Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabors
Lesezeit 4 Minuten
Als im März die Corona-Pandemie Deutschland erreichte,
mussten nicht nur die Museen schließen. Auch im kunsttechnologischen
Rathgen-Forschungslabor ruhte die Arbeit. Stefan Simon und sein Team
starteten kurzerhand eine eigene Produktion von Desinfektionsmittel und
Masken.
Interview: Sven Stienen
Im März begann der Corona-Lockdown. Was war Ihr letztes Projekt davor? Stefan Simon: Unser letztes großes Projekt war die Untersuchung der Alten Meister, die 1979 im größten Kunstdiebstahl der DDR-Geschichte aus Schloss Friedenstein in Gotha gestohlen wurden. Die fünf Gemälde waren seit einer konspirativen
Übergabe unter Mitwirkung des Landeskriminalamts im September 2019 bei
uns und wurden im Januar dem Museum zurückgegeben, nachdem ihre Echtheit
bestätigt werden konnte.
Welche Aufgaben übernehmen Sie und Ihre Kolleg*innen im Rathgen-Forschungslabor normalerweise? Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht die materialtechnische
Untersuchung von Museumsobjekten. Wir sind also die
naturwissenschaftliche Seite der Staatlichen Museen zu Berlin. Daneben
betreiben wir Forschungsprojekte zur nachhaltigen Erhaltung von Kunst-
und Kulturgut, der präventiven Konservierung, dem „Grünen Museum“ oder
dem illegalen Kunsthandel. Neben der Nachhaltigkeitsdebatte im
kulturellen Erbe ist die „Kultur in der Krise“ ein Thema, das mich schon
seit Jahren wissenschaftlich beschäftigt. Mit so einer Krise wie der
aktuellen Corona-Pandemie hatte ich allerdings nie gerechnet.
Das
Rathgen-Forschungslabor stellte am Beginn der Corona-Krise seine
Produktion auf Desinfektionsmittel und Schutzmasken um – wie kam es
dazu? Zu Beginn der Pandemie wurden wir durch einen
Covid-19-Fall bei uns im Labor sensibilisiert. In der Folge wurde unsere
halbe Belegschaft in Quarantäne geschickt. Unsere erste Aktion in
dieser Situation war, Schutzausrüstung zu spenden. Am 29. März konnten
wir tausende Handschuhe, Schutzanzüge und Schutzmasken aus Beständen der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), zu der auch die Staatlichen
Museen zu Berlin gehören, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
übergeben. Möglich gemacht haben das Kolleginnen und Kollegen aus der
gesamten SPK innerhalb weniger Tage, ich bin immer noch beeindruckt von
der Hilfsbereitschaft.
Wie entstand die Idee, selbst Hilfsmittel herzustellen? Am Tag nach unserer Hilfsaktion stellte sich die Frage: Was machen wir
denn in unseren Häusern? Desinfektionsmittel waren kaum mehr erhältlich,
wir haben dann aber herausgefunden, dass eine Allgemeinverfügung des
Bundes Einrichtungen wie dem Rathgen-Forschungslabor die Herstellung von
Biozidprodukten zur Desinfektion erlaubt. Wir waren uns im Team schnell
einig, dass wir unser analytisches Labor zu diesem Zweck umnutzen
wollen, und begannen, nach den notwendigen Chemikalien zu suchen. Vor
allem Alkohol war zu diesem Zeitpunkt über die normalen Kanäle nicht
mehr zu bekommen. Über private Kontakte in meiner bayerischen Heimat
konnten wir uns dann aber von verschiedenen Brennereien mehrere hundert
Liter Alkohol beschaffen. Andere Inhaltstoffe kamen aus dem
Chemikalienhandel, sodass wir kurz darauf die Einrichtungen der SPK mit
Desinfektionsmittel versorgen konnten.
Und Mund-Nasen-Bedeckungen haben Sie auch hergestellt … Ja, auch dies ist eine Initiative engagierter Kolleginnen und Kollegen
der gesamten SPK, vor allem unserer Profis aus der Textilrestaurierung.
Innerhalb weniger Tage fanden sich über 60 Mitstreiter und in den
letzten vier Wochen wurden mehr als 3000 Masken hergestellt. Ein großer
Teil davon ist bereits an die Mitarbeiter verteilt worden.
Nun
sind erste Museen wieder geöffnet. Produzieren Sie noch immer
Desinfektionsmittel und Masken oder normalisiert sich der Betrieb
wieder? Wir produzieren Masken und Desinfektionsmittel,
solange Bedarf besteht, aber langsam beginnt wieder unser normaler
Betrieb, auch wenn wir natürlich immer noch Einschränkungen erfahren.
Wir verbringen viel Zeit in Videokonferenzen und haben es dadurch auch
geschafft, Forschungsanträge vorzubereiten und einzureichen. Gerade
beginnen wir, ermöglicht durch Gelder der Richard Lounsbery Foundation
und in Kooperation mit dem Berliner Naturkundemuseum und weiteren
Partnern, ein Pilotprojekt zur Erforschung von Mikroorganismen auf
Objekten des Kultur und Naturerbes.
Worauf freuen Sie sich am meisten in der Zeit nach Corona? Meine Freunde und Kollegen auf der ganzen Welt, mit denen ich jetzt
fast täglich über Videokonferenzen in Verbindung stehe, wieder real und
nicht nur virtuell zu treffen, bei einem Glas Weißbier zum Beispiel,
darauf freue ich mich sehr. Und als jemand, dessen Freizeit durch
Volksläufe wie dem Rennsteiglauf oder dem Jungfrau-Marathon sowie den
Skirennen der World Loppet Serie bestimmt ist, warte ich sehnsüchtig
darauf, dass wir irgendwann wieder gemeinsam laufen können.
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