Stefan Kramer liebt knifflige Herausforderungen – in seinem Job als Werkstattleiter der Gipsformerei hat er genug davon. Ob alltägliche Arbeitsorganisation oder komplexe Großprojekte, der Gipsformer und sein Team haben alles im Griff.
Woran arbeiten Sie gerade?
Stefan Kramer: Bei uns in der Gipsformerei laufen immer mehrere Projekte gleichzeitig. Eines unserer größten Vorhaben derzeit ist die Restaurierung der Gipsmodelle der Quadriga vom Brandenburger Tor. Daneben gibt es aber auch Privataufträge und Arbeiten für die Museen. Außerdem läuft gerade ein von der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördertes Projekt, bei dem wir gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Museen unsere einzigartige Sammlung historischer Gipsformen kunsthistorisch untersuchen.
Worum geht es bei dem Quadrigaprojekt genau?
Die Modelle, nach denen im 19. Jahrhundert die Bronzequadriga für das Brandenburger Tor gefertigt wurde, entstanden bei uns in der Gipsformerei. Recherchen ergaben, dass Teile der Modelle heute beim Landesdenkmalamt Berlin liegen, und so entstand die Idee, diese Originalmodelle zu restaurieren. Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestags hat uns Räume im Mauermahnmal des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt, dort werden nun die Modelle öffentlich so restauriert, dass sie wieder funktionstüchtig sein werden.
Die Restaurierung ist öffentlich?
Ja, es wurde eine Schauwerkstatt eingerichtet, in der man uns besuchen und bei der Arbeit zusehen kann. Es sind auch Kollegen vor Ort, die erklären, was geschieht. Leider ist auch die Schauwerkstatt von dem aktuellen Lockdown betroffen, aber wir hoffen, dass wir bald wieder öffnen können. Bis dahin laufen die Arbeiten weiter und Interessierte können uns von außen durch die großen Scheiben zusehen.
Wie sieht Ihr Berufsalltag neben solchen Projekten aus?
In der Gipsformerei bin ich für die Aufgabenverteilung zuständig, plane Projekte, besorge Materialien und Werkzeuge und mache die Qualitätskontrolle. Gleichzeitig habe ich viel Kontakt zu Kunden und Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten.
Wie sind Sie in diese Position gekommen?
Ich bin gelernter Stuckateur und seit 1998 in der Gipsformerei tätig. Ich war von Anfang an mit Begeisterung dabei und habe einen guten Überblick. Als ich im Jahr 2000 gefragt wurde, ob ich mir die Werkstattleitung vorstellen könnte, habe ich angefangen, meinen Meister als Gipsformer zu machen. Es dauerte aber noch bis 2014, bis ich die Werkstattleitung übernehmen konnte. Zunächst gemeinsam mit meinem Kollegen Thomas Schelper und seit 2017 allein.
Was mögen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Wir müssen ständig sehr komplexe Probleme lösen, das erfordert viel Denken und eine gute Verknüpfung von Theorie und Praxis. Ich bin Problemlöser, das liegt mir. Auch beim aktuellen Quadrigaprojekt haben viele am Anfang gesagt, das sei nicht machbar. Aber was andere als unlösbar sehen, ist meine Mission. Meine Kollegen und ich haben überlegt und Lösungen gefunden – nun läuft es!
Und was mögen Sie gar nicht?
Unsere komplizierten Verwaltungsstrukturen und die damit verbundene, aufwendige Buchhaltung.
Was ist das aufregendste Erlebnis, das Sie mit Ihrem Job verbinden?
Ich begeistere mich für Statik und die damit zusammenhängenden Probleme, daher war für mich der „Große Kurfürst“ ganz besonders aufregend: Wir haben das große Reiterstandbild Friedrich Wilhelms vom Schloss Charlottenburg als Gipsabguss gefertigt. Das Pferd des Kurfürsten steht auf drei kleinen Füßen und die Skulptur hat ein Gewicht von anderthalb Tonnen. Bei einer Bronze ist das statisch kein Problem, aber in Gips ist es sehr schwierig, das Ganze stabil und sicher umzusetzen. Wir mussten schließlich ein eigenes Stahlgerüst konstruieren, um die Standhaftigkeit der Skulptur zu gewährleisten. Nun steht sie vor einem Barockmuseum in Mexiko. Ein tolles Gefühl, wenn am Ende alles klappt! Bei der Quadriga haben wir übrigens gerade ähnliche Probleme: Auch hier müssen wir die immense Skulptur – allein die Pferde sind über drei Meter hoch – auf ganz kleinen Füßen stabil aufstellen können. Wir arbeiten gerade an einem ähnlichen Gerüst, das die Sicherheit gewährleistet, ohne die optische Eleganz und Leichtigkeit der Quadriga zu stören.
Letzte Frage: Was würden Sie nachts allein im Museum tun?
Die Ruhe genießen! Wenn ich arbeite, stehe ich ständig unter Volldampf, also würde ich mich erst mal hinsetzen, einen Kaffee trinken und einfach nur die Ruhe genießen.
Kommentare
Ich bin geradezu überwältigt von dem, was ‚Museum and the City‘ an Informationen, Abbildungen und z.B. Berichten über die Arbeit von Mitarbeitern zu bieten hat.
Ich wünsche mir, dass möglichst viele an Kultur Interessierte diesen Online Schatz nützen. Vielen Dank an alle, die daran gearbeitet haben.
Lieber Herr Sauerteig, haben Sie vielen Dank für das Lob und Ihr Interesse!