Was macht eigentlich … Juliane Eule, Kuratorin der Keilschriftsammlung am Vorderasiatischen Museum?
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Bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeiten täglich hunderte Mitarbeiter:innen daran, den Betrieb zu managen und tolle Projekte auf die Beine zu stellen. Hier schauen wir ihnen über die Schulter. Dieses Mal: Juliane Eule, Kuratorin im Vorderasiatischen Museum.
Woran arbeiten Sie gerade?
Mein wichtigstes Projekt derzeit ist der virtuelle Rundgang durch das Vorderasiatische Museum, diesen betreue ich gemeinsam mit meiner Kollegin Fanet Göttlich, unterstützt durch das Team. Wir haben die Dauerausstellung vor der Schließung komplett digitalisieren lassen, damit wir während der langen Schließzeit bis 2037 neben verschiedenen Sonderausstellungen auch einen dreidimensionalen virtuellen Rundgang durch die bisherige Dauerausstellung anbieten können.
Kann ein virtueller Rundgang einen physischen Besuch im Museum ersetzen?
Für mich persönlich nicht, ich würde immer einen physischen Museumsbesuch bevorzugen, wenn ich die Wahl hätte. Aber in diesem Fall gibt es nun mal die Dauerausstellung des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum so nicht mehr bis zur Wiedereröffnung des Südflügels in 13 Jahren. Daher halte ich den virtuellen Rundgang für ein sehr schönes Angebot, das ich auch selbst nutzen würde. Es macht auch Spaß, da es sich nicht um bloße 360-Grad-Bilder handelt, sondern man sich, wenn man mag, völlig frei im dreidimensionalen Raum bewegen kann ‒ wie in einem Video Game. Für alle, die sich lieber von Punkt zu Punkt navigieren lassen, haben wir aber auch diese Möglichkeit einbauen lassen.
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus? Und hat sich dieser durch die Baufreimachung im Pergamonmuseum verändert?
Am schönsten ist natürlich die Arbeit an tollen Ausstellungsprojekten und an spannenden Keilschrifttexten! Im Alltag betreue ich außerdem auch externe Wissenschaftler*innen und bearbeite Leihanfragen aus anderen Museen. Und schließlich ist unsere Arbeit auch mit sehr viel mehr Verwaltung verbunden, als man sich dies denken würde.
In der Anfangszeit der Baufreimachung, als wir im ersten Schritt die Vitrinen im Museum ausgeräumt haben, waren alle Kuratorinnen maßgeblich mit den Umzügen beschäftigt. Wir haben die handlicheren Objekte aus den Vitrinen hier im Archäologischen Zentrum in den Depots eingeräumt, ihnen teilweise einen neuen Platz zugewiesen und all diese Veränderungen auch dokumentiert. Jetzt, während nur noch die Großobjekte ausgebaut werden, betrifft mich die Baufreimachung allerdings kaum noch.
Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Gerade in meiner Anfangszeit, als ich hier eine Projektstelle hatte, habe ich sehr viel mehr Zeit mit den Keilschrifttexten verbracht und bisher ungelesene Texte katalogisiert. Das war sehr spannend! Ich bin auf Schülertafeln mit Schreibübungen aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. gestoßen. Auf einer fand sich die amüsante Ritzzeichnung eines Fisches. Unter den Tafeln waren aber auch wirklich wunderschön geschriebene altakkadische Listen.
Und kein Tag ist wie der andere hier! Also ich habe sehr viel Abwechslung.
Und was am wenigsten?
Bürokratie und Verwaltung.
Was ist das kurioseste oder aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Da fallen mir drei Dinge ein!
Wirklich aufregend war, als ich hier gerade neu als Kuratorin angefangen hatte und nach ca. einem Monat plötzlich gefragt wurde, ob ich den damaligen argentinischen Präsidenten Alberto Ángel Fernández durch das Pergamonmuseum führen kann. Zum Glück hatte ich gar keine Zeit, nervös zu werden, da er kurz darauf schon im Museum ankommen sollte. Er und seine Ehefrau waren sehr sympathisch und wirklich interessiert an den Ausstellungsobjekten, das war definitiv eine schöne Erfahrung.
Als nächstes wäre das die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Maria Schrader und der Produzentin Lisa Blumenberg im Rahmen des Spielfilms ,,Ich bin dein Mensch“. Die Protagonistin im Film, dargestellt von Maren Eggert, arbeitet als Wissenschaftlerin im Pergamonmuseum und forscht an Keilschrifttexten. Meine Arbeit bestand bei diesem Projekt aus Vorabgesprächen mit Schrader und Blumenberg, Führungen durch die Depots, dem Lesen des Drehbuchs aus wissenschaftlicher Perspektive bis hin zur Betreuung der Dreharbeiten in unseren Räumlichkeiten. Teilweise konnte ich spontan während der Dreharbeiten noch kleine Änderungen einbauen. Beispielsweise in einer Szene in der Keramikwerkstatt, in der der Protagonist Tom, gespielt von Dan Stevens, vor einem Tisch steht, auf dem originale Tontafeln und Kopien liegen, und über die sumerische Keilschrift spricht. In der Drehpause habe ich dann angemerkt, dass er die gesamte Szene lang allerdings eine Tontafel in akkadischer, nicht in sumerischer Sprache angeschaut hat. Das hat Maria Schrader direkt eingebaut. Nun hört man Dan Stevens im Film sagen: ,,Das ist aber akkadisch“.
Und ich bin mal hier im Tontafelarchiv auf ein Exemplar des Textes Ludlul bēl nēmeqi (akkadisch: ,,Ich will preisen den Herrn der Weisheit“) gestoßen, von dem ich bis dahin gar nicht wusste, dass er sich in unserer Sammlung befindet. Den Text nennt man auch den „babylonischen Hiob“. Während meines Altorientalistik-Studiums in Jena wurde mir in einer Klausur ein Foto genau dieses Textzeugen zur Transkription und Übersetzung vorgelegt. Die Tontafel war allerdings durch ihre Publikationsnummer gekennzeichnet, und nicht durch die Museumsnummer, daher wusste ich nicht, in welchem Museum sie sich befindet. Bis ich sie irgendwann durch Zufall in einer Schublade in unserem Tontafelarchiv gefunden habe. Das war ein schöner Moment!
Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
Tanzen! Ich habe nämlich die interne Abschiedsfeier des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum im Oktober 2023 leider verpasst – ich hatte Corona! Am liebsten würde ich die ganze Party mit allen anderen Mitarbeiter*innen noch einmal nachholen!
Am 22.10.2023 schließt das Pergamonmuseum für eine grundlegende Sanierung. Wir sprachen Anfang des Jahres mit den Direktor:innen des Hauses, Barbara… weiterlesen
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