Restitution ist ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein
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Roksolana Ludyn ist Lehrerin, Schauspielerin und leitet Workshops. Einen Monat nach dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar 2022 verließ sie ihre Heimat Kyiv in der Ukraine und kam nach Berlin. Hier arbeitet sie nun an Vermittlungsprogrammen für die sogenannten „Benin-Bronzen“, die jetzt im Humboldt Forum gezeigt werden.
Wie hat sich der Krieg auf Ihre Arbeit und Ihr Leben in der Ukraine ausgewirkt? Woran haben Sie vorher gearbeitet?
Vor dem Krieg habe ich in der Ukraine als Lehrerin für Englisch, Ukrainisch und Schauspiel gearbeitet – fast nur für Kinder. Letztes Jahr habe ich auch angefangen, im Bereich der integrativen Bildung zu arbeiten.
Der Krieg änderte alles schlagartig. Ich erinnere mich noch gut an den schrecklichen Morgen des 24. Februar, als ich aufwachte und die Geräusche von Explosionen hörte. Das war etwas, das ich kaum glauben konnte und das mir Angst machte. Die Bildungszentren, mit denen ich arbeitete, mussten wegen der Gefahr für die Kinder geschlossen werden.
Im Rahmen Ihres Stipendiums arbeiten Sie nun hier in Berlin an Vermittlungsprogrammen an den sogenannten „Benin Bronzen“. Warum haben Sie dieses Gebiet gewählt?
Ich freue mich, mehr über das Thema der „Benin-Bronzen“ zu erfahren, denn es gibt Anhaltspunkte für das Verständnis der Dekolonisierungsprozesse insgesamt. Dieses Thema hat auch mit der Geschichte meines eigenen Landes zu tun. Wenn wir über Kolonialismus sprechen, denken die meisten Menschen an westliche Länder, aber man kann auch Parallelen in dem ständigen Wunsch Russlands sehen, ukrainische Gebiete zu dominieren, zu erobern und sich unser kulturelles Erbe anzueignen.
Ich arbeite in der Bildungsabteilung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin und beteilige mich an der Vorbereitung und Leitung von Workshops und Führungen. Ich beschäftige mich dabei vor allem mit den Themen Kolonialismus und Restitution und lerne mehr über die Geschichte und die in dem Museum ausgestellten Kulturen.
Das Team ist sehr freundlich und professionell und ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit hier im Rahmen eines Stipendiums zu arbeiten.
Die „Benin-Bronzen“ sind seit August 2022 wieder nigerianisches Eigentum. Was halten Sie von den Restitutionen? Wie verändern sie die Vermittlungsarbeit?
Restitution ist ein großartiges Zeichen des Verantwortungsbewusstseins, und zusammen mit einem kulturellen Dialog zeigt es den Versuch, historisches Unrecht zu korrigieren. Es macht Angst, wenn das Unrecht nicht anerkannt wird. Viele Dinge wurden während der russischen Invasion aus der Ukraine gestohlen, auch aus ukrainischen Museen, in Mariupol und anderen Orten.
Wie war die Eröffnung des Humboldt-Forums für Sie?
Die Eröffnung war großartig, voller wunderbarer Ereignisse. Die ganze Woche war auch sehr intensiv. Ich habe mich geehrt gefühlt, dabei zu sein, zuzuhören und zu lernen. Es war sehr interessant unter den vielen internationalen Gästen zu sein, mehr über ihre Kulturen und ihre Weltsicht zu erfahren, über das neue Museum und die Richtung seiner Entwicklung zu diskutieren. Ich habe mich auch gefreut, Musiker*innen aus der Ukraine zu treffen und zu sehen, dass ein ukrainisches Projekt bei der Eröffnung dabei ist.
Konnten Sie neue Erkenntnisse gewinnen, z. B. durch Gespräche mit Menschen aus Nigeria?
Ich habe mich sehr gefreut, die Menschen aus Nigeria zu treffen und mit ihnen zu sprechen. Es war aufregend, einige kulturelle Unterschiede zu erkunden, und ich war wirklich inspiriert von der Art und Weise, wie sie über ihre Kultur sprechen – mit viel Liebe und Begeisterung.
Was werden die nächsten Schritte in Ihrer Arbeit sein? Was sind Ihre Pläne für die unmittelbare Zukunft?
Als Lehrerin möchte ich Museumspädagogik, neue Methoden und Varianten erforschen, um mit verschiedenen Altersgruppen, insbesondere Kindern, über wichtige soziale und kulturelle Prozesse zu sprechen. Ich habe auch Erfahrungen als Schauspielerin in der Ukraine gesammelt und werde versuchen, dieses Wissen zu nutzen, um die Bildungsveranstaltungen bunter und performativer zu gestalten.
Was ist Ihre Perspektive nach dem Ende des Stipendiums? Glauben Sie, dass Sie in die Ukraine zurückkehren und Ihre Arbeit nahtlos fortsetzen können?
Museumspädagogik ist ein sehr interessantes Feld, das es zu entdecken gilt, und ich möchte meine zukünftige berufliche Entwicklung damit verbinden. Lebenslanges Lernen ist eine Denkweise, die mir sehr am Herzen liegt.
Ich hoffe, dass der Krieg bald zu Ende ist, aber leider wird vieles nicht mehr so sein, wie es vorher war. Ich werde versuchen, etwas für die Wiederbelebung der Ukraine zu tun, entweder in meinem Land oder in Deutschland. Es ist auch wichtig, im Bereich des interkulturellen Dialogs zwischen Deutschland und der Ukraine zu arbeiten und Projekte für ukrainische Geflüchtete durchzuführen.
Die Stipendien für ukrainische Forscher*innen werden von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland finanziert.
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