlich Liebhaberinnen waren, lässt sich jedoch nicht mehr sagen – das Motiv vertrauter Frauen war in der Modefotografie der Zeit verbreitet, doch eine offene Thematisierung lesbischer Liebe kaum denkbar.
Conchita Wurst ist die Kunstfigur des österreichischen Sängers und Travestiekünstlers Tom Neuwirth. 2014 gewann Conchita Wurst den Eurovision Song Contest und löste mit ihrem Auftreten als weibliche Gestalt mit Bart eine große öffentliche Debatte aus. Den Nachnamen ihrer Kunstfigur Wurst wählte sie aus, „weil es eben ‚wurst‘ ist, woher man kommt und wie man aussieht“. Eine Skulptur der Kunstfigur steht heute im Museum Europäischer Kulturen in Dahlem.
Dass intersexuelle Personen keine Erfindung der Moderne oder gar ein „Modetrend“ sind, beweisen die zahlreichen griechischen Statuen von sogenannten Hermaphroditen. Der Name geht auf den mythischen Sohn von Hermes und Aphrodite zurück. Typischerweise wird er mit weiblichen Brüsten und männlichem Geschlechtsteil dargestellt und verkörpert somit intersexuelle Schönheit und das Prinzip der fließenden Übergänge von sexueller Identität.
„Berliner Hermaphrodit“, Unbekannt, um 120 – 140 n. Chr., Fotonachweis: Staatliche Museen zu Berlin / Antikensammlung, Johannes Laurentius; Public Domain Mark 1.0
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Der 26. Oktober ist der Welttag der Intersexualität. Ein Objekt im Bode-Museum zeigt eindrücklich, wie sich das Spektrum der geschlechtlichen… weiterlesen
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