Tag der Provenienzforschung 2025: Geschichten aus den Museen
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Zum 7. Tag der Provenienzforschung öffneten die Staatlichen Museen zu Berlin erneut ihre Türen für spannende Einblicke hinter die Kulissen. In Führungen, Talks und Rundgängen erfuhren Interessierte Details zu den Geschichten der Kunstobjekte.
Provenienz bedeutet Herkunft. Die Provenienzforschung befasst sich dementsprechend mit der Geschichte von musealen Objekten: Sie untersucht, wann und auf welche Weise sie in das Museum kamen und ob sie rechtmäßig dorthin gelangten. Am 9. April fand zum 7. Mal der internationale Tag der Provenienzforschung statt – und die Staatlichen Museen zu Berlin waren dabei. Bei Führungen, Gesprächsrunden und Depotbesichtigungen konnten Besucher*innen den Mitarbeitenden der Provenienzforschung über die Schulter schauen und bekamen Einblicke in das spannende Thema.
So schlossen sich zum Beispiel im Museum Europäischer Kulturen (MEK) zehn Interessierte der Depotführung von Matthias Thaden an. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums stellte verschiedene Sammlungskonvolute vor, die während der deutschen Besatzung Ost- und Südosteuropas im Zweiten Weltkrieg nach Berlin kamen. Dabei ging es unter anderem um den aktuellen Austausch mit Museen aus den Herkunftsregionen und die Möglichkeiten der Rückführung dieser Objekte.
Depotführung im MEK mit Matthias Thaden, Foto: Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug
Anschließend nahmen rund 15 Personen an einer Gesprächsrunde im Projektraum Áimmuin teil, in der die sámischen Duojárat (Kunsthandwerker*innen) Ellen Berit Dalbakk, Lova Lundberg und Heini Wesslin gemeinsam mit der Provenienzforscherin Eeva-Kristiina Nylander über ihre Erfahrungen im Forschungsprojekt zur sámischen Sammlung am MEK sprachen. Sie betonten insbesondere, wie wichtig der freie Zugang zu den historischen Sammlungsobjekten in Áimmuin für ihre Arbeit ist und wie notwendig die Repatriierung und Rematriierung des Erbes ihrer Vorfahr*innen nach Sápmi ist.
Die Gesprächsrunde in Áimmuin mit Heini Wesslin, Ellen Berit Dalbakk, Lova Lundberg und Eeva-Kristiina Nylander (von links nach rechts), Foto: Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug
Im Rahmen der Provenienzspaziergänge „Spurensuche“ stand dieses Jahr auch das Humboldt Forum im Fokus. Hier führten das Team der postkolonialen Provenienzforschung des Zentralarchivs und des Ethnologischen Museums die Teilnehmer*innen in aktuelle Fragen und Themen ein: Warum sind die historisch und kulturell sensiblen Bestände aus kolonialen Kontexten überhaupt im durchaus kontrovers diskutierten Humboldt Forum ausgestellt? Was sind die Vorgehensweisen und Themen der postkolonialen Provenienzforschung? Wie lassen sich diese in Ausstellungen abbilden? Diese und andere Fragen zu Objekten, die mit der deutschen kolonialen Expansion und Herrschaft in Zusammenhang standen, wurden anschließend in der Ausstellung „Geschichte(n) Tansanias“ mit den Teilnehmenden diskutiert. Dabei ging es u.a. um die Komplexität kolonialer Aneignungsprozesse, die Konsequenzen für die betroffenen Menschen, um Leerstellen und rassistischen Narrative in den kolonialen Archiven sowie Kooperationen und Aufarbeitung mit den Nachfahr*innen der Menschen, die den deutschen Kolonialismus selbst erlebten.
Eines der Kernthemen der Provenienzforschung, die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Bezug auf Kulturgüter, stand im Mittelpunkt einer ausgebuchten Führung durch die Ausstellung „Kosmos Blauer Reiter. Von Kandinsky bis Campendonk“ im Kupferstichkabinett. Hier widmeten sich Kurator Andreas Schalhorn und Provenienzforscher Sven Haase Fragen zur Sammlungsgeschichte und den Provenienzen einzelner Blätter. Neben berühmten Händlern wie Alfred Flechtheim, Bruno Cassirer und Ferdinand Möller lagen weitere Schwerpunkte auf der Dichterin Else Lasker-Schüler, deren Arbeiten 1937 als „entartet“ beschlagnahmt wurden und den Weg auf unterschiedliche Weise zurück ins Museum fanden, und der Geschichte der Druckgraphik Tiger von Franz Marc aus der ehemaligen Sammlung von Victor und Hedda Peters. Dieses Blatt war 1960 vom Amt für Zoll und Warenkontrolle an der Deutsch-deutschen Grenze beschlagnahmt und dem Museum überwiesen worden. Der Umgang mit dem DDR-Unrecht ist neben der Suche und Restitution von verfolgungsbedingten Entzug während des Nationalsozialismus und der Aufarbeitung kolonialer Aneignungen das dritte große Thema der Provenienzforschung in Museen.
Andreas Schalhorn (links) und Sven Haase vor Arbeiten Else Lasker-Schülers, die 1937 beschlagnahmt, anschließend an den Kunsthändler Bernhard A. Böhmer verkauft und 1949 schließlich an die Nationalgalerie zurückgegeben wurden. Nach 1990 wurden die Werke in die Sammlung des Kupferstichkabinetts integriert. Foto: SPK / Louis Killisch
Führung am Tag der Provenienzforschung durch die Ausstellung. Foto: SPK / Louis Killisch
Auch in der Alten Nationalgalerie ging es um Provenienzen, die von der bewegten Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt sind. Unter dem Titel „SpurenSuchen“ fand hier eine Tandemführung mit der Kuratorin Yvette Deseyve und der Provenienzforscherin Petra Winter statt. Über 20 interessierte Besucher*innen folgten den Spuren von fünf besonderen Kunstwerken. Los ging es mit dem preußischen Architekten und Künstler Karl Friedrich Schinkel und dem Landschaftsmaler August Wilhelm Julius Ahlborn in der 3. Etage des Hauses; von dort ging es zu Reinhold Begas‘ Marmorskulptur „Susanna“ und zu Han von Marées‘ Gemälde „Selbstbildnis mit gelbem Hut“ in der mittleren Etage – zwei Werke, die nach der Rückgabe an Erben von jüdischen Familien für das Museum zurückgekauft werden konnten. Nach einer Stunde war das Interesse an den Geschichten hinter den Kunstwerken immer noch so groß, dass die Gruppe als Bonus die „Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen“ des preußischen Bildhauers Johann Gottfried Schadow im 1. Ausstellungsgeschoss besuchten. Das Fazit der Beteiligten fiel so positiv aus, dass die ausrichtenden Einrichtungen, das Zentralarchiv und die Alte Nationalgalerie, die Tandemführungen künftig als festes Angebot für Besucher*innen etablieren möchten.
Dr. Petra Winter (links) und Dr. Yvette Deseyve (rechts) vor der Marmorskulptur „Susanna“ von Reinhold Begas in der Alten Nationalgalerie, Foto: SPK / Sara Biever, 2025.
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